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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.09.1999
Aktenzeichen: 1 StR 460/99
Rechtsgebiete: GVG
Vorschriften:
GVG § 76 Abs. 2 1. Alt. | |
GVG § 21 g |
Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur spruchkörperinternen Geschäftsverteilung gelten auch für die nur mit dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern besetzten Strafkammern des Landgerichts, wenn die Besetzung gemäß § 76 Abs. 2 1. Alternative GVG in Frage steht.
BGH, Beschl. vom 29. September 1999 - 1 StR 460/99 - LG Heilbronn
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
29. September 1999
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 1999 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 26. März 1999, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung, schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung, unerlaubten Führens einer Schußwaffe und unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, die Besetzung der erkennenden Strafkammer habe sein Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.
1. Die erkennende 2. große Strafkammer des Landgerichts war zur Zeit dieser Entscheidung mit Vorsitzendem Richter am Landgericht N. und den Richtern am Landgericht D. und T. besetzt. Durch den Eröffnungsbeschluß vom 6. November 1998 hatte die Strafkammer gemäß § 76 Abs. 2 1. Alt. GVG beschlossen, daß sie in der Strafsache gegen Heilig in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt sei. Hinsichtlich der Geschäftsverteilung innerhalb der Strafkammer hatte der Vorsitzende bestimmt, daß in den Fällen, in denen die Kammer mit nur einem Beisitzer besetzt wird, Richter am Landgericht D. bei Hauptverhandlungsbeginn in den geraden Wochen, Richter am Landgericht T. in ungeraden Wochen mitwirkt.
Der Verteidiger des Angeklagten rügte diese Art der kammerinternen Geschäftsverteilung vor Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache; in ihr werde der Beisitzer in Fällen der Zweierbesetzung nicht nach abstrakten und generellen Merkmalen bestimmt, sondern durch die Terminierung, die der Vorsitzende nach seinem Ermessen vornehme.
Das Landgericht hat diesen Besetzungseinwand zurückgewiesen. Für die Ansetzung einer Hauptverhandlung auf einen bestimmten Termin sei nicht die Person des dann zur Mitwirkung berufenen Beisitzers maßgeblich, sondern die Verfügbarkeit von Verteidigern, Sachverständigen und anderen Personen, darüber hinaus insbesondere auch die Eilbedürftigkeit der Sache. Eine Zuteilung nach der Zufälligkeit des Eingangsdatums einer Sache würde nicht vor der von der Verteidigung befürchteten Willkür schützen, denn auch bei einer solchen Regelung wäre es erforderlich, eine entstehende Überbelastung eines Kammermitgliedes auszugleichen. Die viele Jahre praktizierte und unbeanstandet gebliebene Regelung werde der von vielerlei Zwängen geprägten Arbeitsweise in der Tatsacheninstanz weit besser gerecht, ohne gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters zu verstoßen.
2. Die Regelung der Strafkammer für die interne Geschäftsverteilung wäre in der Vergangenheit nicht zu beanstanden gewesen. Bis zur Entscheidung der Vereinigten Großen Senate vom 5. Mai 1994 (BGHZ 126, 63) hatte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gefordert, daß der Vorsitzende sich in der Terminierung durch Grundsätze nach § 21 g Abs. 2 GVG binden müsse, wenn davon die Zusammensetzung des Spruchkörpers beeinflußt wird. Seither hat sich jedoch die Rechtsprechung gewandelt und fortentwickelt. Nach den Entscheidungen der Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs (aaO S. 85) und des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung des Plenums vom 8. April 1997 - BVerfGE 95, 322, 331 - und des Zweiten Senats vom 28. Oktober 1997 - NJW 1998, 743) sollen auch nur entfernte Möglichkeiten einer manipulierten Auswahl der mitwirkenden Richter für eine bestimmte Sache ausgeschlossen werden. Demgemäß muß die Zuständigkeit in einem Spruchkörper oder der darin bestehenden Sitzgruppen generell im voraus nach objektiven Merkmalen, beispielsweise nach Aktenzeichen, Eingangsdatum, Rechtsgebiet oder Herkunftsbezirk der anhängigen Sache bestimmt sein.
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn im Mitwirkungsplan nur geregelt ist, welche Richter an welchen Sitzungstagen mitzuwirken haben, und erst die Terminierung der einzelnen Sache zu deren Zuordnung zu den jeweiligen Richtern führt. Hier bleibt dem Vorsitzenden bei der Heranziehung der einzelnen Richter zur Mitwirkung an der jeweiligen Sache ein Ermessensspielraum, dessen es zur effektiven Bewältigung der Rechtsprechungsaufgabe angesichts der zur Verfügung stehenden Mitwirkungssysteme nicht bedarf und dem deshalb die Gewährleistung des gesetzlichen Richters entgegensteht (BVerfG <Plenum> aaO S. 331; BVerfG <Zweiter Senat> aaO S. 744).
Diese für die Senate der obersten Bundesgerichte entwickelten Grundsätze müssen entgegen der Meinung des Landgerichts auch für eine große Strafkammer gemäß § 76 Abs. 1 GVG gelten, sofern die Kammer entweder überbesetzt oder gemäß § 76 Abs. 2 1. Alt. GVG besetzt ist; die Problemlage ist nicht anders, da auch hier für den Vorsitzenden ein Ermessensspielraum besteht, welchen der beisitzenden Richter er zur Mitwirkung heranziehen will, wenn diese Festlegung erst durch die Terminierung erfolgt. Den vom Landgericht angeführten Schwierigkeiten bei einer generellen Regelung, soweit sie überhaupt bestehen, kann auf andere Weise begegnet werden. So kann der Vorsitzende z. B. einen Richter, der wegen Bearbeitung einer umfangreichen Sache oder wegen vorangegangenen Urlaubs oder vorangegangener Krankheit des anderen Richters überlastet ist, für verhindert erklären.
3. Da die Verfahrensrüge durchgreift, bedarf es eines Eingehens auf das sachlich-rechtliche Vorbringen nicht.
Ende der Entscheidung
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