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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.02.2008
Aktenzeichen: 1 StR 538/07
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 177 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 12. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung/Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Dr. Kolz, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Graf,
Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwältin als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 25. Mai 2007 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft greift die Beweiswürdigung mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen und dem Ziel einer Erweiterung des Schuldumfangs an und macht Fehler bei der Strafzumessung geltend. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begegnete der Angeklagte am 23. April 2006 in einer Pizzeria erstmals der 17-jährigen K. , dem Tatopfer, und fuhr sie von dort zu ihrer Wohnung. Auf sein mehrfaches Drängen, noch "kurz mit hoch kommen" zu dürfen, gab K. mit den Worten nach, man werde nur reden, es werde "aber nichts laufen". In der Wohnung setzten sich beide auf die Schlafcouch und redeten miteinander. K. legte ein Lied der Gruppe "JBO" auf, dessen Refrain lautete "Lieschen, komm ein bisschen auf den Rasen, da kannst du blasen," und sagte, dass sie zu diesem Lied "total abgehe".
Der Angeklagte fragte K. , ob er sie massieren dürfe, was sie verneinte. Er begann dennoch, sie am Nacken zu massieren und sie dort zu küssen. Sie drehte sich hierauf von ihm weg. Nunmehr umschlang er sie von hinten mit seinen Beinen, hielt sie auf diese Weise fest, zog ihren "Neckholder" aus und schubste sie sodann auf den Rücken. In dieser Position fixierte er sie wieder mit seinen Beinen, öffnete ihre Hose und zog diese bis auf Kniehöhe herunter. Er zog seine eigene Hose aus und bedeutete K. mit Gesten, ihn oral zu befriedigen. Dabei drückte er ihren Kopf in Richtung seines erigierten Gliedes. K. versuchte den Angeklagten wegzudrücken und wies ihn darauf hin, dass sie nicht wolle, ihr sei ca. zwei Wochen zuvor ein Weisheitszahn herausoperiert worden. Der Angeklagte versuchte noch kurz, sein Glied in ihren Mund einzuführen, nahm dann aber davon Abstand. Nunmehr positionierte er K. wieder in Rückenlage, legte sich auf sie und drang zunächst mit zwei Fingern ein kleines Stück, sodann mit seiner Eichel in ihre Scheide ein. K. verkrampfte sich, versuchte den Angeklagten mit den Armen von sich wegzudrücken und sagte: "Ich will nicht, es tut weh". Daraufhin ließ der Angeklagte insoweit von ihr ab, drehte sie in die "Hündchenstellung", packte sie an den Hüften und drang mit seinem erigierten Penis maximal 1 cm in ihren Analkanal ein. K. verkrampfte sich erneut und äußerte, er solle aufhören, es tue weh. Der Angeklagte versuchte noch, ihre verkrampften Pobacken auseinanderzudrücken, positionierte sie jedoch sodann so, dass sie vor ihm saß, packte sie am Nacken und drückte ihren Kopf in Richtung seines Penis. Sie bat ihn auch jetzt wieder aufzuhören, es tue ihr weh, und wies ihn noch einmal auf die gerade überstandene Zahnoperation hin. Gleichwohl führte der Angeklagte, gegen ihre Widerbewegung ankämpfend, sein Glied in ihren Mund ein und bewegte es dort bis zum Samenerguss. Das Ejakulat ergoss sich zum Teil in die Mundhöhle der K. , bevor sie sich abwenden konnte. Durch das Vorgehen des Angeklagten erlitt K. nicht unerhebliche Schmerzen im Kieferbereich, brennende Schmerzen im Vaginal- und Analbereich sowie Kratzer in der Nacken- und in der Gesäßregion.
