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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.09.1998
Aktenzeichen: 1 StR 439/98
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 2 Abs. 3
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 177 Abs. 1 Nr. 3 n.F.
StGB § 221
StGB § 234
StGB § 237
StPO § 349 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 439/98

vom

8. September 1998

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. September 1998 beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 18. Mai 1998 wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Landgericht hat auch zutreffend angenommen, § 177 Abs. 1 StGB in der Fassung des 33. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 1. Juli 1997 (33. StrÄndG, BGBl. I S. 1607) greife ein; der Angeklagte habe unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert war, gehandelt.

Diese Handlungsform wurde als dritte Alternative neben der Anwendung von Gewalt und der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erstmals durch das 33. StrÄndG in den Tatbestand der Vergewaltigung aufgenommen. Dadurch ist eine Erweiterung der Strafbarkeit eingetreten (BGH bei Miebach NStZ 1998, 130, 132). Mit ihr sollen Strafbarkeitslücken geschlossen werden, die nach früherem Recht auftreten konnten, wenn das Opfer aus Angst vor der Anwendung von Gewalt durch den Täter dessen sexuelle Handlungen über sich ergehen läßt, ohne daß Gewalt oder eine - gegebenenfalls auch konkludente - Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben feststellbar ist. Zudem sollte das neue Tatbestandsmerkmal im Einzelfall die Prüfung, ob "psychische Gewalt" den Tatbestand erfüllt, entbehrlich machen (BTDrucks. 13/2463 S. 6; 13/7324 S. 6; krit. Dessecker NStZ 1998, 1, 2). Zur Definition des Merkmals, wurde auf die Auslegung des entsprechenden Begriffs der hilflosen Lage in den §§ 221, 234 und 237 StGB (vgl. dazu BGHSt 22, 178; 24, 90, 93; BGHR StGB § 237 hilflose Lage 1) verwiesen. Danach liegt eine hilflose Lage nicht erst dann vor, wenn für das Opfer objektiv keine Verteidigungs- oder Ausweichmöglichkeiten gegeben sind, sondern schon dann, wenn die Schutz- und Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers in einem Maß vermindert sind, daß es dem ungehemmten Einfluß des Täters preisgegeben ist. Dies soll durch die Fassung des Gesetzes klargestellt werden (BTDrucks. 13/2463 S. 6; 13/4543 S. 7 und 13/7663 S. 4).

Auf dieser Grundlage hat das Landgericht zu Recht im Fall II 1 die - der Anwendung von Gewalt zumindest nahekommende - Situation der Verängstigung des Opfers im Anschluß an unmittelbar vorangegangene Verletzungshandlungen mit einem Messer, im Fall II 2 die Ausnutzung der schutzlosen Lage des Opfers, als es sich mit dem Täter allein in der Wohnung aufhielt und ihm nicht ausweichen konnte und wie im Fall II 3 die weitere Verängstigung des dem Angeklagten weiterhin allein gegenüberstehenden Opfers aufgrund des vorangegangenen Geschehens jeweils als hilflose Lage im Sinne des § 177 Abs. 1 - 3 Handlungsalternative - StGB i.d.F. des 33. StrÄndG angesehen. Alle Fälle waren geprägt durch vorangegangene Gewalthandlungen und über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt geäußerte Drohungen des Angeklagten. Sie hätten daher unter Umständen vom Tatrichter auch als Ausnutzung der Drohwirkung früherer Gewaltanwendung und der Fortwirkung früherer Drohungen gewertet werden können (vgl. Lenckner NJW 1997, 2801, 2802), erfüllen aber jedenfalls den neuen Auffangtatbestand. Auch unterschied sich der Schuldumfang nicht grundsätzlich von den anderen Handlungsalternativen des § 177 Abs. 1 StGB.

Das am 1. April 1994 - nach der Tat - in Kraft getretene 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (BGBl. 1994 I S. 164), hat das genannte Tatbestandsmerkmal (nunmehr § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB nF) inhaltlich unverändert gelassen; es ist, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, auch im übrigen nicht das mildere Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB.



Ende der Entscheidung

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