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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.11.2003
Aktenzeichen: 2 StR 164/03
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) | |
StGB § 78 b Abs. 4 |
2. Liegen wegen einer Veränderung der Strafdrohung die Voraussetzungen der Ruhensvorschrift des § 78 b Abs. 4 StGB vor, so ist § 2 Abs. 3 StGB zu beachten.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 14. November 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bestechung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. November 2003 aufgrund der Verhandlung vom 1. Oktober 2003, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß
und die Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte als Verteidiger des Angeklagten M. G. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger der Angeklagten G. G. - in der Verhandlung -
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 10. Dezember 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Erfurt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Bestechung in acht Fällen aus Rechtsgründen freigesprochen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
I.
Den Angeklagten war zur Last gelegt worden, aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung in acht Fällen an den Geschäftsführer der G. GmbH Zahlungen in Höhe von 3 bis 5 % der Nettohonorarsumme als Gegenleistung für die Erteilung von Planungsaufträgen an ihr Ingenieurbüro erbracht zu haben.
Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte M. G. war Alleingesellschafter und faktischer Geschäftsführer der Firma P. GmbH, einem Ingenieurbüro, das sich unter anderem mit Planung und Vertrieb von Heizungs-, Sanitär-, Lüftungs- und Elektroanlagen befaßte; die Angeklagte G. G. war im Handelsregister eingetragene Geschäftsführerin und erledigte Buchhaltungs- und Büroarbeiten. Die P. GmbH stand in Geschäftsbeziehung zu der G. GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Stadt G. ist. Gegenstand dieser im Jahr 1991 gegründeten GmbH ist nach dem Gesellschaftsvertrag die Erzeugung von Fernwärme und Energie und die Versorgung des Stadtgebiets G. und Umgebung. In dem von der Anklage umfaßten Zeitraum (1992 bis 1995) wurde etwa die Hälfte der Bürger der Stadt G. mit Fernwärme versorgt; die Stadt G. hatte bestimmte Fernwärmepräferenzgebiete in einem Plan ausgewiesen und in der von ihr erlassenen Fernwärmesatzung für die im Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke einen Anschluß- und Benutzungszwang festgelegt. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde dieser "in der Realität gegenüber den Bürgern der Stadt nicht angewandt, ... die freie Entscheidung für eine andere Energiequelle wurde stets geduldet".
Zwischen 1992 und 1995 leistete die P. GmbH an den alleinigen Geschäftsführer der G. GmbH, M. , Zahlungen in einer Gesamthöhe von rund 200.000 DM für die Vergabe von Ingenieuraufträgen an die P. GmbH.
Nach Auffassung des Landgerichts schied eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Bestechung oder Vorteilsgewährung aus, da der Geschäftsführer der G. GmbH kein Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB gewesen sei. Die GmbH könne nicht als sonstige Stelle im Sinne dieser Vorschrift einer Behörde gleichgestellt werden, weil sie bei einer Gesamtbetrachtung eher mit einem privaten Wirtschaftsunternehmen vergleichbar und nicht aufgrund staatlicher Steuerung behördenähnlich organisiert sei. Weder der Umstand, daß die GmbH mit der Energieversorgung eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrgenommen habe, noch die 100 %ige Beteiligung der Stadt G. oder deren Einflußmöglichkeiten über den Aufsichtsrat reichten aus, um die Gleichstellung mit einer Behörde zu rechtfertigen. Vielmehr sei die GmbH nach privatrechtlichen Geschäftsgrundsätzen geführt worden und habe nach dem Gesellschaftsvertrag ein breites, nicht auf die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beschränktes Betätigungsfeld gehabt, indem sie sich neben der Energieversorgung auch mit Heizungsbau beschäftigte.
II.
Der Freispruch hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen tragen die Erwägungen der Strafkammer die Verneinung der Amtsträgereigenschaft des Geschäftsführers der G. GmbH nicht.
Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB ist, wer sonst dazu bestellt ist, bei oder im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Unter "sonstigen Stellen" sind - ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform - behördenähnliche Institutionen zu verstehen, die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne sind, aber rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (vgl. BGHSt 43, 370, 376; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 11 Rdn. 19; Gesetzentwurf zum EGStGB BTDrucks. 7/550, S. 209). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand als "sonstige Stellen" den Behörden gleichzustellen sind, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen - unten a) - und dabei derart staatlicher bzw. hier kommunaler Steuerung unterliegen, daß sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als "verlängerter Arm" des Staates erscheinen - unten b) - (vgl. BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; BGH NJW 2001, 3062, 3063).
Das Landgericht ist zwar von dieser Begriffsbestimmung ausgegangen, hat aber bei der gebotenen Gesamtbewertung verschiedene Umstände außer acht gelassen und teilweise falsch gewichtet.
a) Bei der Energieversorgung, nach dem Gesellschaftsvertrag maßgeblicher Gegenstand der G. GmbH, handelt es sich um eine Aufgabe aus dem Bereich der Daseinsvorsorge. Tätigkeiten dieser Art, die dazu bestimmt sind, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit oder ihrer Glieder zu sorgen, wurden von der Rechtsprechung seit jeher als öffentliche Aufgaben angesehen (vgl. BGHSt 12, 89, 90; 31, 264, 268; 45, 16, 19). Entsprechend ging auch der Gesetzgeber des Korruptionsbekämpfungsgesetzes davon aus, daß die Leistungsverwaltung zur Daseinsvorsorge, welche zunehmend in privatrechtlich organisierter Form ausgeführt werde, zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu rechnen sei (vgl. Gesetzentwurf BTDrucks. 13/5584, S. 12).
Daß die Stadt G. mit der Fernwärmeversorgung hier auch tatsächlich eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und sich nicht etwa ausschließlich gewinnbringend wirtschaftlich betätigen wollte, ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, daß die Stadt am 23. Oktober 1991 und am 3. Februar 1993 Fernwärmesatzungen beschlossen hatte, die nicht nur einen Anschluß- und Benutzungszwang, sondern auch ein Anschluß- und Benutzungsrecht der im Versorgungsgebiet liegenden Grundstückseigentümer vorsahen und damit deren Versorgung sicherstellten. Grundlagen dieser Satzungen waren §§ 5 und 15 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl 1990, 255) sowie §§ 5, 15 der Vorläufigen Kommunalordnung für das Land Thüringen in der Fassung der Neubekanntmachung vom 24. Juli 1992 (GVBl 1992, 383), wonach die Gemeinden die Angelegenheiten ihres eigenen Wirkungskreises durch Satzung regeln können, soweit Gesetze nichts anderes bestimmen. Darüber hinaus lagen dem in der Satzung normierten Anschluß- und Benutzungszwang Zwecke des Umweltschutzes zugrunde, wie sich auch aus den entsprechenden Rechtsgrundlagen ergibt. Diese Gesichtspunkte - auf die im folgenden noch näher einzugehen sein wird - läßt das Landgericht unberücksichtigt, wenn es, ohne dies näher zu belegen, ausführt, bei der Entscheidung über den Anschluß neuer Wohnungen seien allein wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend gewesen. Eine derartige, ausschließlich an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Vorgehensweise stünde im Gegensatz zu den von der Stadt selbst aufgestellten Rechtssätzen und könnte angesichts der Satzungsregelungen nicht ohne weiteres als Indiz dafür herangezogen werden, daß es der Stadt nicht um die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ging. Im übrigen steht eine etwa zusätzlich zu Zwecken des Allgemeinwohls hinzutretende Gewinnerzielungsabsicht der Einstufung als öffentliche Aufgabe nicht entgegen (vgl. BGH NJW 2001, 3062, 3064; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht S. 412).
