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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.04.1999
Aktenzeichen: 1 StR 678/98
Rechtsgebiete: StPO, WaffG, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 u. 4
StPO § 354 Abs. 1
WaffG § 53 Abs. 1 Nr. 3
WaffG § 53 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a
WaffG § 53 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b
WaffG § 53 Abs. 3 Nr. 2
StGB § 52
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 678/98

vom

14. April 1999

in der Strafsache

gegen

wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 17. August 1998

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte schuldig ist der Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit jeweils tateinheitlich begangenem unerlaubten vorsätzlichen Erwerb, Führen und Überlassen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, Erwerb von Munition in Weitergabeabsicht und deren Überlassen und in Tatmehrheit hierzu des unerlaubten Erwerbs von Munition in Weitergabeabsicht in Tateinheit mit deren vorsätzlichen und unerlaubten Überlassen an einen Nichtberechtigten;

b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 1 und 2 und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten für schuldig befunden "der Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in Tatmehrheit mit rechtlich zusammentreffendem unerlaubtem Erwerb und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb einer Schußwaffe und von Munition, um diese an Nichtberechtigte weiterzugeben, in Tateinheit mit vorsätzlichem Überlassen einer Schußwaffe und von Munition an einen Nichtberechtigten, in Tatmehrheit mit unerlaubtem Erwerb von Munition, um diese an Nichtberechtigte weiterzugeben rechtlich zusammentreffend mit unerlaubtem Überlassen von Munition an einen Nichtberechtigten" und ihn deswegen unter Zusammenfassung dreier Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Zugleich wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bestimmt.

Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.

I.

Nach den landgerichtlichen Feststellungen erhielt der Angeklagte im Januar 1998 von einem amerikanischen Staatsbürger eine halbautomatische Selbstladepistole samt 24 Patronen, die er mit seinem Wagen zum gesondert verfolgten P. S. brachte und diesem übergab. Dem Angeklagten war zu diesem Zeitpunkt zumindest bewußt, daß P. S. die Waffe "im kriminellen Bereich" verwenden wollte. Ob der Angeklagte darüber hinaus wußte, daß P. S. damals mit dem Gedanken spielte, mit der Waffe namentlich nicht bekannte Dritte "auszunehmen", konnte nicht ausgeschlossen, aber auch nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden.

Am 5. Februar 1998 überfiel P. S. unter Einsatz der geladenen Pistole eine Tankstelle und erbeutete so über 1.200 DM. Der Angeklagte, der den Tatort zuvor ausgekundschaftet hatte, unterstützte ihn dabei, indem er das Fluchtfahrzeug steuerte.

Einige Tage später erhielt der Angeklagte vom selben Lieferanten weitere 200 Patronen, die er ebenfalls mit seinem Wagen zu P. S. brachte und diesem aushändigte.

II.

Der Schuldspruch bedarf der Änderung, weil die Strafkammer die Konkurrenzverhältnisse unrichtig beurteilt hat.

Zu Recht ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, daß im Hinblick auf die vom Angeklagten beschaffte Pistole samt 24 Patronen hinsichtlich der folgenden im Januar 1998 erfolgten Verstöße gegen das Waffengesetz Tateinheit vorliegt:

- unerlaubter Erwerb von Munition, um diese an Nichtberechtigte weiterzugeben, § 53 Abs. 1 Nr. 3 WaffG;

- vorsätzlicher unerlaubter Erwerb einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, § 53 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a WaffG;

- vorsätzliches unerlaubtes Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, § 53 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b WaffG;

- vorsätzliches unerlaubtes Überlassen einer Schußwaffe und von Munition an Nichtberechtigte, § 53 Abs. 3 Nr. 2 WaffG.

Verschiedene Verstöße gegen das Waffengesetz, die - wie hier der Erwerb, das Führen und das Überlassen - zugleich Begründung oder Fortsetzung (bzw. Beendigung) des Dauerdeliktes des unerlaubten Waffenbesitzes (Ausübung der tatsächlichen Gewalt/Führen) sind, stehen nämlich, soweit es sich um dieselbe Waffe handelt, zueinander in Tateinheit gemäß § 52 StGB (BGHR WaffG § 53 Abs. 3 Konkurrenzen 2 und § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 1; BGH NStZ 1984, 171). Der Angeklagte hat die Pistole samt Patronen mit dem von vornherein gefaßten Vorsatz erworben, sie zu dem anderen Tatbeteiligten zu bringen und sie ihm zu überlassen. Ein dem Erwerbsakt folgender neuer Willensentschluß (vgl. BGHR WaffG § 52a Abs. 1 Konkurrenzen 2) lag beim Angeklagten nicht vor.

Dagegen tritt der unerlaubte Erwerb einer Schußwaffe, um diese an Nichtberechtigte weiterzugeben (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 WaffG), bei der vorliegenden Fallgestaltung hinter den vorgenannten Verstößen gegen das Waffengesetz im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück. So wird vermieden, daß ein einmaliger Erwerbsvorgang dem Angeklagten in der Urteilsformel zweifach zur Last gelegt wird. Das Vorliegen eines Schußwaffenerwerbes und das Eingreifen des härteren Absatzes 1 wird bereits durch die Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 53 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a WaffG klargestellt. Der noch verbleibende zusätzliche Unwertgehalt, der in der Weitergabeabsicht liegt, tritt hinter der Verwirklichung dieser Absicht (Überlassen an einen Nichtberechtigten gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 2 WaffG) zurück.

