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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: 1 StR 512/00
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 263a | |
StGB § 242 | |
StGB § 53 |
Der Diebstahl einer Scheckkarte kann zu einem Computerbetrug (durch unberechtigtes Bewirken einer Bargeldauszahlung an einem Geldautomaten) in Tatmehrheit stehen.
BGH, Beschluß vom 30. Januar 2001 - 1 StR 512/00 - LG Mannheim
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
30. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Computerbetruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2001 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 4. Juli 2000 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen, wegen versuchten Diebstahls sowie wegen Computerbetruges in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und mehrere Gegenstände eingezogen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten, die Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde erhebt, hat keinen Erfolg; sie ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zu den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bedarf lediglich das vom Landgericht angenommene Konkurrenzverhältnis zwischen den vollendeten Diebstählen von Scheckkarten und den mit diesen begangenen Taten des Computerbetruges der Erörterung:
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete der mehrfach einschlägig vorbestrafte Angeklagte vier Spindschlüssel des Thermariums in Bad S. . Er bearbeitete diese, so daß sie zu einer Vielzahl von Spindschlössern paßten. Mit den Schlüsseln öffnete er sodann im Thermarium Spinde und entnahm diesen in mehreren Fällen, von denen zwei als Diebstahl abgeurteilt sind (Fälle 8 und 13 der Urteilsgründe), die Scheckkarte des Badegastes; zugleich verschaffte er sich Kenntnis von der zugehörigen persönlichen Geheimzahl (PIN), die der Karteninhaber auf einem Zettel oder auf einer Visitenkarte vermerkt hatte. Die in einem Falle (Fall 13) als Telefonnummer "getarnt" notierte Geheimzahl entschlüsselte er. Mit diesen Scheckkarten tätigte er in der Folge an Geldautomaten in Süddeutschland und in Frankreich mehrere Abhebungen (Fälle 9 bis 12 sowie 14 bis 22 der Urteilsgründe). Ebenso verfuhr er in den Fällen 1 bis 7 mit einer Scheckkarte, die er in ähnlicher Weise gestohlen und deren vom Karteninhaber codiert notierte Geheimzahl er gleichfalls entschlüsselt hatte; jener Diebstahl ist indes nicht Gegenstand des Urteils. Um sein Vorhaben leichter durchführen zu können, hatte der Angeklagte sich u.a. zwei Magnetkartenlesegeräte und einen Laptop beschafft. Da er die Anzahl der Fehlversuche bei seinen unberechtigten Abhebungen an Geldautomaten gering halten wollte, lag ihm daran, die auf den Magnetstreifen der Scheckkarten gespeicherten Daten auszulesen, namentlich das Datum der letzten Verfügung sowie das sogenannte Kartenlimit in Erfahrung zu bringen.
2. Die Annahme des Landgerichts, zwischen den Diebstählen (Fälle 8 und 13) und den sodann mit den dabei entwendeten Scheckkarten begangenen Taten des Computerbetruges (Fälle 9 bis 12, 14 bis 22) bestehe Tatmehrheit, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Der Tatbestand des Computerbetruges (§ 263a StGB) steht zu demjenigen des voraufgegangenen Diebstahls (§ 242 StGB) der jeweils unberechtigt eingesetzten Scheckkarte nicht etwa in Gesetzeskonkurrenz. Zwar soll nach einer in der Literatur verbreiteten Auffassung der Diebstahl der Scheckkarte als "mitbestrafte Vortat" hinter dem anschließend damit begangenen Computerbetrug zurücktreten (Cramer in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 263a Rdn. 16, 41; Günther in SK-StGB § 263a Rdn. 32; Kühl Strafrecht AT 3. Aufl. § 21 Rdn. 67; ebenso für den Fall, daß der Kontoinhaber berechtigter Karteneigentümer ist: Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263a Rdn. 84). Der Senat tritt dieser Ansicht indessen nicht bei. Der Unwertgehalt der Taten des Angeklagten würde allein durch eine Verurteilung wegen Computerbetruges nur unvollkommen erfaßt. Durch beide Taten verwirklicht der Täter vielmehr eigenwertiges, selbständiges Unrecht. Der