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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.11.2003
Aktenzeichen: 2 StR 294/03
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 265
StGB § 53 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 294/03

vom 12. November 2003

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. November 2003 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 15. Januar 2003 im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, der schweren räuberischen Erpressung in drei Fällen, der versuchten schweren räuberischen Erpressung und des schweren Raubes schuldig ist.

2. Die Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren bleibt bestehen, es entfällt jedoch die Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten im Fall II, 6.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in vier Fällen, schweren Raubes, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und versuchten Mordes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Außerdem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und für deren Wiedererteilung eine Sperre von drei Jahren festgesetzt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zu einer Änderung des Schuldspruchs im Konkurrenzverhältnis der Taten II, 6 und 7 von Tatmehrheit zu Tateinheit. Die Freiheitsstrafe von sieben Jahren für den versuchten Mord (Tat II, 7) bleibt als Einsatzstrafe auch für die einheitliche Tat II, 6/7 (versuchter Mord in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung) bestehen.

1. Die schwere räuberische Erpressung im Fall II, 6 und der daran anschließende versuchte Mord (Fall II, 7) wurden nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen tateinheitlich begangen und stehen entgegen der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts nicht im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander. Dies folgt daraus, daß sich die Ausführungshandlungen beider Taten teilweise überschneiden.

Der Angeklagte erbeutete bei dem Überfall auf eine Tankstelle durch die schwere räuberische Erpressung unter Verwendung einer Gasalarmpistole mit Platzpatronen Bargeld und Telefonkarten im Gesamtwert von knapp 3.000 DM. Während der Tankwart telefonisch die Polizei informierte, nahm der anwesende Zeuge Z. sofort die Verfolgung des Angeklagten auf und verlangte von ihm, das Geld zurückzugeben. Der Angeklagte versuchte jedoch, mit der Beute zu entkommen. Z. konnte ihn 300 m von der Tankstelle entfernt stellen und in den Schwitzkasten nehmen. Der Angeklagte wollte sich um jeden Preis aus der Umklammerung befreien und fliehen, um nicht als Täter überführt zu werden. Er setzte die Tatwaffe heftig auf die Kleidung des Z. auf und drückte ab. Dabei nahm er zumindest billigend in Kauf, Z. durch eine Schußverletzung im Herzbereich zu töten. Durch den aufgesetzten Schuß entstand ein 10 cm langer Schußkanal in Richtung linker Thorax. Hätte der Schußkanal nur wenige Zentimeter versetzt in der Herzregion geendet, wäre der Schuß absolut tödlich gewesen.

Bei diesem Tathergang war die schwere räuberische Erpressung zwar vollendet, nachdem der Angeklagte die Tatbeute an sich genommen und sich damit aus der Tankstelle entfernt hatte. Jedoch war diese Tat noch nicht beendet, als der Angeklagte auf Z. schoß. Da Z. sofort die Verfolgung des Angeklagten aufgenommen hatte, hatte der Angeklagte noch keinen sicheren Gewahrsam an der erpressten Beute erlangt, als er auf Z. schoß. Handlungen, die nach der rechtlichen Vollendung einer räuberischen Erpressung, aber vor deren tatsächlicher Beendigung vorgenommen werden, begründen Tateinheit, wenn sie der Verwirklichung der tatbestandsmäßig vorausgesetzten Absicht dienen und zugleich weitere Strafgesetze verletzen (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 13 und 21 jeweils m.w.N.). Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte auf Z. geschossen, um fliehen zu können und nicht als Täter überführt zu werden. Das Landgericht hat deshalb zutreffend das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht angenommen (vgl. hierzu BGH NJW 2001, 763 m.w.N.). Das Urteil äußert sich allerdings nicht dazu, ob der Angeklagte unter den gegebenen Umständen nicht zumindest auch mit der Absicht der Beutesicherung auf Z. schoß und anschließend ersichtlich nicht ohne, sondern mit der Beute floh. Da dies hier schon deshalb naheliegt, weil Z. den Angeklagten unmittelbar zuvor vergeblich zur Rückgabe der Beute aufgefordert hatte, ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, daß der Schuß gegen Z. und die dadurch erzwungene Flucht jedenfalls auch der Beutesicherung dienen sollte. Damit besteht zwischen dem versuchten Mord und der schweren räuberischen Erpressung Tateinheit (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 5, 8, 13, 21). Der Schuldspruch war demgemäß zu ändern. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung hier nicht entgegen, zumal da sie sich für den Angeklagten nicht nachteilig auswirkt.