Der Senat hat die Schuldsprüche wegen der Waffendelikte neu gefaßt. Da das Gesetz hier keine Bezeichnung bereitstellt, ist nach den allgemeinen Regeln eine anschauliche und verständliche sowie möglichst kurze Wortbezeichnung zu wählen (BGHR WaffG § 53 Abs. 3 Munition 1).

Die vorgenannten im Januar 1998 begangenen Verstöße gegen das Waffengesetz stehen in Tateinheit mit der Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung.

Mehrere Beihilfehandlungen zu einer Tat eines Täters rechtfertigen nämlich grundsätzlich nur die Annahme einer Beihilfe, da sich das Unrecht des Gehilfen nur aus dem Unrecht der Rechtsgutsverletzung der einmalig begangenen Haupttat ableiten läßt (Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. vor § 52 Rdn. 58; Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 54). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen den Einzelhandlungen besteht (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 1/mehrere Hilfeleistungen).

Der Angeklagte hat sowohl durch das Auskundschaften des Tatortes und das Fahren des Fluchtfahrzeugs als auch durch das zuvor erfolgte Verschaffen der Pistole den Tankstellenüberfall des Haupttäters unterstützt.

Zwar konnte nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, ob der Angeklagte dem anderen die Pistole gegeben hat, um damit den möglicherweise damals schon zur Geldbeschaffung geplanten Angriff gegen einen namentlich unbekannten Dritten zu ermöglichen. Deswegen hat die Strafkammer zu Recht bei der Prüfung, durch welche vom Gehilfenvorsatz umfaßte Beihilfeaktivitäten der Angeklagte den Tankstellenüberfall unterstützt hat, nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" die Waffenbeschaffung nicht berücksichtigt. Daraus, daß zu Gunsten des Angeklagten bei der Feststellung des Schuldumfangs von der günstigeren Fallgestaltung auszugehen ist, darf ihm aber in der Konkurrenzfrage kein Nachteil erwachsen. Wenn offenbleibt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegen, ist - ebenfalls im Zweifel für den Angeklagten - von Tateinheit als die für den Angeklagten günstigere Fallgestaltung auszugehen (BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 1/mehrfache Anwendung und 7). Insoweit ist also davon auszugehen, daß der Angeklagte die Waffe zur Unterstützung eines gewaltsamen Vermögensdeliktes herbeischaffte. Unerheblich ist dabei, ob er damals bereits das vom Haupttäter später überfallene konkrete Opfer kannte oder dessen Auswahl für möglich hielt. Zum einen muß sich der Vorsatz des Gehilfen auf die Ausführung einer lediglich in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat beziehen; die Einzelheiten muß er nicht alle kennen (BGHSt 42, 135, 137). Zum anderen sind beim Gehilfenvorsatz Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf dann für die rechtliche Bewertung bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (BGHSt 38, 32, 34; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 46).

Der Umstand, daß die Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung schwerer wiegt als die Verstöße gegen das Waffengesetz, steht der Annahme von Tateinheit nicht entgegen (BGHR WaffG § 53 Abs. 3 Konkurrenzen 1); jedenfalls dann nicht, wenn der Entschluß zur Begehung anderer Straftaten (hier: der Beihilfe) schon beim Erwerb der Waffe besteht oder dies - wie hier - nicht auszuschließen ist (BGH, Beschl. vom 18. Februar 1998 - 1 ARs 1/98).

Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der hiervon betroffenen zwei Einzelfreiheitsstrafen und der Gesamtstrafe. Zwar bedeutet die "Konkurrenzkorrektur" in aller Regel keine Verringerung des verwirklichten Tatunrechts (BGH NStZ 1996, 383, 384; 1984, 262). Der Senat ist aber daran gehindert, die für den zu einer Tat zusammengefaßten Handlungskomplex zu bildende Einsatzstrafe gemäß § 354 Abs. 1 StPO in Höhe der von der Strafkammer verhängten Gesamtstrafe festzusetzen, da diese zusätzlich eine weitere - aufrechterhaltene - Einzelfreiheitsstrafe (9 Monate betreffend die Verschaffung der 200 Patronen) umfaßt (BGH NStZ-RR 1998, 234; BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 7).

Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Von der Aufhebung unberührt bleiben die gesamten getroffenen Feststellungen, die für die im Zeitraum 7. bis 10. Februar 1998 begangene Tat (bezüglich der weiteren 200 Patronen) verhängte Einzelstrafe, die Entziehung der Fahrerlaubnis und die von der Strafkammer angeordnete Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Hinsichtlich der in der neuen Hauptverhandlung vorzunehmenden Strafzumessung können ergänzende Feststellungen getroffen werden.

Ende der Entscheidung

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