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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.02.2002
Aktenzeichen: 1 StR 545/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 261
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 545/01

vom

20. Februar 2002

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 9. Mai 2001 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Auf der Grundlage der im angefochtenen Urteil dazu getroffenen Feststellungen und der vom Landgericht insoweit erhobenen Beweise geht auch der Senat in freibeweislicher Bewertung davon aus, daß den Telefonüberwachungsmaßnahmen, deren Ergebnisse Eingang in die Beweiswürdigung gefunden haben, richterliche Anordnungen zugrundelagen. Er sieht keinen Anlaß, dem im Revisionsverfahren weiter als im Verfahren vor dem Landgericht geschehen nachzugehen. Ein Verwertungsverbot scheidet danach aus. Das gilt zumal auch angesichts des Gegenstandes der vorliegenden Verurteilungen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 100a Rdn. 21, § 100b Rdn. 7).

2. Soweit die Revision des Angeklagten D. eine Beeinträchtigung des Fragerechts im Blick auf die gesperrten und als unmittelbare Zeugen nicht zur Verfügung stehenden Vertrauenspersonen der Polizei (VP) geltend macht (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK), dringt sie mit ihrer Beanstandung nicht durch. Die polizeilichen Vernehmungsbeamten dieser Vertrauenspersonen hat die Strafkammer als unmittelbare Zeugen zu den Angaben der VP's vernommen; sie konnten befragt werden. Aus den Urteilsgründen ergibt sich weiter, daß wenigstens hinsichtlich einer dieser Vertrauenspersonen eine ergänzende polizeiliche Vernehmung auf der Grundlage eines konkreten Fragenkatalogs der Verteidigung stattgefunden hat, deren Ergebnisse anschließend durch den Vernehmungsbeamten als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind (vgl. UA S. 28). Die Revision trägt nicht vor, daß solches auch hinsichtlich der anderen Vertrauenspersonen beantragt und abgelehnt oder sonst erfolglos versucht worden wäre. Sie teilt auch nicht mit, welche konkreten Fragen noch hätten gestellt werden sollen. Angesichts dessen kann hier nicht festgestellt werden, daß das Verfahren als ganzes nicht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK fair gewesen wäre.

3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) An die Beweisführung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eingedenk des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) besondere Anforderungen zu stellen, wenn die Feststellungen auf die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen gestützt werden, der seinerseits Angaben einer gesperrten Vertrauensperson der Polizei in die Beweisaufnahme einführt. In einem solchen Falle bedarf es regelmäßig der Bestätigung dieser Angaben durch andere wichtige Beweisanzeichen (BGH NStZ 1994, 502 m.w. Nachw.). Das gilt für die Beweisführung beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, welches eine große Menge von Rauschgift betrifft, die aber tatsächlich nicht umgesetzt worden ist, auch für die den Schuldumfang mitprägende Mengenangabe einer solchen Vertrauensperson (BGH aaO).

In den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe wurden die Angaben der Vertrauenspersonen der Polizei, die sich durch wechselseitige Verflechtung auszeichnen, vor allem durch die Aussage des Zeugen C. bestätigt (UA S. 31/32). Im Fall 4, der sich mengenmäßig deutlich von den anderen Fällen des unerlaubten Handeltreibens abhebt, lassen sich im Blick auf die Tat als solche bestätigende Beweisanzeichen von Gewicht in dem überwachten und aufgezeichneten Telefongespräch vom 17. Juni 1997 finden, aber auch in der Aussage des Zeugen B. zu Einzelheiten des Randgeschehens der Verhandlungen. Für die große, nicht sichergestellte Rauschgiftmenge des zwischen der polizeilichen Vertrauensperson " M. " und den Angeklagten angestrebten Geschäfts finden sich - neben der Schilderung dieser VP und deren Bewertung - noch hinreichend gewichtige anderweitige tatsächliche Umstände, die die Strafkammer für ihre tatrichterliche Überzeugung ins Feld führt: Diese belegen zwar nicht unmittelbar und konkret auf die gegenständliche Tat bezogen die Mengenangabe der VP " M. ". Sie lassen in ihrer Vielfalt aber den Schluß des Tatrichters zu, daß der Angeklagte S. Zugang zu Mengen der in Rede stehenden Größenordnung hatte. So war er zuvor in der Schweiz verurteilt worden, weil er 10,5 kg Heroin in seiner Wohnung gelagert und "Drogengelder" in Höhe von 112.000 Schweizer Franken in DM umgewechselt hatte. Der Angeklagte hat diesen Sachverhalt in der Hauptverhandlung eingeräumt. Damals handelte der Angeklagte S. "auf Drängen" eines "Du. " (UA S. 6), zu dem der Angeklagte nach wie vor Kontakt hat, wie das Landgericht aufgrund bei ihm aufgefundener Notizen über die Telefonanschlüsse des "Du. " ausführt (UA S. 36). Nach Angaben einer anderen polizeilichen Vertrauensperson (UA S. 27) hat "Du. " aus der Türkei Lieferungen von 20 kg Heroin bezogen (UA S. 27). Hinzu kommt, daß andere Drogenhändler bei polizeilichen Vernehmungen den Angeklagten als "großen Heroinhändler" (Zeuge Ce. , UA S. 45 f.) und als denjenigen ("I. ") bezeichnet hatten, der "seit Jahren Mannheim mit Drogen" beliefere (Zeuge Al. , UA S. 54) und der "größere Mengen" liefere (Zeuge C. , UA S. 32). Schließlich ist das in hohem Maße auf Abschottung und Konspiration angelegte Vorgehen in Betracht zu ziehen, das auch durch das überwachte Telefonat vom 17. Juni 1997 belegt wird. Dieses Telefonat verdeutlicht in der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Bewertung des Landgerichts (UA S. 17), daß von einer erwarteten Lieferung 2 kg in die Schweiz gebracht werden sollten. Auch das deutet im Zusammenhang darauf hin, daß der Angeklagte S. in der Lage war, Drogengeschäfte über Mengen der auch vom Landgericht festgestellten Größenordnung (10 kg Heroin) zu tätigen. Der Senat trägt daher in dem hier gegebenen Fall keine durchgreifenden Bedenken, wenn das Landgericht nach den Grundsätzen freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO) insgesamt noch "andere wichtige Beweisanzeichen" auch hinsichtlich der von der Vertrauensperson "M. " berichteten Menge gesehen und alles in allem auch insoweit eine tragfähige Grundlage für die Verurteilung der Angeklagten angenommen hat.

b) Soweit die Strafkammer bei ihrer Beweiswürdigung zur fortdauernden Verstrickung des Angeklagten S. in den Drogenhandel auch dessen Freispruch in einer anderen Sache durch das Landgericht München I erwähnt und die Zeugenaussage des dortigen Vorsitzenden Richters dahin bewertet, dieser habe die Gründe für den Freispruch des Angeklagten "nicht nachvollziehbar schildern können", verkennt die Kammer, daß jener Zeuge - zumal im Blick auf die Gründe des dort ergangenen abgekürzten Urteils - dem Beratungsgeheimnis unterlag. Die Erwägung begegnet im Ergebnis allerdings deshalb keinen den Bestand des Urteils gefährdenden Bedenken, weil die erkennende Kammer den Abnehmer des Angeklagten S. in jener Sache, P. , selbst als Zeugen vernommen und sich in jener Angelegenheit eine eigenständige Überzeugung gebildet hat.

Ende der Entscheidung

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