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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 2 StR 230/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 177 Abs. 3 Nr. 1
StGB § 177 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 StR 230/08

vom 16. Juli 2008

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Juli 2008, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, die Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt,

Staatsanwältin/GL als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 6. Dezember 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie beanstandet mit der Sachrüge, dass der Angeklagte nicht wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt wurde und sieht bei der Strafzumessung Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat bereits zum Schuldspruch Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte überredete am 10. März 2007 seine von ihm getrennt lebende Ehefrau (Nebenklägerin = N.), ihre Kleidungsstücke aus der ehelichen Wohnung zu holen. Im Schlafzimmer fragte er sie, ob ihr Entschluss, sich von ihm zu trennen, endgültig sei. Dies wurde von ihr bestätigt. Der Angeklagte packte sie daraufhin von hinten, hielt ihr mit einer Hand Mund und Nase zu und würgte sie mit der anderen Hand am Hals. Es kam zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Angeklagte N. auf das Bett warf und dort versuchte, ihr ein Kissen aufs Gesicht zu drücken. N. wehrte sich und konnte sich aus dieser Lage zunächst befreien, kam dabei aber zwischen dem Bett und dem Fenster zu Boden, so dass sie vor dem Bett kniete. Der Angeklagte versuchte erneut, ihr Mund und Nase zuzuhalten, wobei er ihren Kopf nach hinten riss. N., die Todesangst hatte, wehrte sich mit allen Kräften dagegen. Im Verlauf der Auseinandersetzung wurde sie vom Angeklagten an der Nase getroffen und kam auf dem Boden zwischen dem Bett und dem Fenster zu liegen. Der Angeklagte öffnete daraufhin gegen den Widerstand der N. den Reißverschluss ihrer Hose und zog ihr diese und den Slip nach unten. Er drang mehrfach mit einem Finger tief in die Scheide und den After der N. ein, wobei ihm bewusst war, dass die Zeugin dies nicht wollte. Hierdurch erlitt die Zeugin erhebliche Schmerzen. Da N. durch das vorausgegangene Verhalten des Angeklagten große Angst hatte, dass dieser sie umbringen wolle, versuchte sie diesen zu beschwichtigen, indem sie ihm erklärte, sie würde ihn doch lieben. Sie forderte den Angeklagten auf, von ihr abzulassen, da man über alles reden könne. Er ließ dann schließlich von N. ab und forderte diese auf, ihre Hose hochzuziehen. Während N. versuchte, ihre Hose hochzuziehen, drehte sich der Angeklagte nach hinten und ergriff ein Küchenmesser mit einer Klinge von etwa 13 cm, das zuvor an der Fensterseite an dem Kleiderbügelständer gelegen hatte. In der Hauptverhandlung konnte nicht geklärt werden, wie das Messer dorthin gelangt war. Der Angeklagte zog N. hoch und stieß sie aufs Bett, so dass sie rücklings darauf zu liegen kam. Daraufhin setzte er das Messer auf die linke Brust und wollte zustechen. Dabei rutschte er, auch weil sich N. weiterhin wehrte, mit dem Messer ab, wodurch N. eine oberflächliche Verletzung oberhalb der linken Brust erlitt. Der Angeklagte legte sodann das Messer aus der Hand, um selbst die Hose der N. hochzuziehen. Diesen Augenblick nutzte N., um das Messer, das in Kopfhöhe auf dem Bett lag, mit der rechten Hand zu ergreifen. Als der Angeklagte dies bemerkte, riss er der Zeugin das Messer, das sie an der Klinge festhielt, aus der Hand, wodurch sie eine Schnittverletzung an der Innenseite des Mittelfingers an der rechten Hand erlitt. Der Angeklagte setzte sich anschließend auf den Oberkörper der N., die noch immer rücklings auf dem Bett lag, drückte mit seinem Knie ihre Schulter auf das Bett und begann, mit dem Messer in den linken Arm der N. oberhalb des Handgelenks zu schneiden. Er führte unter erheblicher Krafteinwirkung mit dem Messer mehrere Schnittbewegungen aus, mit denen er insgesamt vier im Bereich des Handgelenks verlaufende Sehnen durchtrennte und überdies die darunter liegende Ellenschlagader verletzte, die komplett geöffnet wurde. Der Angeklagte wollte N. in dieser Weise schwer verletzen. Ihm war dabei bewusst, dass diese Verletzungen ihrer Art nach lebensbedrohlich waren und zum Tode führen konnten, da die konkrete Gefahr bestand, dass N. an dieser Wunde verblutete, wenn nicht umgehend geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Diese Folge nahm er jedenfalls billigend in Kauf. Durch die Schnittwunde am Handgelenk erlitt N. erhebliche Schmerzen, da die Wunde stark schmerzte und auch brannte. Der Angeklagte verständigte dann doch mit seinem Handy den Rettungsdienst, so dass N. ins Krankenhaus gebracht und medizinisch versorgt werden konnte.

2. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht Tateinheit zwischen der Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung angenommen, "da sich das Handeln des Angeklagten bei natürlicher Betrachtung aufgrund des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs als ein einheitliches Tun darstellt" (UA S. 24).

Den Tatbestand des § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB hat das Landgericht nicht als erfüllt angesehen, "weil nicht zur sicheren Überzeugung der Strafkammer festgestellt werden konnte, dass sich der Angeklagte bei Begehung der Vergewaltigung bewusst war, dass sich das Messer in Griffweite befand und er sich dessen jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen konnte" (UA S. 25).

II.

1. Die Verneinung der subjektiven Voraussetzungen des § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB durch das Landgericht hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Strafkammer hat insoweit bereits keine Beweiswürdigung vorgenommen, sondern nur in der rechtlichen Würdigung mitgeteilt, dass sie sich von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten keine sichere Überzeugung verschaffen konnte. Diese Zweifel hat sie nicht - wie geboten - näher dargelegt und begründet. Diese verstanden sich hier auch nicht von selbst. Die Staatsanwaltschaft weist vielmehr zutreffend darauf hin, dass das Tatgeschehen auch dort stattfand, wo sich das Küchenmesser sichtbar befand, nämlich in dem Bereich zwischen Bett und Fenster, an einem Kleiderbügelständer und zwar offensichtlich in Griffnähe. Wenn sich dann der Angeklagte gezielt nach hinten drehte, um das Küchenmesser zu ergreifen, hätte es sich aufgedrängt zu erörtern, weshalb er nicht gewusst haben sollte, dass das Messer dort während der Tatbegehung bereit lag, zumal er die Tage vor dem Tatgeschehen die Wohnung alleine benutzt hatte, so dass einiges dafür spricht, dass er selbst es dort abgelegt hatte.

Es ist nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Würdigung aller Umstände auch die subjektiven Voraussetzungen des § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB bejaht hätte und zu einer höheren Strafe gelangt wäre.

Die wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers gebotene Aufhebung der Verurteilung wegen Vergewaltigung erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung.

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs war aber auch deshalb erforderlich, weil die auf die Bejahung natürlicher Handlungseinheit gestützte Annahme des Landgerichts, die Vergewaltigung und die gefährliche Körperverletzung stünden in Tateinheit, rechtlichen Bedenken begegnet.

Die hierzu getroffenen Feststellungen des Landgerichts legen vielmehr eine Zäsur nahe. Diese kann bereits darin gesehen werden, dass der Angeklagte von N. abließ, seine Finger abstreifte und diese aufforderte, ihre Hose hochzuziehen (UA S. 10). Das anschließende Ergreifen des Messers beruhte ersichtlich auf einem neuen Entschluss des Angeklagten. Eine Zäsur könnte aber auch für den Zeitpunkt angenommen werden, als der Angeklagte das Messer aus der Hand legte, um der Zeugin selbst die Hose hochzuziehen.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt hat.

3. Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob der Angeklagte das Messer "bei der Tat" verwendet hat (§ 177 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 StGB).

Die Voraussetzungen des § 177 Abs. 4 StGB liegen allerdings dann nicht vor, wenn man von zwei selbständigen Taten ausgeht und die Vergewaltigung beim Ergreifen des Messers nicht nur vollendet, sondern bereits beendet war (vgl. hierzu auch BGHSt 51, 276, 278). Auf die nicht abschließend entschiedene Frage, ob der Einsatz des Messers mit der sexuellen Handlung final verknüpft sein muss (vgl. BGH NStZ 2000, 254), kommt es dann nicht an.

Ende der Entscheidung

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