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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.05.2008
Aktenzeichen: 2 AR 250/07
Rechtsgebiete: StPO, BayDO
Vorschriften:
StPO § 98 Abs. 1 | |
StPO § 105 Abs. 1 | |
BayDO in der Fassung bis 31.12.2005 Art. 52 Satz 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 15. Mai 2008
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen falscher uneidlicher Aussage u. a.
hier: Ausschließung des Rechtsanwalts G. als Verteidiger des Beschuldigten K.
Az.: 125 Js 10817/05 Staatsanwaltschaft München I
Az.: ER III Gs 4977/05 Amtsgericht München
Az.: 5 BerL 1327/07 Generalstaatsanwaltschaft München
Az.: 2 Ws 590-592/07 Oberlandesgericht München
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 15. Mai 2008 gemäß § 138 d Abs. 6 Satz 1, § 309 Abs. 1 StPO beschlossen:
Tenor:
Die sofortigen Beschwerden des Beschuldigten K. und des Rechtsanwalts G. gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 3. August 2007 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft München I führt gegen die Beschuldigten V. , K. und G. ein Ermittlungsverfahren. V. wird vorgeworfen, in einem gegen den Polizeiobermeister K. anhängigen Disziplinarverfahren uneidlich falsch ausgesagt zu haben, wozu ihn dieser unter Mithilfe seines Rechtsanwalts G. angestiftet haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Rechtsanwalt G. , der sich als Verteidiger des Polizeiobermeister K. gemeldet hat, die Ausschließung als Verteidiger beantragt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht München diesem Antrag entsprochen, da Rechtsanwalt G. verdächtig sei, Polizeiobermeister K. bei der Anstiftung des Beschuldigten V. zur uneidlichen Aussage beratend unterstützt zu haben (§ 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO).
II.
Die sofortigen Beschwerden des Beschuldigten K. und seines Verteidigers, des Mitbeschuldigten Rechtsanwalt G. , gegen diesen Beschluss sind zulässig (§ 138 d Abs. 6 Satz 1 StPO), jedoch nicht begründet.
1. Zu Recht hat das Oberlandesgericht Rechtsanwalt G. von der Mitwirkung als Verteidiger im Verfahren gegen den Beschuldigten K. ausgeschlossen; der ausgeschlossene Rechtsanwalt ist der Beteiligung an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig (§ 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Dass und weshalb gegen ihn hinreichender Tatverdacht der Beihilfe zur uneidlichen Falschaussage besteht, hat das Oberlandesgericht u. a. unter Würdigung des Beweisgehalts des im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Beschuldigten K. beschlagnahmten E-Mail-Verkehrs umfassend gewürdigt. Dieser Darlegung, die in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht zutrifft und keiner Ergänzung bedarf, schließt sich der Senat an; sie wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet oder auch nur in Frage gestellt.
2. Der Erörterung bedarf nur, ob die den Tatverdacht gegen Rechtsanwalt G. begründenden, anlässlich der Wohnungsdurchsuchung gewonnenen Beweismittel einem Verwertungsverbot unterliegen, sollten sie unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt der §§ 98 Abs. 1, 105 Abs. 1 StPO bzw. der inhaltsgleichen Regelung der Art. 52 Satz 2 BayDO erlangt worden sein.
a) Dem liegt folgender Geschehensablauf zugrunde:
Im Jahre 2003 leitete das Polizeipräsidium München gegen den Polizeiobermeister K. ein förmliches Disziplinarverfahren ein wegen des Vorwurfs, ohne Genehmigung eine Nebentätigkeit ausgeübt zu haben. Mit der Untersuchung wurde die Ständige Untersuchungsführerin für Disziplinarverfahren bei der Landesanwaltschaft Bayern, die Oberlandesanwältin S. , beauftragt.
Am Morgen des 20.4.2005 fand im Beisein des Beschuldigten K. und seines Verteidigers Rechtsanwalt G. die zeugenschaftliche Vernehmung des V. statt. Dieser gab nach Belehrung gemäß § 57 StPO eine schriftliche, den Beschuldigten K. wahrheitswidrig entlastende Stellungnahme ab und erklärte auf Nachfrage, mit K. vor seiner Vernehmung keinen Kontakt gehabt zu haben sowie sich nicht mehr erinnern zu können, wo und wann er das übergebene, von ihm nicht unterschriebene Schriftstück verfasst habe. Zur Beantwortung weiterer Fragen war er nicht bereit.
Die Oberlandesanwältin, die zu Recht eine Anstiftung des Zeugen V. zur Falschaussage durch den Beschuldigten K. vermutete, beantragte - um in dieser Sache überhaupt weiter tätig werden zu können - im Anschluss an die Vernehmung bei der Einleitungsbehörde, dem Polizeipräsidium München, die Ausdehnung der Untersuchung gemäß Art. 56 Abs. 2 BayDO auf den Vorwurf der Anstiftung zur Falschaussage. Diesem Antrag wurde seitens des Polizeipräsidiums München entsprochen, was ihr am Folgetag, dem 21.4.2005 gegen 8.40 Uhr per Fax mitgeteilt wurde. Daraufhin fertigte die Oberlandesanwältin gestützt auf Art. 52 BayDO wegen Gefahr in Verzug einen Durchsuchungsbeschluss, u. a. betreffend die Wohnräume des Polizeiobermeisters K. , der um 9.40 Uhr bei der Polizei einging und um 11.00 Uhr vollstreckt wurde. Bei Sichtung des privaten PC's wurde der die Beschuldigten K. und Rechtsanwalt G. belastenden E-Mail-Verkehr zwischen beiden sichergestellt.