Durch die Wahl der privatrechtlichen Organisationsform "GmbH" verliert die hier wahrgenommene Tätigkeit der Energieversorgung nicht ihren Charakter als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Denn die Stadt G. gab die Aufgabe nicht gänzlich aus der Hand, sondern erfüllte sie durch eine von ihr beherrschte, als Alleingesellschafterin gehaltene juristische Person des Privatrechts, so daß nur die Organisation der Aufgabenwahrnehmung privatisiert wurde (vgl. BGHSt 43, 370, 374; Ossenbühl JR 1992, 473, 475; Dölling, Gutachten zum 61. Deutschen Juristentag, C 55). Die Unbeachtlichkeit der Organisationsform ist durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) ausdrücklich in den Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB aufgenommen worden. Wie der Senat bereits in seiner in BGHSt 43, 370 abgedruckten Entscheidung dargelegt hat, ist es angesichts der bloßen Klarstellung durch den Gesetzgeber (vgl. auch BGHSt 46, 310, 312 und BGH NJW 2001, 3062, 3063 sowie Gesetzentwürfe BTDrucks. 13/5584, S. 12 und gleichlautend BTDrucks. 13/6424, S. 4) unerheblich, daß der hier von der Anklage umfaßte Zeitraum vor der durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz erfolgten Gesetzesänderung liegt.
Daß die G. GmbH neben der Energieversorgung auch erwerbswirtschaftlich auf dem Gebiet des Heizungsbaus tätig war, ändert entgegen der Auffassung des Landgerichts nichts daran, daß der eigentliche Unternehmenszweck auf eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung gerichtet war. Die verfahrensgegenständlichen Vorgänge beziehen sich allein auf den Bereich der Energieversorgung, so daß der Senat nicht darüber zu befinden hat, ob eine rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Staates bei der Bestimmung des Amtsträgerbegriffs dem Bereich der öffentlichen Aufgaben zuzurechnen ist (vgl. BGHSt 31, 264, 269; 38, 199, 202).
b) Die Stadt G. ist alleinige Gesellschafterin der GmbH. Als solche und über den von ihr bestellten Aufsichtsrat bestimmt sie nach näherer Maßgabe des Gesellschaftsvertrags die Grundzüge der Unternehmensführung. Wie die bisherige Rechtsprechung angenommen hat, sind zwar weder die alleinige Inhaberschaft einer Gesellschaft noch die damit verbundenen Aufsichtsbefug-nisse für sich genommen geeignet, eine ausreichende staatliche oder kommunale Steuerung zu bejahen (vgl. BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; BGH NJW 2001, 3062, 3064). Auch insofern sind aber die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die bei einer Gesamtbewertung die Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen können.
Hier sieht der Gesellschaftsvertrag im einzelnen nicht unbedeutende Zustimmungserfordernisse zugunsten des Aufsichtsrates vor: So beeinflußt dieser nicht nur über den Wirtschaftsplan die Finanzausstattung und Geschäftsstrategie, sondern muß insbesondere auch einer Änderung der Allgemeinen Tarifpreise und der Allgemeinen Versorgungsbedingungen zustimmen. Diese Allgemeinen Versorgungsbedingungen unterliegen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme vom 20. Juni 1980 (AVBFernwärmeV, BGBl I 742). Angesichts des auch in den Regelungen der AVBFernwärmeV zum Ausdruck kommenden öffentlichen Interesses an der Erbringung der Versorgungsleistungen zu einem vertretbaren Preis und weitgehend gleichen Bedingungen (vgl. Begründung zum Verordnungsentwurf des Bundeswirtschaftsministers, BRDrucks. 90/80 S. 32; Schmidt-Salzer in Hermann u.a., Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, Einl. Rdn. 68) wird hier die Bedeutung der Einflußnahme durch den Aufsichtsrat evident. Daß die von der Stadt G. entsandten Aufsichtsratsmitglieder die städtischen Interessen tatsächlich nicht wahrgenommen hätten, läßt sich den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen und liegt auch nicht nahe.
