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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.04.2005
Aktenzeichen: 2 StR 111/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 64
StGB § 69 a
StGB § 239 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 111/05

vom 8. April 2005

in der Strafsache

gegen

wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. April 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 11. November 2004 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) soweit der Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Fälle II. 3. und II. 5.) verurteilt worden ist,

b) im Gesamtstrafenausspruch,

c) soweit eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB unterblieben ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Fälle II. 3. und II. 5. - Einzelstrafen vier Jahre und sechs Monate und vier Jahre) sowie wegen weiterer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und einer Maßregel nach § 69 a StGB verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten wendet sich insbesondere gegen die Verurteilung im Fall II. 5., die Strafzumessung im Fall II. 3. und die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Wertung des Geschehens in den Fällen II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe jeweils als erpresserischer Menschenraub begegnet durchgreifenden Bedenken:

Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte den Zeugen K. in seine Gewalt gebracht, ihn mißhandelt, mit einer Pistole bedroht, von der er vorgab, daß sie geladen war, und aufgefordert, die Kosten des Verteidigers für einen inhaftierten Bekannten des Angeklagten sowie Drogenschulden zu zahlen, die er auf 500 Euro festsetzte. Auch sollte er Kleidungsstücke, ein Radio- und Fernsehgerät für diesen besorgen und eine diesen entlastende Aussage abgeben. Für den Fall, daß der Zeuge den Forderungen nicht nachkommen werde, drohte er ihm die Vergewaltigung der Lebensgefährtin des Zeugen durch mehrere Männer an (Fall II. 3.). Danach ließ der Angeklagte den Zeugen frei. In vergleichbarer Weise war der Angeklagte noch am selben Tag gegen den Zeugen W. vorgegangen, den er aufforderte, einen Geldbetrag an drei Personen als Strafgeld für die Weigerung des Zeugen zu zahlen, für diese Personen Marihuana zu veräußern. Unter dem Eindruck der Drohungen und Mißhandlungen versprach der Zeuge, die Forderung durch einen Teil seines Lohnes zu begleichen. Auch diesen Zeugen ließ der Angeklagte erst nach mehreren Stunden gehen (Fall II. 5.). Der Angeklagte wurde einige Tage später festgenommen. Zu Zahlungen der Zeugen oder den sonstigen von dem Angeklagten geforderten Leistungen kam es nicht.

Danach hatte der Angeklagte sich zwar der Zeugen jeweils bemächtigt. Auch hat der Angeklagte während der Bemächtigungslage die Zeugen unter Todesdrohungen und mit Schlägen mit der insoweit als Schlagwerkzeug eingesetzten Pistole aufgefordert, Zahlungen bzw. geldwerte Leistungen zu erbringen. Jedoch sollten diese erst später, zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Zeugen aus der Gewalt des Angeklagten entlassen waren. Die Erfüllung der Forderungen des Angeklagten setzte die Beendigung der Bemächtigungslage voraus, da die Zeugen sich das Geld und die genannten Gegen- stände erst beschaffen mußten. Unter diesen Umständen fehlt es - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - an dem zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung erforderlichen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang und subjektiv auch an der erforderlichen Absicht des "Ausnutzens" im Sinne von § 239 a StGB (BGH StV 1997, 302 f.). Denn der Zweck der gesetzlichen Regelung besteht gerade darin, das Sichbemächtigen des Opfers deshalb besonders unter Strafe zu stellen, weil der Täter seine Drohung während der Dauer der Zwangslage jederzeit realisieren kann (BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5).

2. Die Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs kann danach keinen Bestand haben. Dies führt zur Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II. 3. und II. 5. auch hinsichtlich der jeweils tateinheitlich verwirklichten Delikte der versuchten schweren räuberischen Erpressung und der gefährlichen Körperverletzung. Soweit der Generalbundesanwalt einen weiteren Rechtsfehler darin sieht, daß das Landgericht die Frage des Rücktritts von der versuchten schweren räuberischen Erpressung nicht erörtert hat, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Angesichts der massiven Mißhandlungen und Drohungen während der ersichtlich mehrere Stunden dauernden Bemächtigungslage erscheint es nicht nahe liegend, daß der Angeklagte nicht von einer für die angestrebten Zahlungen und sonstigen Leistungen ausreichenden Einschüchterung der Zeugen ausgegangen ist.

Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II. 3. und II. 5. führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Hingegen können die rechtsfehlerfrei festgesetzten weiteren Einzelstrafen (Fälle II. 1., 2., 4. und 6.) und die Anordnung der Sperrfrist gemäß § 69 a StGB bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, daß sie durch die genannten Rechtsfehler beeinflußt worden sind.

3. Soweit das Landgericht davon abgesehen hat, eine Unterbringung nach § 64 StGB anzuordnen, hält der Senat zwar die vom Generalbundesanwalt erhobenen Bedenken angesichts der eingehenden Begründung des sachverständig beratenen Landgerichts nicht für durchgreifend. Er hebt das Urteil jedoch auch insoweit auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung in dieser Hinsicht zu ermöglichen, zumal der Angeklagte die Nichtanordnung der Unterbringung in der Revision gerügt und damit möglicherweise eine Änderung seiner Einstellung zu einer Therapie zum Ausdruck gebracht hat.

Ende der Entscheidung

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