Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: 1 StR 295/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 66
StGB § 66 Abs. 1
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 StR 295/07

vom 25. September 2007

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. September 2007, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Dr. Boetticher, Hebenstreit, Dr. Graf,

Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 12. Februar 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft mit formellen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Revision hat auf die Sachrüge Erfolg, ohne dass es auf die Verfahrensrügen ankommt. Der Senat hat daher das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.

I.

Der nicht unerheblich sowohl in Deutschland als auch in Italien vorbestrafte Angeklagte ist zwar in Deutschland geboren, jedoch als Sohn eines italienischen Vaters italienischer Staatsangehöriger. Er wuchs zunächst in Deutschland auf, ging aber 1994 nach dem Selbstmord seiner Mutter nach Italien, wo er in der Folge arbeitete, aber auch sehr bald straffällig wurde. So verbüßte er von 1995 bis zu seiner Haftentlassung im Jahr 2005 mit kurzen Unterbrechungen eine Freiheitsstrafe von knapp neun Jahren. In Italien hatte er mit dem Konsum von Kokain und Heroin begonnen, den er auch nach seiner Haftentlassung fortsetzte.

Am 26. Juni 2006 reiste der Angeklagte nach Deutschland ein, um hier seinen Vater und seine Schwester zu besuchen. Nachdem der Vater von seinem Besuch aber nicht sehr erfreut war, wollte der Angeklagte nach Italien zurückfahren. Er traf davor allerdings einen Bekannten und begann mit diesem Bier zu trinken. In der Folge übernachtete er einige Tage bei diesem Bekannten in der Obdachlosenunterkunft. In diesen Tagen befand er sich unter anderem in Polizeigewahrsam, da er an einer Tankstelle in einen Streit geraten war. Nach der Entlassung aus dem Polizeigewahrsam wollte er erneut nach Italien zurückfahren, als er wiederum den Bekannten traf und mit diesem erneut zu trinken begann. Zusammen trank man einen Sechserpack mit Bier und 1,5 Liter Weißwein, danach weitere Alkoholika. Als sich die beiden abends auf den Rückweg zur Obdachlosenunterkunft begaben, wurde der Angeklagte gegen 20.30 Uhr von der Polizei kontrolliert, welche ein Wurfmesser mit einer Klingenlänge von 12,5 cm sicherstellte. Danach tranken sie in einem Wohncontainer der Obdachlosenunterkunft weiter. Gegen 22.00 Uhr begab sich der Angeklagte zu dem Wohncontainer des Geschädigten L. , welcher sich bereits zum Schlafen gelegt hatte. L. sagte, er wolle weiterschlafen, und wollte die Tür schließen. Der Angeklagte drückte diese daraufhin auf und versetzte dem Geschädigten L. mit einem Messer oder einem abgebrochenen Flaschenhals mehrere Stiche an der linken Halsseite nahe des Unterkiefers, am rechten und am linken Oberschenkel sowie am rechten Oberbauch. Durch den letztgenannten Stich erlitt der Geschädigte auch eine Leberverletzung. Dennoch konnte er aus dem Fenster seines Wohncontainers fliehen und die Polizei und den Notarzt verständigen lassen.

Der Angeklagte begab sich daraufhin in den Wohncontainer des Geschädigten J. , welchem er ohne erkennbaren Anlass mit einem harten Gegenstand, möglicherweise mit der Schnalle seines Hosengürtels oder einer Flasche oder einer Kaffeetasse, auf den Kopf schlug, wodurch J. eine blutende Kopfplatzwunde erlitt.

II.

1. Die Kammer hat zu einem möglichen Tötungsvorsatz des Angeklagten gegenüber dem Geschädigten L. keine Feststellungen getroffen. Auch wenn weder die Staatsanwaltschaft die Sache vor dem Schwurgericht angeklagt hatte, noch offenbar die Frage in der Hauptverhandlung irgendwie thematisiert wurde, war dennoch eine Auseinandersetzung damit aus Rechtsgründen letztlich nicht entbehrlich. Nachdem der medizinische Sachverständige angegeben hatte, dass die Stiche in den Hals und in den Oberbauch generell dazu geeignet waren, das Leben zu gefährden, und - je nach Art der Stiche - auch die Möglichkeit bestanden hätte, dass eine rechtzeitige Rettung des Geschädigten L. nicht mehr möglich hätte sein können, lag die Notwendigkeit der Prüfung eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht allzu fern.

2. Rechtsfehlerhaft erscheint zudem der Umstand, dass das Landgericht hinsichtlich der Verletzung des Zeugen J. neben der Alternative des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht auch die angesichts der entstandenen Verletzung naheliegende Möglichkeit des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft hat; denn sowohl eine aus Porzellan hergestellte Kaffeetasse als auch eine Gürtelschnalle, erst recht eine Flasche, können nach Art der objektiven Beschaffenheit und nach Art der Benutzung geeignet sein, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Die Strafkammer teilt in dem angefochtenen Urteil aber weder mit, um was für eine Kaffeetasse es sich gehandelt haben könnte, noch wie groß und schwer die in Betracht kommende Gürtelschnalle war.

3. Nicht ohne Rechtsfehler ist zudem die Entscheidung hinsichtlich der Anordnung einer Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB. Zwar ist die Kammer wohl den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt, welcher einen Hang des Angeklagten zur Begehung körperlicher Gewalttaten bejaht hat, nimmt dann aber zugunsten des Angeklagten an, dass die vorliegende Tat als Gelegenheitstat nicht dem vorbezeichneten Hang des Angeklagten entspringt. Insoweit bleibt jedoch offen, wie das Landgericht zu der Annahme kommt, der Geschädigte L. habe den Angeklagten auf verbale oder sonstige Art zu der Tat provoziert, nachdem zuvor mitgeteilt wird, der Geschädigte L. habe sich bereits Schlafen gelegt gehabt, bevor der Angeklagte seinen Einlass erzwungen habe. Selbst die nicht näher spezifizierte Annahme, dass es der Zeuge L. gewesen sein könnte, mit dem der Angeklagte mehr als eine Stunde vor der Tat einen dann abgebrochenen und nicht mehr fortgeführten Streit über Fußball gehabt habe, würde entgegen der Auffassung der Strafkammer keine zugunsten des Angeklagten zuzurechnende Provokation darstellen. Der neue Tatrichter wird auch insoweit die Voraussetzungen des § 66 StGB nochmals zu überprüfen haben, wobei die bislang nicht berücksichtigten Straftaten des Angeklagten in Italien (vgl. § 66 Abs. 4 Satz 5 StGB) für die Prognoseentscheidung mit heran zu ziehen sind.

Ende der Entscheidung

Zurück