2. Auf den Strafausspruch wirkt sich die Schuldspruchänderung hier nur insofern aus, als die gesonderte Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten für die schwere räuberische Erpressung im Fall II, 6 entfällt. Die Einsatzstrafe für den versuchten Mord (Fall II, 7) kann unter den besonderen Umständen des Falles auch nach der Änderung des Konkurrenzverhältnisses ebenso bestehen bleiben wie die Gesamtfreiheitsstrafe. Dies ergibt sich aus folgendem:

a) Bei richtiger Anwendung der für die Gesamtstrafenbildung maßgebenden Grundsätze hätte das Landgericht dem Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 18. September 2001 Zäsurwirkung beimessen müssen. Die Zäsurwirkung entfällt entgegen der Annahme des Landgerichts nicht deshalb, weil es gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB davon abgesehen hat, die Geldstrafe aus dem Strafbefehl in eine Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen (vgl. BGHSt 44, 179, 184; 32, 190, 194; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 55 Rdn. 9 m.w.N.). Konkret hätte das hier zur Folge gehabt, daß die Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten für die vor dem 18. September 2001 begangene Tat II, 1 gesondert hätte bestehen bleiben müssen, wenn das Landgericht gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe mit der Geldstrafe aus dem Strafbefehl absehen wollte. Da die Einbeziehung der Geldstrafe zu einer Erhöhung der Freiheitsstrafe hätte führen müssen, ist der Angeklagte dadurch, daß das Landgericht hiervon abgesehen hat, nicht beschwert. Sodann hätte für die Taten II, 2 bis 7 eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden müssen. Bereits die Einsatzstrafe von sieben Jahren für die Tat II, 7 hätte dann aber dazu geführt, daß die bisherige Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren überschritten worden wäre.

b) Nachdem das Konkurrenzverhältnis für die Taten II, 6 und 7 zur Tateinheit geändert wurde, hätte an sich auch die Strafe für diese Tat neu bemessen werden müssen. Bereits für den als Tat II, 7 abgeurteilten versuchten Mord hat das Landgericht jedoch die Einsatzstrafe von sieben Jahren festgesetzt. Das tateinheitliche Hinzutreten der schweren räuberischen Erpressung im Fall II, 6 hätte nur zu einer Erhöhung, nicht aber zu einer Ermäßigung dieser Einsatzstrafe führen können. Da bereits für die Tat II, 1 eine Einzelstrafe von vier Jahren und neun Monaten verhängt wurde, hätte die Gesamtfreiheitsstrafe für die übrigen Taten fünf Jahre und drei Monate nicht überschreiten dürfen, weil das Gesamtstrafübel wegen des Verschlechterungsverbots die bisherige Gesamtfreiheitsstrafe nicht überschreiten darf. Da der Angeklagte durch die Bildung einer einheitlichen Gesamtfreiheitsstrafe für alle Taten somit auch nach der Schuldspruchänderung nicht beschwert ist, die Strafe für die Tat II, 6/7 nicht mehr über die bisherige Einsatzstrafe von sieben Jahren hinaus erhöht werden kann und die Einzelstrafen im übrigen keinen Rechtsfehler erkennen lassen, läßt der Senat die Einzelstrafe für den Fall II, 6 entfallen und die bisherige Einsatzstrafe für den Fall II, 7 auch für die in Tateinheit zusammengefaßte Tat II, 6/7 bestehen. Die einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe für alle Taten kann ebenfalls bestehen bleiben, weil eine Änderung sich nicht zugunsten des Angeklagten auswirken könnte.



Ende der Entscheidung

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