Im übrigen konnte die Stadt nach § 7 Abs. 3 Buchst. e) des Gesellschaftsvertrags ohne weiteres auch andere Geschäfte für zustimmungsbedürftig erklären. Als Alleininhaberin bestand also für sie die Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit in dem von ihr für richtig gehaltenen Umfang zu steuern (vgl. eingehend Altmeppen NJW 2003, 2561, 2565).
Hier kommt für die Beurteilung der kommunalen Steuerung zusätzlich einem anderen Gesichtspunkt maßgebliche Bedeutung zu, den das Landgericht nur unzureichend berücksichtigt hat. In den bereits genannten Satzungen war ein Anschluß- und Benutzungszwang vorgesehen, der der Stadt eine wesentliche Möglichkeit der direkten Einflußnahme auf die Geschäftstätigkeit der GmbH eröffnete: So war nach § 4 Abs. 1 der Satzung aus dem Jahr 1993 jeder Eigentümer eines durch eine betriebsfertige Versorgungsleitung angeschlossenen und im Geltungsbereich der Satzung liegenden Grundstücks verpflichtet, dieses an das öffentliche Fernwärmeversorgungsnetz der G. GmbH anzuschließen, soweit nicht auch ohne diesen Anschluß ein immissionsfreier Betrieb gewährleistet war. Auf Grundstücken, die an das öffentliche Fernwärmeversorgungsnetz angeschlossen waren, war der gesamte Bedarf an Fernwärme (Heiz- und Prozeßwärme, Warmwasseraufbereitung) ausschließlich aus dem Fernwärmeversorgungsnetz zu decken, auf den anschlußpflichtigen Grundstücken war die Benutzung von Feuerungsanlagen zum Betrieb mit Kohle, Koks, Öl oder anderen Stoffen, die Rauch oder Abgase entwickeln können, nicht gestattet (§ 4 Abs. 2 und 3). Nach § 5 Abs. 3 dieser Satzung mußte im Einzelfall auf Antrag Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang erteilt werden, wenn dadurch der Satzungszweck nicht beeinträchtigt wurde und ein besonderes öffentliches Interesse an der Befreiung bestand bzw. unzumutbare Härten vermieden wurden. Gemäß § 5 Abs. 4 und 5 war die Befreiung bei der Stadtverwaltung G. - nicht bei der GmbH - zu beantragen und wurde von der Stadtverordnetenversammlung erteilt.
Schon die Tatsache, daß die Stadt von ihrer kommunalen Satzungsbefugnis Gebrauch gemacht und einen Anschluß- und Benutzungszwang statuiert hat, verdeutlicht ihren Willen zur Einflußnahme auf die Wahrnehmung der Energieversorgung durch die GmbH. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich maßgeblich von derjenigen, die der Entscheidung des Senats in BGHSt 45, 16 zugrunde liegt. Der Senat hat für den dortigen Fall ausgesprochen, daß dem Bestehen eines Benutzungs- und Kontrahierungszwangs für die Bewertung als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB keine Bedeutung zukomme. Dabei ging es um die Pflicht des Flughafenbetreibers, mit jedem Nutzungswilligen einen Flughafenbenutzungsvertrag abzuschließen. Anders als im dortigen Fall wurden hier die Nutzer der öffentlichen Einrichtung verpflichtet, der Anschluß- und Benutzungszwang betraf also die umgekehrte Richtung. Die Regelungen der Fernwärmesatzung 1993 sahen eine eigene Entscheidungszuständigkeit der Stadt vor, nämlich sowohl bei der Befreiung vom Anschlußzwang (§ 6 Abs. 5 der Satzung) als auch bei der Versagung des Anschlußrechts (§ 3 S. 1 der Satzung). Damit war die Stadt als Entscheidungsträger in das Rechtsverhältnis zwischen der GmbH und den Nutzern der Fernwärme gleichsam "zwischengeschaltet"; sie war bei Vorliegen der satzungsmäßigen Voraussetzungen verpflichtet, dem anschlußwilligen Grundstückseigentümer einen Anschluß an das Fernwärmenetz der GmbH zu verschaffen.
