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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.09.2007
Aktenzeichen: 1 StR 407/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 338 Nr. 8
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 407/07

vom 12. September 2007

in der Strafsache

gegen

wegen Mordes

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 14. Mai 2007 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Um ihren geschiedenen Ehemann zu töten, übergoss ihn die Angeklagte von hinten mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete ihn an. Er erlitt schwerste Verbrennungen, denen er nach einigen Tagen erlag.

Deshalb wurde sie wegen heimtückischen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Ihre auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der psychiatrische Sachverständige hatte bereits mehrere Monate vor der Hauptverhandlung ein - vorläufiges - schriftliches Gutachten zu den Akten gebracht. Danach hatte die Verteidigung, immer noch längere Zeit vor der Hauptverhandlung, Akteneinsicht gehabt, kannte also das vorläufige Gutachten. Dies belegt auch der Umstand, dass bereits vor der Hauptverhandlung ein Antrag einging, mit dem der Sachverständige (unter anderem auch) wegen des Inhalts des vorläufigen Gutachtens wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. Sein - endgültiges - Gutachten hat der Sachverständige - selbstverständlich - in der Hauptverhandlung erstattet. Eine wie auch immer geartete Verletzung prozessualer Rechte der Angeklagten durch diesen Verfahrensablauf ist nicht erkennbar.

a) Demgegenüber vertritt die Revision offenbar die Auffassung, ein Sachverständiger müsse (nicht nur ein vorläufiges, sondern bereits) sein endgültiges Gutachten schon vor der Hauptverhandlung zu den Akten bringen. Die Auffassung der Revision hätte die Konsequenz, dass ein Sachverständiger Erkenntnisse bei seiner Begutachtung auszuklammern habe, die erst in der Hauptverhandlung angefallen sind. Dies liegt neben der Sache.

b) Weiteres Revisionsvorbringen stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Annahme, der Verteidigung sei zugemutet worden, in einem kurzen Zeitraum zwischen Erstattung des Gutachtens in der Hauptverhandlung und der Befragung des Sachverständigen durch die Verteidigung dessen umfangreiches (61 Seiten langes) vorläufiges Gutachten durchzuarbeiten. Dies ist in tatsächlicher Hinsicht falsch, wie sich aus der - von der Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilten - vorherigen Akteneinsicht der Verteidigung ergibt.

c) Nach alledem gehen sämtliche in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen (z. B. Behinderung der Verteidigung, § 338 Nr. 8 StPO, Verletzung des Rechts auf Einsicht in Sachverständigengutachten, § 147 Abs. 3 StPO) fehl. Anzumerken ist lediglich Folgendes: Der im Zusammenhang mit dem Gutachten geltend gemachte Aussetzungsantrag könnte allenfalls dann eine Grundlage haben, wenn - etwa im Hinblick auf neue Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung - das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten in wesentlichen Punkten von dem vorläufigen Gutachten abgewichen wäre. Hierfür ist dem Revisionsvorbringen jedoch nichts zu entnehmen.

2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, ein Antrag auf Ablehnung des psychiatrischen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 74 StPO) sei zu Unrecht zurückgewiesen worden.

a) Zur Begründung des Ablehnungsantrags war vorgetragen worden:

(1) Bei einer Exploration, bei der auch der Verteidiger anwesend war, habe der Sachverständige der Angeklagten folgendes auseinandergesetzt: Der Bundesgerichtshof habe schon einmal eine Entscheidung der - erkennenden - Strafkammer aufgehoben, der ein Sachverhalt zu Grunde gelegen habe, der dem ähnlich sei, wie er von der Angeklagten behauptet werde. In einem weiteren ebenfalls vergleichbaren Fall sei deshalb die Strafe nach Auffassung des Vorsitzenden der Strafkammer zu milde ausgefallen. Deshalb werde der Vorsitzende bei der geringsten Unstimmigkeit Einlassungen wie die der Angeklagten gar nicht erst glauben. Die Angeklagte solle sich daher ihre Einlassung nochmals durch den Kopf gehen lassen.

(2) Im Übrigen sei dem Sachverständigen im Rahmen dieser Expoloration erklärt worden, dass die Angeklagte erst in der Hauptverhandlung weitere Angaben zum Tatgeschehen machen werde. Nachdem der Verteidiger die Vollzugsanstalt wieder verlassen gehabt habe, habe der Sachverständige sich dann aber doch die Angeklagte nochmals vorführen lassen und versucht, sie zum Tatgeschehen zu befragen.

