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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.09.1998
Aktenzeichen: 2 StR 185/98
Rechtsgebiete: BtMG, StGB
Vorschriften:
BtMG § 30 a Abs. 2 Nr. 2 | |
BtMG § 30 a Abs. 3 | |
StGB § 3 | |
StGB § 6 Nr. 5 | |
StGB § 7 Abs. 2 Nr. 1 | |
StGB § 9 | |
StGB § 51 Abs. 3 und 4 Satz 2 | |
StGB § 69 | |
StGB § 69 a | |
StGB § 73d Abs. 1 | |
StGB § 74 Abs. 1 | |
StGB § 265 Abs. 1 | |
StGB § 354 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
2. September 1998
in der Strafsache
gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. September 1998, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Niemöller als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Theune, Detter, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
mit Rechtsbeistand
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23. Oktober 1997 dahin geändert und ergänzt, daß der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, Beträge von 49.500 DM und 537,85 hfl eingezogen werden und der in den Niederlanden erlittene Freiheitsentzug im Verhältnis von 1:1 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat weiter die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel sowie der Tatwaffe nebst Zubehör und den Verfall von 49.500 DM und 537,85 holländischen Gulden angeordnet. Außerdem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von drei Jahren bestimmt.
Dagegen richten sich die auf eine unzulässige Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten und - zu seinen Ungunsten - die vom Generalbundesanwalt vertretene und ausweislich ihrer Begründung auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachbeschwerde vorrangig die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne von § 30 a Abs. 3 BtMG rügt.
II.
1. Revision des Angeklagten
Das Rechtsmittel hat - abgesehen von einer unwesentlichen Änderung des Schuldspruchs - keinen Erfolg. Der Rechtsfolgenausspruch, welcher hinsichtlich der Anrechnung der in den Niederlanden erlittenen Freiheitsentziehung zu ergänzen und im Verfallsausspruch zu ändern ist, weist im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a) Daß die Strafkammer das Tatgeschehen nach deutschem Strafrecht beurteilt hat, ist nicht zu beanstanden. Soweit der Angeklagte die Tat in der Bundesrepublik Deutschland begangen hat, liegt dies auf der Hand (§§ 3, 9 StGB). Soweit als Tatort Holland in Betracht kommt, folgt die Geltung deutschen Strafrechts aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, da der Angeklagte zur Zeit der Tat Deutscher war und die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist. Unerheblich ist, ob die Tat am Tatort unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt mit Strafe bedroht ist (vgl. BGHSt 2, 160, 161). Es kann daher dahinstehen, ob sich die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auch aus § 6 Nr. 5 StGB ergibt.
b) Fehlerhaft ist der Schuldspruch nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG allerdings hinsichtlich der Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse zwischen dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und deren versuchter Einfuhr. Die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichter "versuchter bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) muß entfallen.
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erfüllt die (versuchte) bewaffnete Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als solche nur dann das Tatbestandsmerkmal der "Einfuhr" im Sinne von § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, wenn sie nicht zum Zwecke des Handeltreibens erfolgt ("ohne Handel zu treiben"). (Versuchte) bewaffnete Betäubungsmitteleinfuhr im Rahmen eines Absatzgeschäftes ist dagegen nur nach dem allgemeinen Tatbestand des "Handeltreibens mit Betäubungsmitteln" gemäß § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG strafbar. Derartige Einfuhrbemühungen zu Handelszwecken, die - wie hier - rechtlich unselbständige Teilakte eines einheitlichen, grenzüberschreitenden Betäubungsmittelgeschäftes sind, bilden nach den Grundsätzen materiellrechtlicher Bewertungseinheit mit allen dem gleichen Güterumsatz dienenden Betätigungen eine Tat (vgl. BGHSt 30, 28, 31; 31, 163, 165; BGH NStZ-RR 1997, 144 f; BGHR BtMG § 30 a Konkurrenzen 1) und sind somit von der Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Betäubungsmittelhandels (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) umfaßt.
Der Schuldspruch war entsprechend zu ändern. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, da ein Hinweis auf die geänderten Konkurrenzen dem Angeklagten keine besseren Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet hätte.
c) Der Strafausspruch wird durch die vorgenannte Änderung des Schuldspruchs nicht berührt.
Angesichts der Strafzumessungserwägungen des Landgerichts schließt der Senat aus, daß die nunmehrige Annahme einer tatbestandlichen Bewertungseinheit, die den Unrechts- und Schuldgehalt des gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwurfs nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG unverändert läßt (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 144 f.), die Strafhöhe zu dessen Nachteil beeinflußt hat. Die Kammer war nicht gehindert, als erschwerenden Tatumstand zu berücksichtigen, daß eine große Rauschgiftmenge ins Inland gebracht werden sollte; dies läßt nicht besorgen, daß sie - fehlerhaft - die Verwirklichung von zwei Tatbestandsalternativen des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG als strafschärfend gewertet hat.
