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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 2 StR 274/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 30
StGB § 30 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 StR 274/04

vom 25. November 2004

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. November 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bode, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, die Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Bundesanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. November 2003 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und Tatmittel eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.

Näherer Erörterung bedarf lediglich der Strafausspruch. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 9. Juli 2004 die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs beantragt, weil das Landgericht bei der Strafzumessung zwar die lange Verfahrensdauer von zwei Jahren und neun Monaten bis zum erstinstanzlichen Urteil und die damit einhergehende Belastung und Unsicherheit für den Angeklagten strafmildernd berücksichtigt habe. Die Schwurgerichtskammer habe jedoch nicht erörtert, ob die in den Urteilsgründen dargelegte Verfahrensdauer darüber hinaus auch als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) anzusehen ist. Eine dahingehende Prüfung sei auch auf die Sachrüge geboten, einer Verfahrensrüge bedürfe es hierfür nicht. Dem kann der Senat nicht folgen.

Der 2. Strafsenat hat in mehreren Entscheidungen eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er für die Beanstandung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung grundsätzlich die Erhebung einer Verfahrensrüge für erforderlich hält (vgl. u.a. Beschl. vom 17. August 2001 - 2 StR 267/01 - und 26. April 2002 - 2 StR 55/02; Urt. vom 19. Juni 2002 - 2 StR 43/03). Auch in seiner am 26. Mai 2004 - 2 ARs 33/04 - beschlossenen Antwort auf den Anfragebeschluß des 5. Strafsenats vom 13. November 2003 - 5 StR 376/03 - hat der Senat an dieser Rechtsansicht festgehalten und sie näher begründet. Der vorliegend zu beurteilende Fall gibt keinen Anlaß, diese Rechtsansicht aufzugeben. Auch der 1., 3. und 4. Strafsenat halten im übrigen grundsätzlich eine Verfahrensrüge für erforderlich, wenn eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung geltend gemacht werden soll (1. Strafsenat: Beschl. vom 23. Juni 2004 - 1 ARs 5/04; 3. Strafsenat: Beschl. vom 12. August 2004 - 3 ARs 5/04; 4. Strafsenat: Beschl. vom 25. März 2004 - 4 ARs 6/04).

Nur in wenigen Ausnahmefällen erachtet der Senat die Erhebung allein der Sachrüge als Grundlage für die Prüfung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als ausreichend (vgl. Beschl. vom 26. Mai 2004 - 2 ARs 33/04). In Betracht kommt hier allein die Möglichkeit, daß sich aus den Urteilsgründen alles zur Beurteilung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK entnehmen läßt und es nur um die Überprüfung der Wertung des Tatrichters geht. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Das Landgericht teilt zwar den äußeren zeitlichen Ablauf des Verfahrens bis zum angefochtenen Urteil teilweise mit und meint, den Angeklagten treffe an der langen Verfahrensdauer keine Verantwortung. Hieraus ergibt sich jedoch noch nicht, ob und in welchem Umfang das Verfahren zum Beispiel dadurch verzögert wurde, daß gegen den Angeklagten am 19. Februar 2003 ein weiterer Haftbefehl erlassen wurde wegen des dringenden Verdachts eines Verbrechens im Sinne von § 30 Abs. 1 StGB. Dieser Tatvorwurf ist auch Gegenstand der am 4. Juni 2003 erhobenen Anklage. Insoweit wurden zwar - wie das Urteil mitteilt - die Anklage nicht zugelassen und der Haftbefehl aufgehoben (vgl. UA S. 8). Immerhin hat aber bis dahin der Ermittlungsrichter einen dringenden Tatverdacht im Sinne von § 30 StGB bejaht. Der Einfluß dieses Verfahrensteils auf die Verfahrensdauer läßt sich anhand der Urteilsgründe nicht beurteilen.

Im übrigen liegt die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung unter den Umständen des vorliegenden Falls mit dem Anklagevorwurf eines versuchten Totschlags, der Freiheitsberaubung und der versuchten Beteiligung an einem Verbrechen eher fern, zumal zum Tatnachweis eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich war. Zudem mußte ein psychiatrisches Sachverständigengutachten über die Schuldfähigkeit des Angeklagten erhoben werden. Auch der Zeitablauf bis zur Aktenvorlage an den Generalbundesanwalt am 21. Juni 2004 hält sich noch in dem Rahmen, mit dem in Revisionsverfahren gerechnet werden muß. Der vom Generalbundesanwalt als Beleg für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angeführte Senatsbeschluß vom 17. August 2001 - 2 StR 267/01 - betraf keinen vergleichbaren Sachverhalt, weil dort zwischen der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens an den Angeklagten und dem landgerichtlichen Urteil fünf Jahre verstrichen waren und die Sache beim Landgericht mehr als zwei Jahre völlig ohne Verfahrensförderung liegen blieb.

Ende der Entscheidung

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