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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.07.2004
Aktenzeichen: 2 StR 155/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 78c Abs. 1 Nr. 1 | |
StGB § 176 | |
StGB § 174 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
9. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Juli 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 6. Oktober 2003
a) im Schuldspruch geändert:
Der Angeklagte ist schuldig des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in acht Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 20 Fällen, der sexuellen Nötigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern und sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen,
b) mit den Feststelllungen aufgehoben im Strafausspruch hinsichtlich der Taten zwischen November 2000 und Januar 2001 und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 28 Fällen, davon in 26 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern und sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die gegen diese Entscheidung gerichtete, auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichem Umfang Erfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. In den vier Fällen, die im Tatzeitraum zwischen Ende der Sommerferien 1995 und dem 10. Oktober 1995 begangen wurden (UA S. 4-6), ist, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, hinsichtlich des tateinheitlich begangenen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Erste Unterbrechungshandlung im Sinne von § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB war die erstmalige Vernehmung des Angeklagten am 21. August 2001. Zu diesem Zeitpunkt war - da die Tatzeiten insoweit nicht sicher festgestellt werden konnten und sie auch vor diesem Zeitpunkt liegen können - bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen muß deshalb in diesen Fällen entfallen. Bestehen bleibt die Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern nach § 176 StGB. Auswirkungen auf den Strafausspruch hat diese Änderung des Schuldspruchs nicht. Nach den Urteilsgründen ist der Umstand tateinheitlicher Begehung mehrerer Straftatbestände nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt worden. Strafschärfend verwertet werden durfte trotz der Verjährung des Vergehens nach § 174 StGB, daß der Angeklagte "unter Ausnutzung eines bestehenden Vertrauensverhältnisses" handelte (UA S. 39).
2. Keinen Bestand haben kann des Weiteren die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern (§ 176 StGB) hinsichtlich der in der Zeit von November 2000 bis Januar 2001 verübten 20 Mißbrauchsfälle zum Nachteil der Stieftochter V. H. (UA S. 8). Das Tatopfer ist am 4. Oktober 1986 geboren und hat somit das 14. Lebensjahr am 4. Oktober 2000 vollendet. Die Feststellungen ergeben nicht, daß einzelne Vorfälle vor dem 4. Oktober 2000 geschehen sind. Die Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern hat somit für die Zeit von November 2000 bis Januar 2001 zu entfallen. Bestehen bleibt aber die rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in diesen Fällen.
Einzelstrafen für die Taten in der Zeit von November 2000 bis Januar 2001 hat das Landgericht nicht festgesetzt. Eine Nachholung der fehlenden Festsetzung der 20 Einzelstrafen durch den Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts scheidet schon angesichts des geänderten Schuldspruchs aus. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, die Festsetzung nachzuholen. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen (BGHSt 4, 345, 346; BGHR StPO § 358 II 1 Einzelstrafe, fehlende 2; § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 m.w.N).
Die Aufhebung erfaßt auch die Gesamtfreiheitsstrafe, da ohne die Kenntnis der Einzelstrafen in den 20 Mißbrauchsfällen in der Zeit von November 2000 bis Januar 2001 deren rechtlich zutreffende Bildung nicht überprüft werden kann.
Für die neue Verhandlung weist der Senat daraufhin, daß eine im Vergleich zur Einsatzstrafe stark erhöhte Gesamtstrafe besonderer Begründung bedarf (vgl. BGH StV 2003, 555, 556).
Ende der Entscheidung
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