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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.09.2001
Aktenzeichen: 1 StR 355/01
Rechtsgebiete: StPO, BtMG, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4
BtMG § 29 Abs. 1
StGB § 64
StGB § 67 Abs. 1
StGB § 67 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 355/01

vom

25. September 2001

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten Totschlags u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden vom 17. April 2001

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß die tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln entfällt,

b) im Ausspruch über die Vollstreckungsreihenfolge aufgehoben, soweit der Vorwegvollzug von drei Jahren Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Revisionsverfahren hat zu einem Drittel die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und anderer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Außerdem hat es angeordnet, den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterzubringen und drei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen.

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

a) Das Landgericht hat den Angeklagten in sechs Fällen (B. I. 1. der Urteilsgründe) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln verurteilt.

Da der Angeklagte in diesen Fällen jeweils Betäubungsmittel in einer Menge eingeführt und damit Handel getrieben hat, die nicht die Größenordnung einer nicht geringen Menge im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG erreicht, geht die Einfuhr als unselbständiges Teilstück des Handeltreibens in dieser Tatform des § 29 Abs. 1 BtMG als Teil des Gesamtgeschehens auf (vgl. BGHSt 30, 28, 30; BGH NStZ 1998, 628; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 2; BGH, Beschl. vom 08. Oktober 1999 - 4 StR 364/99), so daß der Angeklagte sich in diesen Fällen jeweils lediglich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit deren unerlaubtem Erwerb schuldig gemacht hat. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.

Der Strafausspruch wird hierdurch nicht berührt, da auf der Grundlage der Strafzumessungserwägungen auszuschließen ist, daß die Strafkammer bei zutreffender Bewertung der Konkurrenzen in den Fällen B. I. 1. der Urteilsgründe geringere Einzelstrafen verhängt hätte.

b) Nach den Urteilsfeststellungen leidet der Angeklagte unter einer Drogensucht. Bei Begehung aller Taten war er infolge seiner Drogenabhängigkeit nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Er hat sich bereits vor seiner Inhaftierung zur Therapie im Bezirksklinikum Regensburg angemeldet und ist nach wie vor krankheitseinsichtig und therapiemotiviert, so daß eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach Einschätzung des Landgerichts sinnvoll ist.

Die Anordnung des Vorwegvollzuges von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten im Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Tragfähige Gründe dafür, von der gesetzlich vorgesehenen Vollstreckungsreihenfolge im Falle des Angeklagten abzuweichen, führt die Strafkammer nicht an; solche liegen auch nicht auf der Hand.

Richtschnur für die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Rehabilitationsinteresse des Verurteilten. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Rechtsbrechers begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer muß es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig von seinem Hang zu befreien, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung des Vollzugszieles arbeiten kann. Eine Abweichung von der Regelabfolge des Vollzuges bedarf eingehender Begründung. Steht zu besorgen, daß der an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg wieder zunichte machen könnte, so müssen dafür überzeugende Gründe vorliegen (vgl. Senat, Beschl. vom 30. Januar 2001 - 1 StR 481/00 - m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die vom Landgericht bestimmte Ausnahme nicht gerecht. Es fehlt eine auf die Person des Angeklagten bezogene Würdigung der Umstände des Einzelfalles. Die Strafkammer begründet die nach ihrer Ansicht hier leichtere Erreichbarkeit des Zwecks der Maßregel nach § 64 StGB mit der allgemeinen Erwägung, daß es bei einer möglichen Therapiemaßnahme wichtig sei, den Angeklagten in die Freiheit entlassen zu können. Es sollte eine "abgefederte Entlassung" stattfinden können, d.h. im letzten halben Jahr vor der Entlassung sollten Resozialisierungsmaßnahmen greifen können (UA S. 73).

Diese allgemeinen Erwägungen stehen im Widerspruch zu der gesetzlichen Wertung in § 67 Abs. 1 StGB, wonach im Regelfall zunächst die Maßregel zu vollziehen ist. Will der Tatrichter von der der gesetzlichen Wertung entsprechenden Reihenfolge aufgrund des § 67 Abs. 2 StGB abweichen, so muß er dies mit auf den Einzelfall bezogenen, tragfähigen Erwägungen begründen.

Aufgrund der bisher verbüßten Haft des Angeklagten sieht der Senat von einer Zurückverweisung der Sache ab und läßt statt dessen die Anordnung des Vorwegvollzuges entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO).

c) Die Kosten- und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, daß der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg erzielt hat.

Ende der Entscheidung

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