2. Das Landgericht hat das zuletzt stattgefundene orale Eindringen in den Körper der K. als Vergewaltigung und Körperverletzung gewertet. Die vorhergehenden sexuellen Handlungen, das erste - versuchte - orale Eindringen sowie das vaginale und anale Eindringen, hätten keinen Straftatbestand erfüllt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Strafkammer sieht als Ergebnis ihrer Beweiswürdigung, dass "die Geschädigte zunächst sexuelle Handlungen des Angeklagten nicht grundsätzlich abgelehnt" habe; der Angeklagte habe sich "im Rahmen ihrer Vorgaben gehalten" und "innegehalten, wenn sie sich bestimmte Handlungen unter Hinweis auf entstehende Schmerzen verbat." Dies steht in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Hiernach mag die Geschädigte zwar anfänglich durch lockere und möglicherweise zweideutige Verhaltensweisen Erwartungen auf ein einverständliches sexuelles Abenteuer geweckt haben, indem sie den ihr bis dahin unbekannten Angeklagten mit in ihre Wohnung genommen und ein Lied mit anzüglichem Inhalt aufgelegt hat. Sie hat jedoch eindeutig von Anfang an jeden Körperkontakt abgelehnt. Dies hat sie schon vor Betreten der Wohnung klar zum Ausdruck gebracht. Sie hat sich auch in der Wohnung Körperkontakt unmissverständlich verbeten und sich, als der Angeklagte sie gleichwohl berührte, weggedreht. Nachdem der Angeklagte sie nunmehr sogar festgehalten und ausgezogen hatte und den Oralverkehr vollziehen wollte, wies sie ihn erneut auf ihren entgegenstehenden Willen hin und leistete durch den Versuch, ihn wegzudrücken, körperlichen Widerstand. Auch bei dem anschließenden, vom Tatrichter noch immer für strafrechtlich nicht relevant bewerteten Eindringen des Angeklagten in die Vagina und den Anus der Geschädigten hat diese ausdrücklich ihren entgegenstehenden Willen kundgetan und durch Verkrampfen Widerstand geleistet. Dies alles wird durch die Feststellung der Kammer noch erhärtet, die Geschädigte habe "wahrscheinlich durch das Herunterziehen der Hose oder durch den geschilderten Widerstand beim Versuch der vaginalen Penetration" Kratzer in der Gesäßregion erlitten.
Bei dieser Sachlage ist jedenfalls auch für die vaginale und anale Penetration der Straftatbestand des § 177 StGB erfüllt. Die Feststellungen belegen auch ausreichend die Anwendung von Gewalt vor den sexuellen Handlungen - Fixieren, in Rückenlage Stoßen, Drücken des Kopfes - als auch während ihrer Ausführung - sich auf das Opfer Legen, Festhalten, Auseinanderdrücken der verkrampften Pobacken - (zum Begriff der Gewalt im Sinne des § 177 StGB vgl. BGH StV 2003, 390 f. m.w.N.). An der Tatbestandsmäßigkeit der angewandten Gewalt ändert es nichts, dass der Angeklagte von K. abgelassen hat, als seine Handlungen dieser Schmerzen verursachten.
Soweit die Kammer ausführt, die Geschädigte habe jedenfalls "zunächst nicht klar zu erkennen (gegeben), dass sie mit dem Angeklagten keinerlei sexuelle Handlungen durchführen wollte", und damit wohl zusätzlich in subjektiver Hinsicht von einer fehlenden Kenntnis des Angeklagten vom entgegenstehenden Willen der Geschädigten ausgeht, ist diese Einschätzung ersichtlich von der fehlerhaften Verneinung des objektiven Tatbestandes beeinflusst. Die Feststellungen belegen hinreichend, dass der Angeklagte sich auch bei der vaginalen und der analen Penetration bewusst war, sein Ziel nur durch Überwindung des Widerstandes der Geschädigten mit Gewalt erreichen zu können.
3. Der Beweiswürdigungsmangel berührt indes nicht den Schuldspruch. Da wegen des einheitlichen Geschehens in jedem Falle nur eine Verurteilung wegen einer Vergewaltigung in Betracht kommt, ergibt sich lediglich eine Erweiterung des Schuldumfangs.
Dies zieht jedoch - so ist auch der Revisionsantrag der Staatsanwaltschaft nach seiner maßgeblichen Begründung auszulegen - die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Ihm hätte ein auf die vaginale und die anale Penetration erweiterter Schuldumfang zugrunde gelegt werden müssen. Das neue Tatgericht wird allerdings auch auf der Grundlage dieses erweiterten Schuldumfangs die aus der Sicht des Angeklagten ambivalente Ausgangssituation zu seinen Gunsten in Rechnung zu stellen haben.
Ende der Entscheidung
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