Diebstahl dient zwar nach seinem Tatplan dem Ziel, die Voraussetzungen für die Begehung eines Computerbetruges zu schaffen. Gleichwohl erweist sich der Diebstahl der Scheckkarte aber nicht nur als Durchgangsstufe zur Begehung des Computerbetruges. Richtig ist, daß mit dem Diebstahl der Scheckkarte und der Erlangung der Kenntnis von der persönlichen Geheimzahl im Blick auf die Möglichkeit der unbefugten Nutzung bereits eine Vermögensgefährdung eintreten kann, die durch den Gebrauch der gestohlenen Scheckkarte am Geldautomaten weiter konkretisiert und zum Schadenseintritt vertieft wird (vgl. BGH NStZ 1993, 283 zum Kreditkartenmißbrauch). Das ändert jedoch nichts daran, daß beide Delikte sich zunächst gegen verschiedene Rechtsgüter und Rechtsgutsträger richten:
Mit dem Diebstahl der Scheckkarte verletzt der Täter das Eigentum ihres Inhabers, wenn es diesem im Einzelfall übertragen ist. Er bricht zugleich dessen Gewahrsam, hier zumal unter den Voraussetzungen des besonders schweren Falles des Diebstahls wegen des Überwindens von Schutzvorrichtungen. Auch der bloße Gewahrsamsinhaber ist aber Verletzter im Sinne des Diebstahlstatbestandes (BGHSt 10, 400, 401). Mit dem Gewahrsamsbruch und der Zueignung der Scheckkarte durch den Täter tritt indes noch kein Vermögensschaden ein, weil die Scheckkarte den wirtschaftlichen Wert, auf den mit ihrer Nutzung zugegriffen werden kann, nicht selbst verkörpert; sie "verbrieft" keine Forderung. Insoweit verhält es sich anders als etwa bei einem Sparkassenbuch (vgl. BGHSt 35, 152, 156/157; vgl. zum Diebstahl eines Sparkassenbuches mit anschließender Abhebung als "mitbestrafter Nachtat": BGH StV 1992, 272).
Begeht der Täter mit der entwendeten Scheckkarte einen Computerbetrug, greift er hingegen unmittelbar das Vermögen des betroffenen Geldinstituts an. Das durch den Geldautomaten ausgezahlte Bargeld wird aus dem Vermögen des Geldinstituts ausgefolgt (vgl. BGHSt 38, 120, 122 f.). Geschieht die Auszahlung durch den Geldautomaten eines sog. fremden Geldinstituts, wird sie dem kartenausgebenden Institut zugerechnet (vgl. Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Bd. I § 54 Rdn. 15). Grundsätzlich hat die Bank gegenüber dem Kontoinhaber, auf dessen Konto ohne seinen Auftrag oder sonstigen Rechtsgrund Belastungsbuchungen vorgenommen werden, keinen Aufwendungsersatzanspruch nach den §§ 670, 675 Abs. 1 BGB; denn die Auszahlung ist nicht aufgrund wirksamer Weisung des Berechtigten (im Sinne des § 665 BGB), sondern durch das Handeln eines Unbefugten erfolgt (vgl. dazu BGH, XI. Zivilsenat, NJW 2001, 286; BGHZ 121, 98, 106). Der Kontoinhaber hat Anspruch auf Rückbuchung. Dieser Rückbuchung kommt indes lediglich rechtsbestätigende (deklaratorische) Bedeutung zu (BGHZ 121, 98, 106). Ob die Bank ihrerseits einen Ersatzanspruch gegen den Kontoinhaber wegen einer etwaigen Pflichtverletzung bei der Aufbewahrung von Scheckkarte und schriftlich niedergelegter persönlicher Geheimzahl hat, ist eine Frage des Einzelfalles, namentlich auch der regelmäßig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgenommenen Risikoverteilung zwischen Kunde und Bank. Das hat aber keinen Einfluß darauf, daß der Vermögensschaden zunächst unmittelbar bei der kontoführenden Bank eintritt. Dies gilt auch dann, wenn die den Geldautomaten betreibende Bank nicht das kartenausgebende Institut ist. Denn die automatenbetreibende (sog. fremde) Bank tritt nur als Erfüllungsgehilfe des kartenausgebenden Instituts auf; die Auszahlung ist - wie erwähnt - der kartenausgebenden Bank zuzurechnen (vgl. Gößmann aaO Rdn. 15 f.). Die im Rahmen eines Oneline-Verbundes autorisierten institutsübergreifenden Verfügungen am Geldautomaten werden unverzüglich und beleglos beim kartenausgebenden Institut per Lastschrift eingezogen. Eine Rückgabe der Lastschrift etwa wegen Widerspruchs, fehlender Deckung oder aus anderen Gründen ist nicht möglich und unter den beteiligten Instituten abbedungen (Vereinbarung über das deutsche ec-Geldautomatensystem vom 1. Januar 1995, Anlage 2, Richtlinien, Ziffer 8, zit. nach Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Bd. I, Anhang 7, 8 zu §§ 52-55).
