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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 1 StR 399/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 55
StPO § 238 Abs. 2
StPO § 244 Abs. 6
StPO § 349 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 1. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 23. März 2009 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Der Angeklagte wurde wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Zerstörung von Bauwerken (III 1 der Urteilsgründe) und Diebstahls in zwei Fällen (III 2 und 3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Von weiteren Vorwürfen wurde er freigesprochen.

Seine auf Sachrüge und mehrere Verfahrensrügen gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der näheren Darlegung bedarf dies nur hinsichtlich einer Aufklärungsrüge, mit der geltend gemacht wird, die Strafkammer hätte W. , nach ihrer Feststellung Tatbeteiligter im Fall III 1, als Zeugen hören müssen.

1.

Anklage und Eröffnungsbeschluss legten dem Angeklagten sowie W. und M. eine Reihe von teils in unterschiedlicher Besetzung gemeinschaftlich begangenen Vermögensdelikte zur Last. Es besteht darüber hinaus der Verdacht, dass noch ein vierter, zunächst noch unbekannter und flüchtiger Täter, der später als S. identifiziert und festgenommen wurde, zu der Gruppe gehörte.

Im Fall III 1 der Urteilsgründe hatten, so die Feststellungen der Strafkammer, der Angeklagte und W. mit der Schaufel eines Radladers einen einstöckigen SB-Pavillon einer Bank zerstört und den Geldautomaten aus der Verankerung gerissen. Der Versuch, diesen Automaten dann in einen bereitstehenden Pkw zu verladen, ihn nach Frankreich zu transportieren und dort aufzubrechen, scheiterte am Gewicht des Automaten.

W. , ursprünglich Mitangeklagter, war hinsichtlich dieser Tat, was seine eigene Tatbeteiligung betraf, geständig. Dass neben ihm ein Mittäter beteiligt war, ergab sich aus den Ergebnissen der Videoüberwachung des Tatorts. Der Angeklagte hat zu der Tat keine Angaben gemacht. Die Angaben W. s zu seinem Mittäter waren, wie die Strafkammer eingehend begründet, "widersprüchlich" und "nicht zuverlässig". Er wollte, so die Strafkammer, weder den Angeklagten noch M. belasten.

Die Strafkammer hat den von ihr als widersprüchlich und unzuverlässig bewerteten Aussagen W. s, die den Angeklagten entlasteten oder jedenfalls nicht belasteten, letztlich kein maßgebliches Gewicht zuerkannt. Sie sieht den Angeklagten aufgrund einer an dem Radlader gesicherten Spur eines Schuhsohlenfragments in Verbindung mit dem sonstigen Beweisergebnis - etwa den Schuhen, die der Angeklagte bei seiner Festnahme trug - mit eingehenden, für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen als überführt an.

2.

Die Möglichkeit, W. als Zeugen zu vernehmen, beruhte auf folgendem Verfahrensablauf, wie er sich aus dem zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihrem inhaltlichen Kern übereinstimmenden oder jedenfalls miteinander zu vereinbarenden Vorbringen in der Revisionsbegründung einerseits und in der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft in Verbindung mit einer dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden andererseits ergibt.

Aus Gründen, die mit der Festnahme S. s zusammenhingen, wurde letztlich das Verfahren gegen W. und M. vom Verfahren gegen den Angeklagten abgetrennt. Gegen beide erging ein Urteil, W. wurde u.a. wegen der Tat III 1 der Urteilsgründe verurteilt.

Offenbar im Rahmen der Verhandlung über die Abtrennung war, wohl auf Initiative des Verteidigers von W. , erörtert worden, ob W. gegebenenfalls als Zeuge zu hören sei. Der Verteidiger W. s erklärte, dieser sei auch im Falle der Rechtskraft eines gegen ihn ergehenden Urteils zu einer Zeugenaussage nicht bereit. Der Vorsitzende äußerte, W. habe auch in diesem Fall ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO). Dementsprechend erklärte der Vorsitzende dem Verteidiger des Angeklagten auf dessen Anfrage auch später noch einmal, W. - dessen Urteil am letzten Verhandlungstag gegen den Angeklagten rechtskräftig war - würde nicht als Zeuge geladen. Der Verteidiger, der aus in der Revisionsbegründung näher dargelegten Gründen davon ausging, der Angeklagte werde im Fall III 1 der Urteilsgründe ohnehin freigesprochen, erklärte dabei dem Vorsitzenden, die Verteidigung habe an der Vernehmung W. s kein Interesse. W. wurde in der Hauptverhandlung nicht gehört; wie die Strafkammer - ohne dies näher auszuführen - in den Urteilsgründen nochmals wiederholt, geschah dies im Blick auf § 55 StPO.

