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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 2 StR 296/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 81 g | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 21 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 8. August 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. August 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22. Januar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Der Angeklagte leidet unter der wahnhaften Vorstellung, von Personen verfolgt zu werden, die auch bereits Mordanschläge gegen ihn verübt hätten. Am 30. Mai 2006 wurde er von zwei Kriminalbeamten aufgesucht, die einen amtsgerichtlichen Beschluss nach § 81 g StPO - Abgabe einer Speichelprobe, im Weigerungsfall Entnahme einer Blutprobe - gegen ihn vollstrecken wollten. Der Angeklagte, dem die Beamten eine Ausfertigung des Beschlusses übergeben hatten, bat diese zunächst in sein Wohnzimmer. Ihm kamen dann jedoch Zweifel, ob es sich wirklich um Polizeibeamte handelte. Obwohl er dies aber weiterhin auch für möglich hielt, weigerte er sich sowohl die Speichelprobe abzugeben als auch ihrer Aufforderung zu folgen, zur Blutprobe mitzukommen. Er warf eine Tasse mit Kaffee nach den Beamten, schubste einen Beamten zur Seite und begab sich in das Obergeschoss des Hauses. Von dort bedrohte er die Beamten damit, sie abzuknallen und kam sodann mit einer Mistgabel wieder nach unten. Von den Beamten hatte sich zwischenzeitlich einer vor die Haustür begeben. Beide hatten ihre Dienstwaffen gezogen. Obwohl dem Angeklagten ein Zustechen mit der Mistgabel möglich gewesen wäre, ließ er den Beamten, der sich noch im Flur befand, passieren und das Haus verlassen. Nachdem weitere uniformierte Polizeibeamte eingetroffen waren, bot der Angeklagte, der nunmehr aus einem Loch im Dach heraussah, an, die Speichelprobe abzugeben, wenn man ihm das Röhrchen hinauf werfe. So geschah es.
Das Landgericht ist sachverständig beraten davon ausgegangen, dass der Angeklagte an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung mit Verfolgungsideen leide, die als schwere andere seelische Abartigkeit anzusehen sei. Aufgrund dessen sei er bei Begehung der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert gewesen.
Diese Ausführungen des Landgerichts begegnen durchgreifenden Bedenken. Nach den Feststellungen war der Angeklagte - wie das Landgericht auch nicht verkennt - in der Lage, kontrolliert zu reagieren, obwohl er es immerhin für möglich hielt, dass er nicht von Polizeibeamten sondern von ihm feindlich gesonnenen Personen aufgesucht worden war, die ihm gegebenenfalls sogar nach dem Leben trachten könnten. Er hat flexibel reagiert und mit Gewalt nur gedroht, bis er sein Ziel erreicht hatte, die Beamten aus dem Haus zu vertreiben. Unter diesen Umständen ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die auf dem Defektzustand beruhende Verminderung der Steuerungsfähigkeit auch erheblich war. Dies hätte eingehender Prüfung des Landgerichts bedurft, wobei maßgeblich die Anforderungen sind, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 7a m. w. N.).
Schon aus diesem Grund kann auch die Maßregelanordnung keinen Bestand haben. Zudem bedarf die den Betroffenen außerordentlich belastende Maßregel aber auch einer besonders kritischen Prüfung der Gefährlichkeitsprognose unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Auch in diesem Zusammenhang wäre deshalb das kontrollierte Verhalten des Angeklagten bei der Anlasstat zu würdigen gewesen, der letztlich gerade nicht gewalttätig geworden ist. Soweit das Landgericht auf Vorverurteilungen wegen vorangegangener durch den Angeklagten begangener Körperverletzungen verwiesen hat, fehlt es an ausreichenden Feststellungen, dass auch diese Taten auf der paranoiden Persönlichkeitsstörung des Angeklagten beruhen.
Die Sache bedarf danach erneuter Prüfung. Da nicht auszuschließen ist, dass der neue Tatrichter auch zu einem völligen Ausschluss der Schuldfähigkeit kommen kann, hat der Senat das Urteil insgesamt aufgehoben.
Ende der Entscheidung
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