Demnach belegt der satzungsmäßig angeordnete Anschluß- und Benutzungszwang, daß die Stadt G. die Fernwärmeversorgung nicht, wie das Landgericht meint, ohne jede Einflußmöglichkeit ihrerseits an eine private GmbH aus der Hand gegeben hat, sondern vielmehr die öffentlichen Belange gewahrt sehen wollte. Diese sind nicht nur in der Sicherstellung der Energieversorgung in dem ausgewiesenen Gebiet zu einem sozialverträglichen Preis zu sehen, sondern auch in der Wahrung von Umweltschutzbelangen. Letzteres ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage in § 15 der Vorläufigen Kommunalordnung, der ersichtlich das Ziel verfolgt, Gefahren und Belästigungen durch Luftverunreinigung zu begegnen.
Die von der Verteidigung geäußerten Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung vom 3. Februar 1993 wegen angeblich fehlender Genehmigung durch die Kommunalaufsicht sind nicht gerechtfertigt. Nach § 5 Abs. 5 der Vorläufigen Kommunalordnung war lediglich eine Anzeige der Satzung an die Rechtsaufsichtsbehörde erforderlich, welche hier auch erfolgte. Einer Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde bedurfte es demgegenüber nicht. Im übrigen hatte die Stadt G. auf der Grundlage der damals noch geltenden Kommunalverfassung der DDR bereits in der am 23. Oktober 1991 erlassenen Fernwärmesatzung einen entsprechenden Anschluß- und Benutzungszwang festgelegt.
Die Strafkammer hat - auf der Grundlage der Aussage des Geschäftsführers der G. GmbH sowie eines weiteren Mitarbeiters - zwar ausgeführt, der Anschluß- und Benutzungszwang sei faktisch nicht ausgeübt worden, die Inanspruchnahme anderer Energieträger sei stets geduldet worden. Dies steht der Bejahung einer staatlichen oder kommunalen Steuerung nicht entgegen. Denn die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind nicht geeignet, entgegen den in der Satzung enthaltenen Regelungen das Vorliegen und die Konsequenzen eines Anschluß- und Benutzungszwangs in Abrede zu stellen, zumal die Gemeinde nach § 15 Satz 2 der Kommunalverfassung sowie § 15 Abs. 1 Satz 2 der Vorläufigen Kommunalordnung verpflichtet war, den Anschluß- und Benutzungszwang durchzusetzen, wenn es zur Einhaltung der geltenden Umweltschutzbestimmungen erforderlich war. Nach den Urteilsgründen bleibt schon unklar, ob die Stadtverwaltung mit entsprechenden Anträgen auf Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang überhaupt befaßt wurde oder ob das in der Satzung vorgeschriebene förmliche Verfahren nicht eingehalten wurde und die GmbH selbst - außerhalb ihrer eigenen Entscheidungszuständigkeit - die Inanspruchnahme anderer Energieträger gestattete. Ein den eindeutigen Regelungen der Satzung widersprechendes und damit pflichtwidriges Verhalten der Stadt oder aber der GmbH kann jedenfalls nicht dazu führen, die grundlegende Entscheidung über die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses und die damit verbundenen Steuerungsmöglichkeiten in Frage zu stellen.
