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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: 2 AR 18/05
Rechtsgebiete: OWiG, GVG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 46 Abs. 1
OWiG § 68
OWiG § 68 Abs. 1
OWiG § 103
OWiG § 103 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 103 Abs. 1 Nr. 2
OWiG § 103 Abs. 1 Nr. 3
OWiG § 104
OWiG § 104 Abs. 1
GVG § 17
GVG § 17 Abs. 2 Satz 2
GVG § 17 a
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 3
GVG § 17 b
GVG § 71 Abs. 2 Nr. 2
StPO § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 ARs 16/05 2 AR 18/05

vom 23. März 2005

in der Bußgeldsache

gegen

Az.: 25 OWi 476/03 Amtsgericht Oberhausen

Az.: 38 OWi 323/03 Amtsgericht Gelsenkirchen

Az.: 34 Qs (OWi) 111/04 Landgericht Duisburg

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 23. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Für die Entscheidung über die Einwendungen des Betroffenen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung und die sonst bei der Vollstreckung des Bußgeldbescheids vom 25. Februar 2002 getroffenen Maßnahmen sowie - nach Maßgabe der Beschlußgründe - über den Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten ist das Amtsgericht Gelsenkirchen - Abteilung für Bußgeldsachen - zuständig.

Gründe:

1. a) Die Stadt Gelsenkirchen macht gegen den Betroffenen eine Forderung auf Zahlung einer Geldbuße wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit geltend. Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen am 1. März 2002 durch Niederlegung zugestellt. Der Betroffene bestreitet die Zustellung. Auf Ersuchen der Stadt Gelsenkirchen übernahm die Stadt Oberhausen die Beitreibung der Geldbuße, pfändete am 2. Juli 2002 einen Pkw des Betroffenen im Schätzwert von 7.500 € und ließ das Fahrzeug abschleppen. Am 3. Juli 2002 wandte sich der Betroffene an die Stadt Oberhausen, zahlte an diese "unter Protest" die Abschleppkosten in Höhe von 133,10 € und erhielt seinen Pkw zurück.

b) Der Betroffene erhob - nach erfolglosem Widerspruch - vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf "Klage" gegen die Stadt Oberhausen und beantragte festzustellen, daß die Pfändung rechtswidrig gewesen sei, und die Stadt Oberhausen zur Rückzahlung der Abschleppkosten in Höhe von 133,10 € nebst Zinsen zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht erklärte mit Beschluß vom 12. März 2003 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies die Sache unter Hinweis auf §§ 68, 103, 104 OWiG an das Amtsgericht Gelsenkirchen. Aus der Beschlußbegründung ergibt sich, daß das Verwaltungsgericht die Sache in das Bußgeldverfahren verweisen wollte. Dieser Beschluß ist seit dem 3. April 2003 rechtskräftig.

c) Das Amtsgericht Gelsenkirchen erklärte sich mit Beschluß vom 30. Juli 2003 für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht Oberhausen. Der Bußgeldrichter des Amtsgerichts Oberhausen verwies die Sache am 5. März 2004 an den Zivilrichter des Amtsgerichts, weil im Rahmen eines Antrags nach § 103 OWiG allenfalls der Feststellungsantrag zulässig sei, nicht aber das übrige Antragsbegehren.

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hob das Landgericht Duisburg diesen Beschluß auf, weil der Beschluß des Amtsgerichts Oberhausen gegen die Bindungswirkung des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG verstoße. Nach dieser Vorschrift sei der Beschluß für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden sei, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Das Verwaltungsgericht habe die Sache daher insgesamt bindend in das Bußgeldverfahren verwiesen. Dadurch sei der Bußgeldrichter gehindert, die Sache an den Zivilrichter des Amtsgerichts Oberhausen weiterzuverweisen, so daß die Sache im Bußgeldverfahren entschieden werden müsse.

d) Das Amtsgericht Oberhausen hat die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Bundesgerichtshof vorgelegt und ist der Auffassung, daß das Amtsgericht Gelsenkirchen örtlich zuständig sei.

2. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinsames oberes Gericht nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 14 StPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen, weil die streitbefangenen Amtsgerichte Oberhausen und Gelsenkirchen im Zuständigkeitsbereich verschiedener Oberlandesgerichte liegen (OLG Düsseldorf und OLG Hamm).

3. Das Amtsgericht Gelsenkirchen - Abteilung für Bußgeldsachen - ist für die Entscheidung örtlich zuständig.

a) Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Sache bindend in das Bußgeldverfahren verwiesen. Die Bindungswirkung ergibt sich aus § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG. Nach dieser Vorschrift ist der Beschluß für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend.