Der unmittelbar bei der Bank eingetretene Vermögensschaden wird durch einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Bank gegen den Karten- und Kontoinhaber nicht in rechtserheblicher Weise kompensiert und so - gleichsam mit seiner Entstehung - auf den Kontoinhaber verlagert. Für den Tatbestand des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) ist anerkannt, daß in eine solche saldierende Betrachtung nur Vermögensbewegungen einzubeziehen sind, welche unmittelbar durch die in Rede stehende Vermögensverfügung herbeigeführt werden. Das gilt entsprechend auch für den Fall der unbefugten Einwirkung auf einen Datenverarbeitungsvorgang (§ 263a StGB). Ein Schadensersatzanspruch ist unter den hier gegebenen Umständen regelmäßig eine unsichere Rechtsposition, die den Vermögensverlust durch die Auszahlung nicht sogleich vollends auszugleichen geeignet wäre (vgl. zum Maßstab für eine Schadenskompensation BGH StV 1995, 254). Deshalb kommt es für den vorliegenden Fall nicht darauf an, ob solche Ansprüche der Banken entstanden sind oder nicht.
Da die Taten sich nach allem gegen verschiedene Rechtsgüter unterschiedlicher Rechtsgutsträger richten, würde eine Verurteilung nur unter dem einen rechtlichen Gesichtspunkt des Computerbetruges den Unwert des Gesamtgeschehens nicht abgelten (so im Ergebnis auch Weber JZ 1987, 215, 217; vgl. weiter Ranft JuS 1997, 19, 23). Schließlich kann auch keine Rede davon sein, daß der Computerbetrug regelmäßig und typischerweise im Zusammenhang mit dem Scheckkartendiebstahl geschähe. Das verdeutlicht schon der Blick auf die bei solchen Delikten ebenfalls nicht seltene Vorgehensweise der Fälschung einer Scheckkarte (vgl. den BGHSt 38, 120 zugrundeliegenden Fall). Eine das Unrecht des Diebstahls konsumierende Wirkung der Verurteilung wegen Computerbetruges kommt also auch unter diesem Aspekt nicht in Betracht (vgl. zu den Anforderungen bei sogenannter mitabgegoltener Begleittat auch Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. vor §§ 52 ff. Rdn. 116 bis 131). Daraus erhellt, daß in beiden Taten eigengeartetes Unrecht gründet. Gerade das ausgeklügelte Vorgehen des Angeklagten verdeutlicht, daß beiden Schritten seines Handelns in besonderer Weise unrechtsprägender Charakter zukommt. Um der erschöpfenden Bestimmung seiner Schuld willen muß das auch im Schuldspruch Ausdruck finden.
Für dieses Ergebnis spricht weiter, daß dem Unrecht der strafbaren Erlangung der Scheckkarte - vor der unbefugten Abhebung am Geldautomaten -sehr unterschiedliches Gewicht zukommen kann. Vom einfachen Diebstahl bis zu demjenigen unter den Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 StGB oder des § 244 StGB sind Fallgestaltungen denkbar, die sich in der bei der Tatausführung aufzuwendenden kriminellen Energie erheblich unterscheiden. Im Einzelfall kann das kriminelle Schwergewicht des Gesamtgeschehens sogar auf der Erlangung der Scheckkarte liegen. Die Verneinung von Gesetzeseinheit - auch beim einfachen Diebstahl - führt dazu, daß schwierige Abgrenzungen, ob das Unrecht der "Begleittat" durch die Verurteilung nach § 263a StGB als abgegolten erscheint oder nicht, vermieden werden. Der richtige Ort, das begangene Unrecht zueinander ins Verhältnis zu setzen und zu gewichten ist die Strafzumessung. In geeigneten Fällen mag auch nach den §§ 154, 154a StPO verfahren werden.
b) Auch sonst begegnet die Annahme von Tatmehrheit hier keinen rechtlichen Bedenken. Die Ausführungshandlungen der Taten überschneiden sich in objektiver Hinsicht nicht. Zwischen den Tatorten der Diebstähle und der anschließenden Fälle des Computerbetruges lagen zum Teil große Entfernungen. Daß der Diebstahl der Scheckkarte jeweils die Voraussetzung für die Begehung des Computerbetruges war und der Angeklagte schon bei dem Stehlen der Karten ein einheitliches Ziel verfolgte, ändert an der Beurteilung nichts. Ein einheitlicher Tatplan begründet für sich gesehen keine Tateinheit (vgl. dazu Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 52 Rdn. 6 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Ende der Entscheidung
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