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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 1 StR 478/08
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 67 | |
StGB § 67 Abs. 2 Satz 2 | |
StGB § 67 Abs. 2 Satz 3 | |
StGB § 67 Abs. 5 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 24. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2008
beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg - Fürth vom 23. April 2008 im Ausspruch über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Der betäubungsmittelabhängige und alkoholkranke Angeklagte wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem wurde er in einer Entziehungsanstalt untergebracht; zugleich ordnete die Strafkammer mit eingehender Begründung an, dass (einschließlich der bisher verbüßten Untersuchungshaft) zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind. Hinsichtlich der nachfolgenden Unterbringung sei mit einer Dauer von einem bis zwei Jahren zu rechnen.
1. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt hinsichtlich des Schuldspruchs und des Strafausspruchs aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Keinen Bestand hat die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 349 Abs. 4 StPO). Der Generalbundesanwalt hat hierzu unter anderem ausgeführt:
"Nicht widerspruchsfrei sind ... die Ausführungen zur hinreichend konkreten Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung (§ 64 Satz 2 StGB). Dazu stellt das Landgericht ... einerseits fest, dass ... nach einer Haftentlassung alsbald mit einem Rückfall ... zu rechnen wäre, ... . Andererseits habe die länger andauernde Haft zu einer kritischen Auseinandersetzung des Angeklagten mit sich selbst geführt und Maßnahmen von vergleichbarer Zeitdauer unter Aufrechterhaltung eines äußeren Drucks durch die alternativ erfolgende Inhaftierung seien bisher nicht durchgeführt worden. Nach Einschätzung des Sachverständigen sei nicht davon auszugehen, dass auch weitere Behandlungen 'von vorneherein erfolglos verlaufen könnten'. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt 'könnte ... geeignet sein', den Prozess der Auseinandersetzung mit sich selbst zu fördern und dem Angeklagten hierdurch eine neue Perspektive zu eröffnen. Im Zusammenhang mit den Ausführungen zum vorweg zu vollziehenden Teil der Strafe betont das Landgericht dagegen wiederum die bislang erfolglosen Therapiebemühungen und die nur bedingte Aussicht auf einen Therapieerfolg. Aus der Gesamtheit der Urteilsgründe ergibt sich danach nur, dass das Landgericht eine Behandlung nicht für 'offensichtlich aussichtslos' hält (vgl. Fischer StGB, 55. Aufl. 2008, § 64 Rn. 19)."
Dem verschließt sich der Senat nicht.
3. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anordnen, wird sie auch über einen etwaigen Vorwegvollzug von Strafe zu befinden haben. Der Generalbundesanwalt weist daher zu Recht darauf hin, dass die hier getroffene Entscheidung über diese Frage im Hinblick auf die Neufassung von § 67 StGB (Gesetz vom 16. Juli 2007, BGBl I S. 1327) auch dann keinen Bestand haben könnte, wenn die Unterbringungsanordnung als solche rechtsfehlerfrei wäre:
Stehen bei einer Strafe von mehr als drei Jahren nicht Gründe des Einzelfalls dem Vorwegvollzug eines Teils der Strafe überhaupt entgegen, so ist gemäß § 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StGB in Verbindung mit § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB der vorweg zu vollziehende Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine Halbstrafenentlassung möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum steht dem Tatrichter insoweit nicht zu (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 142, 182 jew. m.w.N., auch aus den Gesetzesmaterialien). Für die Erwägungen der Strafkammer, warum es hier angemessen sei, dass der Angeklagte wegen des angeordneten Vorwegvollzuges von zwei Jahren und drei Monaten und der voraussichtlichen Unterbringungsdauer von ein bis zwei Jahren nicht einmal zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt entlassen werden könne, ist daher kein Raum.
Im Übrigen genügt es aber auch nicht, dass der Tatrichter hinsichtlich der voraussichtlich notwendigen Dauer des Maßregelvollzuges nur eine Mindest- und eine Höchstdauer - also einen Zeitraum - prognostiziert. Erforderlich ist vielmehr eine präzise Prognose darüber, wie lange genau die Unterbringung voraussichtlich erforderlich sein wird. Nur auf der Grundlage einer solchen Prognose kann - letztlich ohne weitere Abwägung, sondern mittels eines Rechenvorgangs (vgl. BGH NStZ 2008, 213) - bestimmt werden, wie viel Strafe (einschließlich der anzurechnenden Untersuchungshaft) vorab zu vollziehen ist, bis exakt der Zeitpunkt erreicht sein wird, zu dem eine Halbstrafenentlassung möglich ist (BGH, Beschl. vom 20. Mai 2008 - 1 StR 233/08 m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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