§ 17 a GVG ist für die Rechtswegsstreitigkeit zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit unmittelbar anwendbar, weil es sich um verschiedene Gerichtsbarkeiten handelt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber auch anerkannt, daß im Verhältnis zwischen freiwilliger Gerichtsbarkeit und ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit die §§ 17 bis 17 b GVG entsprechend anwendbar sind, soweit es sich nicht um Amtsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt. Die Unterschiede der beiden Verfahrensarten rechtfertigen es, Kompetenzkonflikte zwischen ihnen wie Rechtswegstreitigkeiten zu behandeln (vgl. BGH NJW 2001, 2181 m.w.N.). Geht man hiervon aus, gilt das um so mehr für Rechtswegstreitigkeiten zwischen dem Bußgeldverfahren, das weitgehend dem Strafverfahren nachgebildet ist (vgl. § 46 Abs. 1 OWiG) und der streitigen Zivilgerichtsbarkeit, auch wenn beide Gerichtsbarkeiten Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind (vgl. OLG Saarbrücken NJW 1994, 1423, 1424; aA OLG Stuttgart wistra 2002, 38). Soweit die Oberlandesgerichte Frankfurt am Main (NJW 1996, 1484; 1998, 1165; NStZ-RR 1997, 246) und Hamburg (NStZ 1995, 252) entgegen dem Kammergericht (GA 1985, 271) eine entsprechende Anwendung für Verweisungen innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit grundsätzlich ablehnen, könnte zweifelhaft sein, ob dies mit den in der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen vereinbar ist. Dies bedarf hier aber keiner weiteren Erörterung, weil es in den von den genannten Oberlandesgerichten entschiedenen Fällen jeweils um die Abgabe innerhalb der Strafgerichtsbarkeit ging.

Da somit auf den vorliegenden Zuständigkeitsstreit zwischen verschiedenen Sparten der ordentlichen Gerichtsbarkeit die §§ 17 bis 17 b GVG entsprechend anwendbar sind, erfaßt die Bindungswirkung des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG auch die Zuweisung des vorliegenden Rechtsstreits in das Bußgeldverfahren mit der Folge, daß eine Weiterverweisung an die Zivilgerichtsbarkeit nicht mehr zulässig ist. Das Landgericht Duisburg weist in seiner Beschwerdeentscheidung deshalb zu Recht darauf hin, daß die Sache durch den Beschluß des Verwaltungsgerichts Düsseldorf bindend in das Bußgeldverfahren verwiesen ist. Dies hat zur Folge, daß der Bußgeldrichter den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hat (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG; vgl. auch BGHZ 144, 21, 23), hier also auch, soweit der Zahlungsanspruch als öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitungs- oder Erstattungsanspruch geltend gemacht wird (vgl. hierzu Schriftsatz der Rechtsanwälte Dr. B. und T. an das Amtsgericht Gelsenkirchen vom 22. Mai 2003, Seite 7).

Von der bindenden Zuweisung in das Bußgeldverfahren ausgenommen ist jedoch das Antragsbegehren des Betroffenen insoweit, als er seinen Zahlungsanspruch gegenüber dem Bußgeldrichter des Amtsgerichts Gelsenkirchen erstmals auch auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung stützen will. Insoweit ist dem Bußgeldrichter eine Prüfung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG verwehrt (vgl. BGHZ aaO). Denn nach dieser Vorschrift bleibt bei der Entscheidung von Rechtswegstreitigkeiten nach §§ 17 bis 17 b GVG Artikel 34 Satz 3 GG unberührt. Dies hat zur Folge, daß für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtspflichtverletzung der ordentliche Rechtsweg von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen werden kann. Ordentlicher Rechtsweg in diesem Sinne ist jedoch der Rechtsweg zu den Zivilgerichten (vgl. Papier in Maunz/Dürig, GG Art. 34 Rdn. 317; Dagtoglu in Bonner Kommentar, Art. 34 Rdn. 359; Jarass in Jarass/Pieroth, GG 7. Aufl. Art. 34 Rdn. 24; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG 10. Aufl. Art. 34 Rdn. 59). Zuständig sind hier nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG ausschließlich die Zivilkammern der Landgerichte. Eine Zivilkammer eines Landgerichts ist an dem Zuständigkeitsstreit bisher jedoch nicht beteiligt.

b) Das Amtsgericht Gelsenkirchen - Abteilung für Bußgeldsachen - ist örtlich zuständig. Der Betroffene wehrt sich im Wege des Verfahrens nach § 103 Abs. 1 Nr. 1 und 3 OWiG gegen die Vollstreckung eines Bußgeldbescheids und die dabei getroffenen Maßnahmen der Vollstreckungs- und Vollzugsbehörden. Über diese Einwendungen entscheidet nach § 104 Abs. 1 i.V.m. § 68 Abs. 1 OWiG das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Das ist hier das Amtsgericht Gelsenkirchen. Aus der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten (GV NW 1984, 618; 1991, 388) ergibt sich keine abweichende örtliche Zuständigkeit.

Ende der Entscheidung

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