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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.05.2008
Aktenzeichen: 2 StR 147/08
Rechtsgebiete: StPO, BtMG
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
BtMG § 31 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 14. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 14. Mai 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 8. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten M. K. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und seinen Bruder, den Angeklagten S. K. , wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und hat beide Angeklagten im Übrigen freigesprochen. Gegen den Angeklagten M. K. hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 100.000 €, gegen den Angeklagten S. K. in Höhe von 14.000 € angeordnet. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen, der Angeklagte S. K. auch die Verletzung formellen Rechts.
II.
Die Revisionen der Angeklagten haben bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg.
Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil weist erhebliche Mängel auf (§ 337 StPO). Sie ist zwar Sache des Tatrichters und als solche vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt aber nicht, wenn sie lückenhaft oder unklar ist (vgl. BGH NStZ 2002, 161; 2007, 538). Dies ist hier der Fall.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
Im Zeitraum zwischen Juni 2003 und Dezember 2006 erwarb der Angeklagte M. K. in insgesamt 16 Einzelfällen Haschisch sowie in einem dieser Fälle daneben eine kleinere Menge Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf in der Umgebung seines thüringischen Wohnortes. Die von ihm erworbenen Haschischmengen beliefen sich im ersten Fall auf 1 kg und in der Mehrzahl der weiteren Fälle auf jeweils zwischen 3 und 5 kg, in einem der Fälle auf 10 kg. Bei den letzten fünf dieser Taten im Zeitraum zwischen Oktober oder November 2005 und November oder Dezember 2006 erfolgte die Beschaffung des Rauschgifts im bewussten und gewollten Zusammenwirken beider Angeklagter. In diesem Zeitraum führte der Angeklagte S. K. die Veräußerungsgeschäfte während mehrerer mehrwöchiger Auslandsabwesenheiten seines Bruders als dessen Vertreter weiter. Die aus dem Weiterkauf in diesen fünf Fällen erwirtschafteten Gewinne wurden in einem nicht genau ermittelbaren Verhältnis zwischen beiden Angeklagten aufgeteilt. Im Januar 2007 erwarb der Angeklagte S. K. außerdem allein und auf eigene Rechnung 2 kg Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf in Thüringen, von welchem bei einem Unterabnehmer am 7. Februar 2007 noch 510 g polizeilich sichergestellt werden konnten.
2. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nur zu einem geringen Teil zu den ihnen zur Last gelegten Taten geständig eingelassen und haben dabei zu ihren Gunsten von den Feststellungen des Landgerichts abweichende Angaben zu Art und Menge des von ihnen gehandelten Rauschgifts gemacht. Das Landgericht stützt die Verurteilung im Wesentlichen auf die Aussagen der Zeugen H. und Ku. , die nach ihrer eigenen Bekundung Erwerber und Weiterverkäufer des von den Angeklagten veräußerten Haschisch und Marihuana waren. Die Darstellung und Würdigung der Aussagen dieser beiden Zeugen, die nach ihren eigenen Schilderungen bei den jeweiligen Beschaffungshandlungen der beiden Angeklagten nicht anwesend waren, lässt jedoch ebenso wenig wie diejenige der übrigen Beweismittel erkennen, worauf die Feststellungen des Landgerichts zu den Mengen des in den insgesamt 17 einzelnen Fällen von den Angeklagten beschafften Rauschgifts überhaupt beruhen.
a) So fehlt es schon an einer ausreichenden Darstellung der Aussagen der beiden Belastungszeugen. In einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben selbst tatbeteiligter Zeugen überführt werden soll, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH NStZ-RR 1996, 300). Dazu ist es jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden zur Würdigung der widersprüchlichen Aussagen der in ein Geflecht illegalen Rauschgifthandels verwickelten Auskunftspersonen, deren Motivation möglicherweise auf eigene Vorteile oder auf die Abwehr weiterer Beschuldigungen ausgerichtet war, erforderlich, die Umstände der Entstehung und den näheren Inhalt der die Angeklagten belastenden Aussagen sowie deren Entwicklung darzustellen und zu bewerten (vgl. BGH, Beschl. v. 4. August 2004, 5 StR 267/04). Dies gilt um so mehr, wenn sich nicht von selbst versteht, auf welchen eigenen Wahrnehmungen der Auskunftspersonen Feststellungen zu zentralen Einzelheiten des Hergangs der Taten, wie hier zum Umfang der in den verschiedenen Fällen beschafften Rauschgiftmengen, beruhen könnten.