(3) Außerdem sei sein - vorläufiges - Gutachten unvollständig.

b) Die Strafkammer hat zu diesem Vorbringen den Sachverständigen angehört und weitere Ermittlungen angestellt. Sodann hat sie den Antrag zurückgewiesen.

(1) Die in Anwesenheit des Verteidigers abgegebene Empfehlung des Sachverständigen zu einer Überprüfung der Einlassung - die, so der Sachverständige, mit dem Akteninhalt nicht übereingestimmt habe - hat sie als "übertriebene Fürsorge" des Sachverständigen bewertet. Auf die in dem Ablehnungsantrag näher ausgeführten Darlegungen des Sachverständigen zu den Gründen für seine Prognose - die dieser in seiner Stellungnahme weder bestätigt noch bestritten hatte - ist sie dabei nicht eingegangen.

(2) Soweit der Antrag auf Vorbringen zum Geschehen gestützt war, das sich abgespielt haben soll, nachdem der Verteidiger die Vollzugsanstalt verlassen hatte, wurde der Antrag abgelehnt, weil die ihm zu Grunde liegenden Behauptungen nicht erwiesen seien. Nach den Angaben des Sachverständigen stelle es sich vielmehr so dar, dass er, nachdem er zuvor in ihre Krankenakte im Revier Einblick genommen gehabt habe, die Angeklagte in Abwesenheit des Verteidigers nur zu ihrer depressiven Verstimmung am Tattag befragt habe, wie dies auch mit dem Verteidiger vereinbart gewesen sei; zum Tatgeschehen habe er sie nicht befragt.

(3) Die (behauptete) Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens sei bedeutungslos. Entscheidend sei das endgültige Gutachten.

c) Die Revision hält diesen Beschluss für fehlerhaft. Zur Begründung führt sie näher aus, dass und warum die Strafkammer den in dem Ablehnungsantrag geschilderten Geschehensablauf hinsichtlich des Befragungsversuchs in Abwesenheit des Verteidigers hätte als bewiesen ansehen müssen. Demgegenüber befasst sich das Revisionsvorbringen nicht mit den Teilen des Beschlusses, die den Ablehnungsantrag zurückweisen, soweit dieser auf die Empfehlung des Sachverständigen, das Verteidigungsvorbringen zu überdenken, und die Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens gestützt war.

d) Der Senat neigt nicht zu der Auffassung, dass ein Sachverständiger verständigerweise das Misstrauen hervorruft, er selbst sei zum Nachteil einer Angeklagten voreingenommen, wenn er ihr und ihrem Verteidiger eingehend erläutert, dass und warum aus seiner Sicht ein bestimmtes Verteidigungsvorbringen bei Gericht keinen Erfolg haben wird und deshalb dessen Abänderung empfiehlt. Einer Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht. Der Ablehnungsantrag ist nämlich mit mehreren, voneinander unabhängigen Vorwürfen begründet, die Entscheidung hierüber dementsprechend auf mehrere, ebenso voneinander unabhängige Gründe gestützt. Eine solche Entscheidung hat das Revisionsgericht nur in dem Umfang zu überprüfen, in dem sie von der Revision ausweislich ihrer Begründung als rechtsfehlerhaft gerügt ist (zur Maßgeblichkeit der "Angriffsrichtung" einer Rüge vgl. auch BGH NStZ 2007, 161, 162; Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 34; Cirener/Sander JR 2006, 300 jew. m. w. N.). Dies ist hinsichtlich des Teils des Beschlusses nicht der Fall, der sich mit der angesonnenen Änderung des Verteidigungsvorbringens befasst.

Unabhängig von alledem bemerkt der Senat, dass ein Sachverständiger keine Fürsorgepflicht für den Erfolg (der Anklage oder) der Verteidigung hat. Vielmehr hat er sich darauf zu beschränken, den ihm von seinem Auftraggeber (Staatsanwaltschaft oder Gericht) vorgegebenen Sachverhalt (vgl. § 78 StPO) aus seiner fachlichen Sicht zu bewerten. Findet er im Rahmen seiner Tätigkeit Anhaltspunkte für einen abweichenden Sachverhalt - diese können sich auch aus (neuen) Angaben des Beschuldigten (Angeklagten) ergeben - hat er seinen Auftraggeber hierauf hinzuweisen; gegebenenfalls kann er dann als (sachverständiger) Zeuge in Betracht kommen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 264, 265 m. w. N.). Die Bewertung derartiger Anhaltspunkte ist allein Sache des Gerichts, das dem Sachverständigen gegebenenfalls zu verdeutlichen hat, von welchem Sachverhalt - erforderlichenfalls welchen alternativen Sachverhalten - er bei seinem Gutachten auszugehen hat. Zu (hier jedenfalls unbestritten behaupteten) Voraussagen, wie und warum das Gericht Beweiswürdigung und Strafzumessung vermengen werde, und einer Beratung von Verfahrensbeteiligten über ihr Prozessverhalten ist ein Sachverständiger keinesfalls berufen (zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche vgl. auch Nedopil NStZ 1999, 433, 437 f.). Wie hier deutlich wird, kann derartiges Verhalten zu Missdeutungen Anlass geben und so das Verfahren belasten.