Eine kommunale Steuerung ist schließlich nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Geschäftsführer der GmbH nach § 3 des Geschäftsführervertrags die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen hatte - diese Regelung orientiert sich offenbar an § 43 Abs. 1 GmbHG und § 347 Abs. 1 HGB - und im übrigen nach der Regelung in § 7 des Gesellschaftsvertrags bis auf die dort vorgesehenen Einschränkungen weitgehende Alleinentscheidungsbefugnisse hatte. Die Amtsträgereigenschaft steht nicht im Widerspruch zu dem mit der privatrechtlichen Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses verfolgten Zweck, unternehmerische Initiative und Führung des Unternehmens nach Rentabilitätsgesichtspunkten zu ermöglichen (vgl. BGHSt 31, 264, 278). Es entspricht dem Wesen einer GmbH, daß eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers im Außenverhältnis nicht möglich ist (§ 37 Abs. 2 GmbHG), der Geschäftsführer vielmehr nur im Innenverhältnis verpflichtet ist, die ihm auferlegten Beschränkungen (vgl. hier §§ 7 und 9 des Gesellschaftsvertrags) einzuhalten (§ 37 Abs. 1 GmbHG).
c) Bei einer Gesamtbetrachtung der sie kennzeichnenden Merkmale ist die G. GmbH daher als "sonstige Stelle" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB zu qualifizieren. Dies rechtfertigt sich insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes. Schützen die §§ 331 ff. StGB das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern staatlicher Funktionen und damit zugleich in die Sachlichkeit staatlicher Entscheidungen (vgl. BGHSt 15, 88, 96 f.; 43, 370, 377), so gilt gleichartiges Vertrauen auch den Funktionsträgern einer staatlich gesteuerten Privatrechtsorganisation und wird durch die Erfahrung ihrer Käuflichkeit in gleicher Weise enttäuscht wie auch bei anderen Amtsträgern (vgl. BGHSt 43, 370, 377; vgl. auch Welp, Festschrift für Lackner S. 761, 781; Lenckner ZStW 106, 502, 531; Dölling aaO C 58). Aufgrund der dargelegten besonderen Gegebenheiten trat die G. GmbH den Bürgern im Bereich der Energieversorgung nicht wie ein Anbieter unter mehreren gegenüber. Die Entscheidung für eine (nur) formelle Privatisierung unter Einrichtung von kommunalen Steuerungs- bzw. Einflußmöglichkeiten begründet ein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers in eine funktionierende, integre Aufgabenwahrnehmung.
d) Der Geschäftsführer der G. GmbH war zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bei der GmbH als sonstiger Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB bestellt und hat solche Aufgaben auch selbst wahrgenommen. Im Hinblick auf seine herausgehobene Position als Geschäftsführer der Gesellschaft reicht hier für die Bestellung bereits aus, daß ihm dauerhaft Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen wurden und er demnach in die Organisation der Gesellschaft fest eingegliedert war (vgl. BGHSt 43, 370, 379 f.; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 11 Rdn. 27; Rudolphi in SK-StGB § 11 Rdn. 26; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 11 Rdn. 32; für den anders gelagerten Fall eines freiberuflich für die Verwaltung tätig werdenden Bauingenieurs vgl. BGHSt 43, 96, 105 und BGH NJW 1998, 2373 f.).
2. Da die Strafkammer infolge des von ihr vertretenen rechtlichen Standpunkts keinerlei nähere Feststellungen zum Inhalt der Absprachen zwischen den Angeklagten und dem Geschäftsführer M. sowie zur konkreten Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten getroffen hat, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen, ob in den Einzelfällen 1, 5, 6 und 7 der Anklageschrift Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
a) Mehrere Vorteilsgewährungen stehen in der Regel zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, wovon auch die Anklageschrift hier ausgegangen war. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die Annahme des Vorteils auf eine Unrechtsvereinbarung zurückgeht, die den zu leistenden Vorteil genau festlegt, mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein. Dann liegt eine tatbestandliche Handlungseinheit vor, sofern nicht die Vorteilsgewährung "open-end"-Charakter trägt und der versprochene Vorteil von der künftigen Entwicklung abhängen soll (vgl. BGH StV 1995, 84, 85; BGHSt 47, 22, 30; Senatsurteil vom 20. August 2003 - 2 StR 160/03). Sollten hingegen Gegenleistungen, denen mehrere Unrechtsvereinbarungen zugrunde liegen, durch eine einzelne, zusammengefaßte Zahlung erfolgt sein (vgl. den unklaren Begriff der "Jahresendabrechnungen" auf Bl. 17 UA), käme demgegenüber Tateinheit in Betracht (vgl. BGHR StGB § 332 Abs. 1 Konkurrenzen 5; BGHSt 47, 22, 29). Angesichts der bisher unvollständigen Feststellungen kann der Senat nicht gänzlich ausschließen, daß das Verhalten der Angeklagten letztlich als eine Tat zu werten ist.