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe, die schon den Inhalt der Aussagen beider Zeugen in der Hauptverhandlung nicht im Zusammenhang, sondern nur bruchstückhaft und in detailarmer Weise wiedergeben, nicht gerecht. In Bezug auf den Zeugen H. wird zwar mitgeteilt, dieser Zeuge sei am 18. Dezember 2006 festgenommen und sogleich befragt worden, in Folge einer starken Entzugssymptomatik aber erst in einer späteren Vernehmung vom 26. Februar 2007 zu einer wirklich geordneten Zusammenfassung des Gesamtkomplexes in der Lage gewesen (UA S. 17). Nähere Angaben zum Inhalt und Verlauf der verschiedenen Vernehmungen des Zeugen im Zuge der Ermittlungen finden sich nicht; das Urteil beschränkt sich vielmehr auf die Angabe, es sei in deren Verlauf zu vereinzelten Abweichungen bezüglich der Weiterveräußerungshandlungen gekommen, ohne mitzuteilen, worin diese liegen.
Auch in Bezug auf den Zeugen Ku. ist den Urteilsgründen lediglich zu entnehmen, es habe im Verlauf seiner Aussagen Abweichungen zum Beginn der Geschäftsbeziehung gegeben, und erst später habe der Zeuge dann "reinen Tisch gemacht" (UA S. 20). Diese Angaben lassen weder erkennen, um welche Abweichungen es sich dabei im Einzelnen gehandelt hat, noch unter welchen Umständen und mit welchem konkreten Ergebnis der Zeuge im Zuge der Ermittlungen vernommen worden war, noch welche Feststellungen zum Nachteil der Angeklagten auf seine Aussage gestützt werden konnten.
Darüber hinaus ist die pauschale Angabe, auch zwischen den Aussagen beider Zeugen habe es "zwar nicht im Kern, aber doch in Randdetails" geringfügige Abweichungen gegeben, "die zwar ihre Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel ziehen, aber die Möglichkeit einer Abstimmung fern liegend erscheinen lassen" (UA S. 20), in Ermangelung näherer Ausführungen zum Inhalt dieser Abweichungen einer Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich.
b) Schließlich ist auch die Würdigung der Aussage des Zeugen Ku. nicht frei von Mängeln: Für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung gerade bei Aussagen im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts ist es regelmäßig ein wichtiger Gesichtspunkt, ob sich der Zeuge durch seine Aussage in dem gegen ihn selbst gerichteten Verfahren im Hinblick auf § 31 BtMG entlasten wollte; für diesen Fall besteht nämlich die nicht fern liegende Gefahr, dass der "Aufklärungsgehilfe", der sich durch seine Aussage Vorteile verspricht, den Nichtgeständigen zu Unrecht belastet (BGH NStZ-RR 2003, 245). Ist ein tatbeteiligter Zeuge, auf dessen belastende Aussage die Überführung des Angeklagten entscheidend gestützt wird, bereits wegen seiner Beteiligung an derselben Betäubungsmittelstraftat verurteilt worden, muss die Beweiswürdigung deshalb erkennen lassen, ob sich der Betreffende eine Strafmilderung als Aufklärungsgehilfe verdient hat oder nicht (BGH NStZ 2004, 691, 692). Obschon der Angeklagte M. K. in seiner eigenen Einlassung erklärt hat, Ku. sei seines Wissens "für 23 kg verurteilt worden unter Anwendung von § 31 BtMG", und gemeint hat, es sei dem Zeugen deshalb wohl nicht darauf angekommen, was er im Einzelnen einräume (UA S. 13), teilen die Urteilsgründe im Zuge der Würdigung der Aussage Ku. s nur mit, der Zeuge sei für seine sehr erheblichen Selbstbelastungen "auch verurteilt worden" (UA S. 20), enthalten aber keine näheren Angaben dazu, wegen welcher Taten er selbst verurteilt worden war und ob und in welcher Weise dem Zeugen dabei die Regelung des § 31 BtMG zu Gute gebracht worden war.
III.
1. Im Hinblick auf den weiteren Gang des Verfahrens merkt der Senat an, dass der neue Tatrichter neben einer umfassenden und in sich geschlossenen Darstellung der relevanten Aussagen im Falle einer erneuten Verurteilung auch Feststellungen zu den Mindestwirkstoffgehalten der von den Angeklagten beschafften Rauschgiftmengen wird treffen müssen; den Urteilsgründen sind solche Feststellungen lediglich für das "Standardhaschisch" zu entnehmen (UA S. 22), nicht aber für das ebenfalls gehandelte Haschisch höherer Qualität.
2. Der Senat weist zudem darauf hin, dass eine Einführung von Erkenntnissen aus der psychiatrischen Begutachtung des Zeugen H. in dem gegen diesen selbst gerichteten Strafverfahren jedenfalls dann nur im Wege des Strengbeweises zulässig sein wird, wenn diese Erkenntnisse für Zwecke einer inhaltlichen Würdigung einer Aussage dieses Zeugen verwertet werden sollten.
Ende der Entscheidung
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