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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.01.2000
Aktenzeichen: 1 StR 532/99
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 1 | |
StGB § 66 Abs. 2 | |
StGB § 66 Abs. 3 Satz 2 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Januar 2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Granderath, Dr. Wahl, Dr. Boetticher, Schluckebier,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 19. Mai 1999 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Der Angeklagte wurde wegen folgender Taten verurteilt:
a) erpresserischer Menschenraub in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und Fahren ohne Fahrerlaubnis (sechs Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe);
b) erpresserischer Menschenraub in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, schwerem Raub und Fahren ohne Fahrerlaubnis (vier Jahre Freiheitsstrafe);
c) zwei Fälle des (Einbruchs-)diebstahls (jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe).
Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten gebildet; zugleich wurde eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die auf die Sachrüge gestützt ist. Zu ihrer Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, die Strafkammer habe die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht geprüft. Das Rechtsmittel bleibt erfolglos.
1. Es mag dahinstehen, ob der Revisionsbegründung noch mit genügender Klarheit die jedenfalls nicht näher begründete Behauptung von Rechtsfehlern bei der Bemessung der Strafe (und der Sperrfrist) zu entnehmen ist (vgl. demgegenüber Nr. 156 Abs. 1 und 2 RiStBV), da solche nicht ersichtlich sind.
2. Es stellt keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, daß die Frage einer Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht ausdrücklich erörtert ist.
a) Die Urteilsgründe ergeben nicht, daß die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegeben sind: Voraussetzung hierfür wäre, daß bei mindestens zwei der früheren Verurteilungen des Angeklagten zu Jugendstrafe der Richter in jenen Verfahren jeweils bei wenigstens einer der Taten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verhängt hätte, wenn er diese Tat als Einzeltat gesondert abgeurteilt hätte (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 2, 6 m.w.N.).
Dies ist nicht der Fall. Grundlage entsprechender Feststellungen könnten nur die Urteile der Amtsgerichte München und Garmisch-Partenkirchen sein. Der Angeklagte war durch das Urteil des Amtsgerichts München wegen 17, teilweise versuchten, Diebstählen, mehrfachem Fahren ohne Fahrerlaubnis und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort sowie wegen eines Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (der Angeklagte hatte einer älteren Frau gewaltsam die Handtasche entrissen) zu einer zunächst zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Angesichts der zahlreichen Straftaten, die diesem Urteil zugrundeliegen, erscheint die Möglichkeit, daß die Gründe jenes Urteils ergeben, der Angeklagte wäre allein wegen des Handtaschenraubs - oder einer anderen der damals abgeurteilten Taten - zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt worden, zu fernliegend, als daß entsprechende Erörterungen hier unerläßlich gewesen wären (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 6, 9). Auf das Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen kommt es daher nicht mehr an.
b) Unabhängig davon erfüllt schon das angefochtene Urteil die formalen Voraussetzungen sowohl von § 66 Abs. 2 als auch von § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB (vgl. BGHSt 25, 44).
Ausdrücklich lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, daß sich die Strafkammer der Möglichkeit der Anordnung von Sicherungsverwahrung nach diesen Vorschriften bewußt gewesen wäre. Die Strafkammer erwägt aber, daß zwar im Hinblick auf das Vorverhalten des Angeklagten "auch in Zukunft ein erhebliches kriminelles Potential zu befürchten ist", hält aber nach sachverständiger Beratung gleichwohl ein "Licht am Ende des Tunnels" für möglich. Die Strafkammer erwägt weiter das noch recht junge Alter des am 29. November 1976 geborenen Angeklagten und bringt mit ihrem Hinweis auf eine "Zukunftsperspektive" nach der Strafverbüßung zum Ausdruck, daß sie letztlich davon ausgeht, daß der Angeklagte, der nicht nur die hier verhängte langjährige Strafe, sondern voraussichtlich auch noch 382 Tage restliche Jugendstrafe zu verbüßen haben wird, danach nicht mehr i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gefährlich sein wird. Allerdings ist für die Gefährlichkeitsprognose grundsätzlich der Zeitpunkt der Urteilsfindung maßgeblich. Gleichwohl darf der Tatrichter bei seiner Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 StGB bzw. § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs Bedeutung beimessen, soweit dieser nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten läßt (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6; aaO Gefährlichkeit 1). Diese Erwartung ist den Urteilsgründen insgesamt mit hinlänglicher Klarheit zu entnehmen, ohne daß insoweit Rechtsfehler ersichtlich wären. Erhärtet wird dieses Ergebnis dadurch, daß auch die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Revisionsbegründung vorgetragen hat, in der Hauptverhandlung sei ein Antrag auf Sicherungsverwahrung nicht gestellt worden, weil "bei Verhängung einer höheren Gesamtfreiheitsstrafe voraussichtlich eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr erforderlich wäre".
Ende der Entscheidung
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