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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: 2 StR 112/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 54 Abs. 1 Satz 2
StGB § 23 Abs. 2
StGB § 49 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 StR 112/03

vom

21. Mai 2003

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Mai 2003, an der teilgenommen haben:

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 28. August 2002 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben,

a) soweit er wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist,

b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000 ? an die Nebenklägerin verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Für die Vergewaltigung hat es nach den Urteilsgründen eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet und für die versuchte Nötigung eine solche von sechs Monaten.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe.

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in überwiegendem Umfang, die Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.

I.

Revision der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft rügt zu Recht, daß das Landgericht die Gesamtfreiheitsstrafe fehlerhaft gebildet hat. Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB ist die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, hier der Freiheitsstrafe von sechs Jahren, zu bilden. Das Mindestmaß der Gesamtfreiheitsstrafe bemißt sich nach der geringstmöglich erhöhten Einsatzstrafe, es hätte hier mithin sechs Jahre und einen Monat betragen.

II.

Revision des Angeklagten

Einer Erörterung der Verfahrensrügen bedarf es nicht. Soweit das Urteil auf den gerügten Verfahrensfehlern beruhen könnte, führt bereits die Sachrüge zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Die Beweiswürdigung hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Vergewaltigung unterliegt durchgreifenden Bedenken. Aus den Urteilsgründen ist nicht nachvollziehbar, worauf die Feststellungen zur gewaltsamen Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit der Geschädigten K. auf dem Feldweg beruhen. Soweit im Urteil Aussagen der Geschädigten wiedergegeben sind, enthalten sie keine entsprechenden Einzelheiten. Möglicherweise hatte die Geschädigte diese Angaben bei ihrer richterlichen Vernehmung gemacht. Dies hätte die Strafkammer darlegen und auch angeben müssen, weshalb sie dieser Aussage der Geschädigten folgt. Die Geschädigte hatte ihrer Mutter gegenüber und bei ihrer polizeilichen Vernehmung kurze Zeit nach der Tat einen Geschlechtsverkehr nicht bekundet. Auch der Zeugin L. , Mitarbeiterin des Känguruh-Kinderschutzdienstes, hatte sie zunächst nichts von einem Geschlechtsverkehr berichtet. Die richterliche Vernehmung fand erst ungefähr zehn Monate nach der Tat statt; zwischenzeitlich war die Geschädigte von der Zeugin L. betreut worden. In der Hauptverhandlung hat die Geschädigte angegeben, es sei im Wohnwagen zum Geschlechtsverkehr gekommen und sich auf Vorhalt ihrer abweichenden früheren Aussagen auf Erinnerungsverlust berufen. Soweit die Geschädigte in der Hauptverhandlung die Vorfälle im Wohnwagen im übrigen geschildert hat, hat die Strafkammer diesen Geschehensablauf den Feststellungen zugrunde gelegt, obwohl die Geschädigte früher konstant andere Angaben gemacht hatte. Angesichts dieser Besonderheiten hätte sich die Strafkammer mit der Glaubwürdigkeit der Geschädigten und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zur Vergewaltigung auf dem Feldweg im Einzelnen auseinandersetzen müssen, zumal offen bleibt, ob die Tante die Angaben der Geschädigten bestätigt hat. Dies gilt etwa für die Frage, weshalb die Geschädigte am 12. August 1995 - nach den Vorfällen im Wohnwagen und auf dem Feldweg - wiederum im Wagen mit dem Angeklagten mitfuhr, nachdem sie nach dem Vorfall im Wohnwagen sich nur in Begleitung ihrer Tante mit dem Angeklagten sicher gefühlt hatte. Die Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Psych. W. zur Glaubwürdigkeit der Geschädigten ersetzen diese Würdigung der Strafkammer nicht, zumal nicht hinreichend deutlich dargestellt ist, worauf sich die Begutachtung gründet, ob der Sachverständige die Geschädigte exploriert oder nur an deren Vernehmungen durch den Ermittlungsrichter und in der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Auf die Aussageentwicklung und die sich im Laufe der Zeit steigernde Belastung des Angeklagten geht der Sachverständige nicht ein. Seine Einschätzung, die widersprüchlichen Angaben der Zeugin zu dem Vorfall im Wohnwagen seien aufgrund Erinnerungsverlusts nachvollziehbar, steht den von früheren Aussagen abweichenden Feststellungen eher entgegen.

Wegen der Aufhebung des Schuldspruchs wegen Vergewaltigung entfällt auch die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld. Für den Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten weist der Senat insoweit vorsorglich auf BGHR StPO § 403 Anspruch 3, 4 und 6 hin.

2. Der Strafausspruch wegen versuchter Nötigung hält der rechtlichen Nachprüfung schon deswegen nicht stand, weil die Strafkammer die Ablehnung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nicht begründet hat. Weiterhin hat die Strafkammer die zahlreichen, wenn auch nicht einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten straferschwerend berücksichtigt. Dabei hat die Strafkammer offenbar übersehen, daß lediglich die erste Verurteilung durch das Kreisgericht Schmalkalden vor der verfahrensgegenständlichen Tat, die am 12. August 1995 begangen wurde, erfolgt ist. Bei der Strafzumessung wird der neue Tatrichter auch den langen Zeitabstand zwischen der Tat und der Verurteilung und die Belastung des Angeklagten durch die lange Verfahrensdauer zu berücksichtigen haben (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13). Ferner wird er Feststellungen zur Erledigung der Verurteilung durch das Landgericht Erfurt vom 18. Dezember 1995 und der drei Verurteilungen zu Geldstrafen aus dem Jahre 1996 treffen und eine Gesamtstrafe bilden oder einen Härteausgleich vornehmen müssen (§ 55 StGB).

Ende der Entscheidung

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