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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 1 StR 607/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 607/07

vom 22. Januar 2008

in der Strafsache

gegen

wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25. Mai 2007 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Der Angeklagte wurde wegen einer Reihe von Fällen des Bandenhandels mit jeweils erheblichen Mengen Heroin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision ist auf eine Verfahrensrüge gestützt, mit der er die Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens geltend macht. Außerdem erhebt er die erst im Rahmen der Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) näher ausgeführte Sachrüge. Die Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Zur Verfahrensrüge:

a) Folgendes wird vorgetragen:

Zu Beginn der Hauptverhandlung habe der Staatsanwalt seine je nach dem Inhalt der künftigen Angaben des Angeklagten (z. B. "Geständnis mit Angaben i. S. v. § 31 BtMG"; "ledigliches Abnicken der Anklage") differenzierten Strafvorstellungen offen gelegt. Bei Nachweis der Anklagevorwürfe ohne Geständnis werde er eine Strafe von insgesamt zwölf Jahren und sechs Monaten beantragen. Diese Straferwartung habe das Gericht in einer freilich nicht protokollierten Erklärung als realistisch bezeichnet. Nach mehrmonatiger Hauptverhandlung habe das Gericht im Rahmen dann gescheiterter Bemühungen um eine verfahrensbeendende Absprache für den Fall eines der Anklage entsprechenden Geständnisses eine Strafe von neun Jahren und sechs Monaten und für den Fall einer anklagegemäßen Verurteilung ohne Geständnis eine Strafe von zwölf Jahren angekündigt. Daher hätte, zumal ohne entsprechenden vorangegangenen Hinweis, keine Strafe von 13 Jahren und sechs Monaten verhängt werden dürfen. Zwar habe der Vorsitzende nach dem Scheitern der Verständigungsbemühungen erklärt, das Gericht fühle sich durch ohnehin nicht von ihm in Aussicht gestellte Strafobergrenzen nicht gebunden; dies sei jedoch, wie die Revision näher ausführt, in sich unverständlich.

b) Sowohl der Staatsanwalt als auch die berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer sind in dienstlichen Erklärungen den zentralen Behauptungen der Revision entgegengetreten. Der Staatsanwalt hat erklärt, er habe zwar für den Fall eines Geständnisses die von der Revision genannten differenzierten Strafanträge angekündigt, eine Strafobergrenze für den Fall einer streitigen Verhandlung sei nicht genannt worden. Die Richter haben erklärt, das Revisionsvorbringen entspreche nicht der Wahrheit. Zu keiner Zeit sei angekündigt worden, "ohne Geständnis" sei mit einer Strafe von (bis zu) zwölf Jahren zu rechnen. Es sei auch bei den Bemühungen um eine verfahrensbeendende Absprache vom Gericht keine Strafobergrenze für den Fall eines Geständnisses genannt worden, weil wegen des Inhalts der für den Angeklagten angekündigten Erklärung eine verfahrensbeendende Absprache offensichtlich nicht in Betracht gekommen wäre.

c) Auf diese dienstlichen Äußerungen gestützt hat der Generalbundesanwalt ausgeführt, die Rüge scheitere schon daran, dass das Revisionsvorbringen nicht erwiesen sei. Hierauf hat die Revision erwidert (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO), ihr Vortrag sei schlüssig und widerspruchsfrei. Gründe, warum er weniger glaubhaft sei als die entgegenstehenden dienstlichen Erklärungen der Richter und des Staatsanwalts habe der Generalbundesanwalt nicht genannt; daher sei ihr Vortrag "nicht nicht bewiesen".

d) Die Rüge versagt. Der Hinweis der Revision auf Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit ihres Tatsachenvortrags kann die zutreffenden Darlegungen des Generalbundesanwalts nicht entkräften. Wäre der einer Verfahrensrüge zu Grunde gelegte Tatsachenvortrag unschlüssig oder widersprüchlich, ginge diese Rüge schon im Ansatz fehl. Unschlüssiger oder widersprüchlicher Tatsachenvortrag kann nicht Grundlage einer erfolgreichen Verfahrensrüge sein (BGH b. Sander/Cirener NStZ-RR 2008, 1). Ist der Tatsachenvortrag der Revision dagegen schlüssig und widerspruchsfrei, hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob die behaupteten Tatsachen erwiesen sind (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 352 Rdn. 13 m.w.N.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiskraft des Sitzungsprotokolls (§ 274 StPO) eingreift oder wenn in hiervon nicht umfassten Fällen das Vorbringen von sonstigem Akteninhalt bestätigt wird. In Fällen, in denen der Tatsachenvortrag vom Akteninhalt weder bestätigt noch widerlegt wird, wird häufig ins Gewicht fallen, ob dieser Vortrag unwidersprochen geblieben ist (vgl. BGH StV 2000, 652, 653). Derartige oder damit vergleichbare Umstände sind hier jedoch nicht gegeben. Hier liegen vielmehr Erklärungen der Verteidigung einerseits und jedenfalls nicht weniger schlüssige und widerspruchsfreie Erklärungen von Staatsanwaltschaft und Gericht andererseits vor, die inhaltlich miteinander unvereinbar sind. Bei einer solchen Fallgestaltung fehlt regelmäßig eine ausreichend sichere Grundlage für eine erfolgreiche Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschl. vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 < in dieser Sache ergangener gesonderter Beschluss gegen den Mitangeklagten A. Z. > ; BGH NStZ 1994, 196); Gründe des Einzelfalls, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legten, sind nicht ersichtlich. Die tatsächliche Richtigkeit von Behauptungen, aus denen sich ein verfahrensrechtlicher Verstoß ergeben soll, muss erwiesen sein und kann nicht lediglich nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" unterstellt werden (vgl. BGHSt 16, 164, 167; BGH NStZ 1994, 196; Kuckein in KK 5. Aufl. § 352 Rdn. 13 m.w.N.).

2. Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat, auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen der Revision in ihrer Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Ende der Entscheidung

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