e) Hinsichtlich der gerügten Bewertung der geltend gemachten Befragung in Abwesenheit des Verteidigers bleibt die Revision ebenfalls erfolglos:

Das Recht des Beschuldigten (Angeklagten), sich in jeder Lage des Verfahrens anwaltlicher Hilfe zu bedienen, führt nicht zu einem Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der Exploration durch einen Sachverständigen, der mit der Erstellung eines Gutachtens (hier: zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten) beauftragt ist (BGH NStZ 2003, 101). Hier ist nun allerdings geltend gemacht, der Sachverständige habe - gleichwohl - zunächst zugesagt, (weitere) Explorationen nur in Anwesenheit des Verteidigers vorzunehmen, sich dann aber nicht an diese Zusage gehalten. Es verstünde sich auch bei einem solchen - freilich inkonsequenten - Verhalten des Sachverständigen nicht von selbst, dass allein die Stellung sachgerechter Fragen - anderes ist weder konkret behauptet noch sonst ersichtlich - verständigerweise die Besorgnis begründete, der Sachverständige sei zum Nachteil der Angeklagten befangen.

Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es aber nicht, da die Strafkammer die in dem Ablehnungsantrag aufgestellten tatsächlichen Behauptungen als widerlegt ansieht. Mit dem Vorbringen, in Wahrheit sei es doch so gewesen, wie in dem Antrag behauptet, kann die Revision nicht gehört werden. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Eigene Ermittlungen des Revisionsgerichts kommen - anders als bei der Richterablehnung - nicht in Betracht. Es entscheidet als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1994, 388; BGH bei Becker NStZ-RR 2002, 66 m. w. N.). Die Strafkammer ist in ihrem Beschluss aber rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, die Äußerung des Sachverständigen zu dem Ablehnungsantrag ergebe, dass er seine Absprache mit dem Verteidiger eingehalten habe. Unabhängig davon belegen die Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls, dass er nicht davon ausgegangen ist, eine mit dem Verteidiger getroffene Vereinbarung zu verletzen. Selbst wenn das Verhalten des Sachverständigen zunächst die Besorgnis der Befangenheit begründet hätte, hätte die Erläuterung des Sachverständigen diese Besorgnis ausgeräumt. Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der dienstlichen Erklärung eines wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richters. Diese kann ebenfalls ein ursprünglich berechtigt erscheinendes Misstrauen ausräumen (vgl. BGH wistra 2002, 267; StV 2004, 356, 357 jew. m. w. N.).

f) Soweit die Ablehnung mit der Unvollständigkeit des vorläufigen Gutachtens begründet ist, sind die Ausführungen der Strafkammer, mit denen dieser Teil des Ablehnungsantrags zurückgewiesen wurde, von der Revision nicht erkennbar angegriffen. Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen wegen seiner Empfehlungen zum Verteidigungsverhalten. Darauf, dass allein der (im Übrigen nicht in einer den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mitgeteilte) Inhalt eines Gutachtens - also die fachliche Qualität des Gutachters - in aller Regel die Besorgnis der Befangenheit ohnehin nicht begründen könnte (vgl. BGHR StPO § 74 Ablehnung 1 m. w. N.), kommt es daher nicht mehr an.

3. Die Rüge gegen den Beschluss, mit dem der Antrag auf Ablehnung des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen wurde, ist ebenfalls offensichtlich unbegründet. Da dieser Antrag allein auf die Bescheidung des Vorbringens zur angeblich unzulänglichen Möglichkeit, von dem vorläufigen Gutachten Kenntnis zu nehmen und auf die Zurückweisung des gegen den Sachverständigen gerichteten Ablehnungsantrags gestützt war, bedarf dies keiner weiteren Darlegung.

4. Schließlich bleibt auch die Sachrüge erfolglos. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug.

Ende der Entscheidung

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