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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: 2 StR 324/03
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 354 Abs. 1
StGB § 64 Abs. 2
StGB § 67 Abs. 1
StGB § 67 Abs. 2
StGB § 20
StGB § 21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 324/03

vom 10. September 2003

in der Strafsache

gegen

wegen schweren Raubes u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. September 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 8. Mai 2003 dahin geändert, daß die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in der Entziehungsanstalt entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Limburg vom 6. Februar 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß vor der Unterbringung drei Jahre der Freiheitsstrafe vorab zu vollstrecken sind. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Die Revision des Angeklagten ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Zwar hat der Tatrichter bei der Verneinung der Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 StGB nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 91, 1 ff.) einen unzutreffenden Maßstab angelegt. Aus dem Sachzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, daß für den Angeklagten eine hinreichend konkrete Aussicht des Behandlungserfolges besteht.

2. Die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Maßregel kann jedoch keinen Bestand haben. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Rechtsbrechers begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4, 12). Zwar sieht § 67 Abs. 2 StGB vor, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel vollzogen werden kann, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Daß diese Voraussetzung gegeben ist, hat die Strafkammer aber nicht hinreichend dargelegt. Das Landgericht hat zur Begründung der Anordnung des Vorwegvollzugs die Ausführungen des Sachverständigen wiedergegeben, daß wegen des seit nunmehr 20 Jahren bestehenden Alkohol- und Drogenmißbrauchs und wegen der in der Persönlichkeit des Angeklagten liegenden Gründe, die bereits im Rahmen der §§ 20, 21 StGB erörtert worden seien, ein Erfolg der Therapie nur dann möglich sei, wenn danach eine Entlassung in die Freiheit möglich wäre und sich kein Strafvollzug anschließe. Der Sachverständige habe dies zutreffend auch mit der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und seinem Verhalten nach vorangegangenen Therapieversuchen begründet. Nur so könne der Angeklagte nachdrücklich beeindruckt und die Motivation für die Therapiemaßnahme erreicht werden. Welche Gründe in der Person des Angeklagten nur bei einem Vorwegvollzug von Strafe einen Erfolg der Therapie erwarten lassen, ist den Urteilsgründen aber nicht zu entnehmen. Bei der in Bezug genommenen Prüfung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB findet sich hierzu nichts. Es werden lediglich die Daten freiwilliger Aufenthalte des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus in Hadamar und in der Therapieeinrichtung Epstein mitgeteilt, außerdem, daß der Sachverständige eine polyvalente Abhängigkeitserkrankung und eine deutliche dissoziale Entwicklung festgestellt, hingegen keine Anhaltspunkte für eine klinisch relevante Persönlichkeitsstörung gefunden habe (UA S. 15 f.). An anderer Stelle im Urteil heißt es, daß der Angeklagte die Therapie in Epstein wegen einer Frau abgebrochen habe (UA S. 6). Danach ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern eine - vom Sachverständigen gerade nicht festgestellte - Persönlichkeitsstörung oder das nicht im einzelnen mitgeteilte Verhalten des Angeklagten nach vorausgegangenen Therapieversuchen den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe erfordern könnten, zumal sich der Angeklagte nach der Tat in das psychiatrische Krankenhaus Hadamar hatte einweisen lassen und sich bis zu seiner Verhaftung dort aufgehalten und dann bis zu seiner Verurteilung bereits mehr als sechs Monate Untersuchungshaft verbüßt hatte. Schließlich fehlen in den Urteilsgründen auch nähere Angaben dazu, weshalb ein sich an die Maßregel anschließender Strafvollzug den Therapieerfolg vereiteln würde und weshalb eine Dauer des Vorwegvollzugs von gerade drei Jahren erforderlich ist.

3. Angesichts der getroffenen Feststellungen ist auszuschließen, daß eine neue Verhandlung noch Erkenntnisse ergeben könnte, wonach ausnahmsweise beim Angeklagten durch einen (teilweisen) Vorwegvollzug der Strafe der Zweck der Maßregel leichter erreicht würde. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO entscheidet der Senat daher selbst, daß die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe entfällt.

4. Der Senat sieht davon ab, den Angeklagten aus Billigkeitsgründen teilweise von der Belastung mit Kosten und notwendigen Auslagen freizustellen, weil er insgesamt keine Verkürzung der ihm auferlegten Rechtsfolgen erreicht hat (§ 473 Abs. 4 StPO).



Ende der Entscheidung

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