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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 2 StR 132/08
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 244 Abs. 6
StPO § 256 Abs. 1 Nr. 5
StPO § 256 Abs. 1 Ziff. 5
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 177 Abs. 4 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 132/08

vom 30. April 2008

in der Strafsache

gegen

1. 2. wegen Vergewaltigung u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 30. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

Tenor:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 16. Juli 2007 werden als unbegründet verworfen. Jedoch wird die Urteilsformel dahingehend klargestellt, dass die Angeklagten der besonders schweren Vergewaltigung schuldig sind.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Die nach den Feststellungen und der rechtlichen Würdigung des Landgerichts begangene Vergewaltigung erfüllt den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB und muss deshalb im Urteilstenor als besonders schwer gekennzeichnet werden. Dem entsprechend war die Urteilsformel klarzustellen.

Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 20. März 2008 bemerkt der Senat:

Die Rüge des Angeklagten A. , das Landgericht habe über einen Beweisantrag keine förmliche Entscheidung (§ 244 Abs. 6 StPO) getroffen, bleibt ohne Erfolg. Dem liegt zugrunde, dass der Verteidiger des Angeklagten A. im Hauptverhandlungstermin vom 4. Juli 2007 einen Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen KOK D. gestellt hat. Dieser sollte bekunden, dass die Nebenklägerinnen am 5. Juli 2006 erst um 18.09 Uhr bei ihm Strafanzeige erstattet haben. Demgegenüber hätten die Nebenklägerin An. und der Zeuge M. ausgesagt, sie seien bereits in den Morgenstunden des 5. Juli 2006 zur Polizei gegangen. Daraus werde sich ergeben, dass die Wahrnehmungs- und die Erinnerungsfähigkeit der Zeugin An. und des Zeugen M. sehr eingeschränkt sei. Im Anschluss an die Stellung des Beweisantrages wurde auf Anordnung des Vorsitzenden der Vermerk des KOK D. über den Zeitpunkt der Anzeigenaufnahme der Zeugin An. vom 5. Juli 2006 gemäß § 256 Abs. 1 Ziffer 5 StPO verlesen. Ein Gerichtsbeschluss über den Beweisantrag wurde nicht verkündet.

Die fehlende Bescheidung des Beweisantrags stellt hier keinen Rechtsfehler dar. Der Beweisantrag wurde durch einen zulässigen Austausch des Beweismittels erledigt. Eines Gerichtsbeschlusses gemäß § 244 Abs. 6 StPO bedurfte es nicht. Zwar kann nicht schlechthin jedes Beweismittel durch ein anderes ersetzt werden. So ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, sich eines anderen Zeugen oder einer Urkunde zu bedienen, wenn es mit Rücksicht auf das Beweisthema auf die individuelle Wahrnehmung und damit auf die vom Gericht zu beurteilende Glaubwürdigkeit des im Beweisantrag bezeichneten Zeugen ankommt. Das Gericht darf jedoch das Beweismittel austauschen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls das gewählte Beweismittel gegenüber dem angebotenen eine gleich sichere oder bessere Erkenntnisquelle darstellt (vgl. BGHSt 22, 347, 349). Dies kann sogar im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Sachaufklärung geboten sein.

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Verteidiger des Angeklagten A. wollte mit seinem Beweisantrag den exakten Zeitpunkt der Anzeigeerstattung festgestellt wissen. Dies ist durch Verlesung des Vermerks des KOK D. , in dem Datum und Uhrzeit der Anzeige aufgeführt war, weit zuverlässiger und rascher geschehen als durch die beantragte persönliche Vernehmung des Zeugen. Die Tatsache, wann eine Strafanzeige erstattet worden ist, hängt anders als etwa der persönliche Eindruck von der anzeigenden Person nicht von der individuellen Wahrnehmung, der Beobachtungsgabe und den Vorstellungen des aufnehmenden Polizeibeamten ab. Vielmehr handelt es sich um einen gerade im Berufsalltag eines Polizeibeamten alltäglichen, zudem rein formalen Umstand, an den er regelmäßig keine sichere Erinnerung haben wird. Auch aus diesem Grund wird der Zeitpunkt der Anzeige beweiskräftig in den Anzeigeformularen niedergelegt und seine Verlesung in der Hauptverhandlung gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ermöglicht. Der Austausch des Beweismittels war hier daher nicht nur zulässig, sondern er diente der Sachaufklärung.

Im Übrigen musste sich das Landgericht in den Urteilsgründen nicht mit der im Kontext der sonstigen mitgeteilten Beweislage offenbar bedeutungslosen Tatsache auseinandersetzen, aus welchen Gründen sich die Zeugen An. und M. an den genauen Zeitpunkt der Anzeigeerstattung nicht zutreffend zu erinnern vermochten.

Ende der Entscheidung

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