Die Annahme von Gefahr in Verzug hatte die Oberlandesanwältin in dem Durchsuchungsbeschluss selbst wie folgt begründet:
"Sowohl Durchsuchung als auch Sicherstellung sind verhältnismäßig. Aufgrund der Eilbedürftigkeit und der Gefahr, dass noch auf der Festplatte vorhandene Spuren endgültig gelöscht werden, ist kein milderes Mittel vorhanden.
Es besteht die Gefahr, dass Herr K. das auf seinem PC erstellte Dokument löscht bzw. schon gelöscht hat. In diesem Fall würde das auf der Festplatte gespeicherte Dokument zum Überschreiben freigegeben werden. Die Gefahr, dass diese Stelle auf der Festplatte überschrieben wird und damit auch normalerweise rekonstruierbare Teile des Dokuments vernichtet werden, wächst mit der Anzahl der Dokumente, die neu erstellt werden. Unter diesen Umständen rechtfertigt sich die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung durch die Untersuchungsführerin gem. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayDO."
b) Ohne Erfolg machen die Beschwerdeführer geltend, es bestünde für die aufgefundenen, sie belastenden Beweismittel ein Verwertungsverbot, weil die Durchsuchung am 21.4.2005 unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt aus Art. 52 BayDO erfolgt sei.
aa) Art. 52 Satz 2 BayDO bestimmte, dass Beschlagnahmen sowie Durchsuchungen nur auf Anordnung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts, bei Gefahr im Verzug auch auf Anordnung des Untersuchungsführers durchgeführt werden durften. Sachlich zuständig für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses wäre nach Art. 43 Abs. 1 BayDO vorrangig die Kammer für Disziplinarsachen des Verwaltungsgerichts München gewesen und zwar in der Besetzung mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richtern. Eine Anfrage des Senats bei dem Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München hat ergeben, dass sich die spontane Ladung der aus verschiedenen Regierungsbezirken stammenden ehrenamtlichen Richter für eine Beschlussfassung außerhalb der mündlichen Hauptverhandlung regelmäßig äußerst schwierig gestaltete und innerhalb von 24 Stunden kaum realisierbar war. Ein Eildienst, wie bei den Amtsgerichten für Ermittlungsrichter eingerichtet, bestand wegen der zwingenden Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, für die ein Bereitschaftsdienst ausgeschlossen war, nicht. Art. 29 BayDG, der Art. 43 Abs. 1 BayDO abgelöst hat, sieht deshalb nunmehr eine Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden für Anträge auf Beschlagnahme und Durchsuchungen vor.
Vor diesem Hintergrund ist die Annahme von Gefahr im Verzug durch die Oberlandesanwältin, der als Ständiger Untersuchungsführerin der Landesanwaltschaft Bayern die durch die damalige Gesetzeslage bedingte faktische Nichterlangbarkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung der Kammer für Disziplinarsachen bekannt war, nicht zu beanstanden. Erst ab dem 21.4.2005 um 8.40 Uhr, als ihr von der Einleitungsbehörde die entsprechende Erweiterung des förmlichen Disziplinarverfahrens mitgeteilt worden war, war sie befugt, nach Art. 52 Satz 2 BayDO einen Durchsuchungsbeschluss, dessen sachliche Voraussetzungen unzweifelhaft vorlagen, zu erwirken bzw. einen solchen selbst zu erlassen. Rechtsfehlerfrei hat sie - um einen drohenden Beweismittelverlust zu verhindern - in diesem Moment wegen Gefahr in Verzug unmittelbar ihre Eilkompetenz in Anspruch genommen und von einer zeitaufwändigen Anrufung des Verwaltungsgerichts abgesehen. Auf Grund der am Vortag im Beisein der Beschuldigten K. und G. erfolgten Zeugenvernehmung, bei der die zweifelhafte Urheberschaft des von V. übergebenen Schriftstücks erörtert worden war, lag es nämlich nahe, dass der Beschwerdeführer K. alsbald Verdacht schöpfen und durch Manipulationen an seinem PC Vertuschungsversuche unternehmen würde. Unter diesen Umständen war sofortiges Handeln geboten.
bb) Zuzustimmen ist den Beschwerdeführern darin, dass es der Oberlandesanwältin theoretisch möglich gewesen wäre, ohne die ihre Befugnis nach Art. 52 BayDO begründende Entscheidung der Einleitungsbehörde abzuwarten, den Vorgang noch am 20.4.2005 der Staatsanwaltschaft zuzuleiten in der Hoffnung, diese werde einen hinreichenden Tatverdacht annehmen, umgehend ein Ermittlungsverfahren einleiten und sofort einen Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Ermittlungsrichter erwirken.
In dem Umstand, dass die Oberlandesanwältin diese theoretische Möglichkeit einer von ihr nicht zu beeinflussenden Durchsuchung außerhalb des förmlichen Disziplinarverfahrens nicht erwogen hat, liegt aber jedenfalls keine Willkür. Eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervorbehalts, die ein Verwertungsverbot rechtfertigen könnten (vgl. BGH NStZ 2007, 601), ist darin nicht zu erkennen.
Ende der Entscheidung
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