Auch der Umstand, daß die Strafkammer die untere Strafrahmengrenze (§ 30 a Abs. 3 BtMG) unrichtig mit einem Jahr (statt sechs Monaten) bestimmt hat, hat sich auf die Bemessung der an der Obergrenze des Strafrahmens orientierten Strafe nicht ausgewirkt.
d) Der Urteilstenor war gemäß § 51 Abs. 3 und 4 Satz 2 StGB bezüglich der Anrechnung der in den Niederlanden erlittenen kurzzeitigen Freiheitsentziehung zu ergänzen, wobei als Maßstab nur das Verhältnis eins zu eins in Betracht kam (vgl. Senat, Urt. v. 5. Februar 1997 - 2 StR 551/96 m.w.N.).
e) Nicht zu beanstanden sind die zur Fahrerlaubnis getroffenen Maßregeln (§§ 69, 69 a StGB).
Das Landgericht hat rechtfehlerfrei angenommen, daß dem Angeklagten aufgrund des Betäubungsmitteltransports die Eignung zur Führung eines Kraftfahrzeugs (§ 69 StGB) fehle (vgl. BGHR StGB § 69 Entziehung 3 und 6; BGH NStZ 1992, 586). Es brauchte seine Entscheidung auch nicht ausführlicher als geschehen zu begründen.
f) Die Anordnung des erweiterten Verfalls (§ 73 d StGB) der sichergestellten 49.500 DM und der 537,85 hfl hat dagegen keinen Bestand; sie war durch eine Einziehungsanordnung (§ 74 StGB) zu ersetzen.
Der festgestellte Sachverhalt belegt nicht, daß der Angeklagte das Geld "für oder aus" dem verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteldelikt (§ 73 d Abs. 1 StGB) erlangt hat (vgl. BGHSt 40, 371, 372). Jedoch liegen nach den Urteilsfeststellungen die Voraussetzungen der Einziehung nach § 74 StGB vor, weil die beschlagnahmten Gelder dazu bestimmt waren, im Rahmen des angeklagten Tatgeschehens noch weitere Betäubungsmittel zu erwerben (vgl. BGHR § 74 Abs. 1 Tatmittel 1, 6). Unerheblich ist, aus welchem Grund das Geld letztlich nicht für den Drogenankauf verwendet wurde.
Der Senat hat den Ausspruch der Verfallsanordnung (§ 73 d StGB) daher durch eine Einziehungsanordnung (§§ 74 StGB, 354 Abs. 1 StPO) ersetzt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen; der Angeklagte hätte sich gegen den Verlust der genannten Beträge unter dem Gesichtspunkt der Einziehung nicht wirksamer wehren können.
2. Revision der Staatsanwaltschaft
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Die Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Betäubungsmittelhandels nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BtMG hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
Zur Bejahung der Voraussetzungen eines minder schweren Falls (§ 30 a Abs. 3 BtMG) hat die Kammer folgende Umstände angeführt, welche sie "berücksichtigt" habe (UA S. 26):
Dem teilgeständigen Angeklagten sei zugutezuhalten, daß er die Waffe nebst scharfer Munition nicht am Körper getragen oder im Handschuhfach verstaut, sondern in der verschlossenen Umhängetasche in einem geschlossenen Etui mitgeführt habe, woraus zu schließen sei, daß ihm (subjektiv) nicht an einem jederzeitigen Zugriff gelegen gewesen sei. Hinzu komme, daß er überwiegend mit einer weichen Droge (Marihuana) gehandelt habe, welche zudem sichergestellt worden sei.
Diese Begründung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Annahme eines minder schweren Falls (§ 30 a Abs. 3 BtMG) erfordert eine wertende Gesamtbetrachtung, die darüber entscheidet, ob Unrecht und Schuldgehalt der Tat hinter den erfahrungsgemäß vorkommenden und beim ordentlichen Strafrahmen des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG berücksichtigten Fälle zurückbleiben (vgl. BGHR BtMG § 30 a Bande 2 = NStZ 1996, 339 f.). Ausschlaggebend ist, daß bei einer umfassenden Abwägung aller be- und entlastenden tat- und täterbezogenen Umstände gewichtige Milderungsgründe für die Wahl des Sonderstrafrahmens des § 30 a Abs. 3 BtMG sprechen müssen (BGHR BtMG § 30 a Mitsichführen 1; BGHR BtMG § 30 a Bande 2).
Eine solche Gesamtwürdigung läßt das angefochtene Urteil vermissen. Die Kammer hat bei der Strafrahmenwahl nach § 30 a Abs. 3 BtMG ausschließlich strafmildernde und tatbezogene Faktoren herangezogen, gewichtige täterbezogene und strafschärfende Umstände dagegen außer acht gelassen und erst bei der Strafzumessung im engeren Sinne behandelt. Die Begründung der Wahl des gemilderten Strafrahmens (§ 30 a Abs. 3 BtMG) ist daher rechtsfehlerhaft (vgl. BGHR BtMG § 30 Abs. 2 Gesamtwüdigung 1).
Es ist nicht auszuschließen, daß die Kammer bei zutreffender Einbeziehung und Würdigung der einschlägigen Vorstrafen, der Tatbegehung während laufender Bewährungszeiten und der großen Rauschgiftmenge die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne von § 30 a Abs. 3 BtMG verneint und den Regelstrafrahmen des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG angewendet hätte.
Ende der Entscheidung
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