b) Für den Fall, daß die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer hinsichtlich der genannten Einzelfälle zur Annahme von Tatmehrheit gelangt, sind die Taten in den Einzelfällen 1, 5, 6 und 7 der Anklageschrift allerdings infolge der inzwischen eingetretenen absoluten Verjährung nicht mehr verfolgbar. Nach der Anklageschrift erfolgten die Zahlungen an den Geschäftsführer der G. GmbH am 20. August 1992 (Fall 1) und am 30. Oktober 1992 (Fälle 5, 6 und 7). Die absolute Verjährungsfrist nach § 78 c Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB war am 20. August 2002 bzw. 30. Oktober 2002 abgelaufen, das Urteil des Landgerichts datiert vom 10. Dezember 2002.
Entgegen der Annahme der Strafkammer kam ein Ruhen der Verjährung gem. § 78 b Abs. 4 StGB ab Eröffnung des Hauptverfahrens, welche hier durch das Thüringer Oberlandesgericht am 17. Juni 2002 vor dem Landgericht Erfurt erfolgte, nicht in Betracht. § 78 b Abs. 4 StGB setzt voraus, daß das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren androht. Das Landgericht hat dies mit der Vorschrift des § 335 StGB, welcher durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) in das Gesetz aufgenommen wurde, als gegeben angesehen und es für unerheblich gehalten, daß es diese Strafschärfung zur Tatzeit der Einzelfälle 1, 5, 6 und 7 noch nicht gab.
Es trifft zwar zu, daß nach ständiger Rechtsprechung das Rückwirkungsverbot der nachträglichen Verlängerung von Verjährungsfristen, die bloße verfahrensrechtliche Regeln darstellen, nicht entgegensteht (vgl. BGHSt 2, 300, 307; 4, 379, 384; 26, 288, 289; 46, 310, 318). Resultiert jedoch, wie im vorliegenden Fall, die Verlängerung der Verjährungsfrist bzw. der Eintritt des Ruhens lediglich aus der Veränderung einer Strafdrohung und damit einer materiellrechtlichen Vorschrift, so ist § 2 Abs. 3 StGB zu beachten mit der Folge, daß sich die Verjährung nach dem für den Angeklagten günstigeren Recht der Tatzeit richtet (vgl. BGH GA 1954, 22; BGH bei Dallinger MDR 1954, 335; Dreher NJW 1962, 2209; Tröndle/Fischer aaO § 2 Rdn. 7; Gribbohm in LK aaO § 2 Rdn. 8). Ein Ruhen der Verjährung unter Rückgriff auf die erst später erfolgte materiellrechtliche Gesetzesänderung zum Nachteil der Angeklagten scheidet daher aus.
In den übrigen Fällen ist die Strafkammer dagegen zu Recht davon ausgegangen, daß kein Verfolgungshindernis besteht. Insbesondere wurde - entgegen der Ansicht der Verteidigung - durch Art. 315 a Abs. 2 EGStGB in der Fassung des 3. Verjährungsgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl I 3223) die Verjährung auch für die nach dem 31. Dezember 1992 begangenen Taten verlängert, so daß Verjährung nicht vor Ablauf des 2. Oktober 2000 eintreten konnte (vgl. BGH NStZ 2001, 248; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 28. März 2002 - 2 BvL 2/01).
Ende der Entscheidung
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