3.

Nunmehr führt die Revision aus, hätte die Strafkammer W. als Zeugen gehört, so liege nahe, dass sie ihm geglaubt hätte, dass M. und nicht der Angeklagte der Mittäter der in Rede stehenden Tat war. Im Hinblick auf die Rechtskraft seiner Verurteilung hätte W. kein Auskunftsverweigerungsrecht gehabt.

4.

Die Rüge versagt.

Dabei kann offen bleiben, unter welchen Umständen es ein Gebot der Aufklärungspflicht sein kann, eine bereits als Mitangeklagte gehörte Auskunftsperson bei entsprechendem Verfahrensverlauf nochmals zum selben Thema als Zeugen zu hören (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 244 Rdn. 12; BayObLG StV 1989, 522).

Wie auch die Revision im Ansatz nicht verkennt, steht hier nämlich die Möglichkeit im Raum, dass "die Gruppierung um W. noch an (gemeint: für) mehr als 30 ... noch verfolgbaren vergleichbaren Taten von Mai bis Juli 2008 im Grenzgebiet in Frage kommt". Dies kann nach der Rechtsprechung je nach den Umständen des Falles ein (umfassendes) Auskunftsverweigerungsrecht auch dann begründen, wenn der (potentielle) Zeuge wegen der Einzeltat, zu der er befragt werden soll, bereits rechtskräftig abgeurteilt ist (vgl. BGHR StPO § 55 Abs.1 Verfolgung 7, 8, 9 m.w.N.). Ob auch hier von einem solchen umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht ausgegangen werden kann, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.

Das Gericht hat wiederholt und zuletzt im Urteil ansatzweise den Grund verdeutlicht, warum eine bestimmte Beweiserhebung nicht von Amts wegen durchgeführt wird. Dies war indes rechtlich nicht geboten (vgl. BGH NStZ 2006, 402, 403) . Gründe, seine Auffassung nachprüfbar zu konkretisieren, bestanden für das Gericht nach dem Verfahrensgang nicht. Eine Entscheidung gemäß § 238 Abs. 2 StPO war nicht herbeigeführt worden (vgl. in diesem Zusammenhang Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 121 m.w.N.), ebenso wenig war - aus welchen Gründen auch immer - ein Beweisantrag gestellt, sodass das Gericht seine Auffassung nicht in einem Beschluss gemäß § 244 Abs. 6 StPO darlegen musste. Brauchte aber das Gericht auf Grund des Verfahrensverlaufs seine im Grundsatz tragfähige Erwägung nicht konkret zu begründen, so führt der Umstand, dass dies ansatzweise doch geschehen ist, nicht dazu, dass diese Ausführungen mangels Überprüfbarkeit als rechtsfehlerhaft zu bewerten wären.

Vielmehr wäre es unter den gegebenen Umständen Sache der Revision gewesen, sich mit den für sie erkennbaren konkreten Umständen in einer Weise auseinanderzusetzen, die es - wie es bei einer Verfahrensrüge stets geboten ist -dem Revisionsgericht ermöglicht, auf der Grundlage des Revisionsvorbringens die Schlüssigkeit der Verfahrensrüge zu beurteilen (st. Rspr., vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 344 Rdn. 21). Dies ist hier nicht der Fall. Die Revision beschränkt sich auf die genannte Schilderung, die um die - nicht leicht verständliche - Rechtsausführung ergänzt ist, unter den gegebenen Umständen sei der (potentielle) Zeuge nur "berechtigt ..., bisher nicht bekannte Beteiligte zu benennen". All dies ermöglicht eine Überprüfung der Verfahrensrüge nicht.

5.

Hinsichtlich des weiteren Revisionsvorbringens verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die auch durch die Erwiderung der Revision vom 19. August 2009 (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden.

Ende der Entscheidung

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