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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: 2 StR 340/01
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 4 Abs. 1 | |
StPO § 269 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
26. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. September 2001 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 16. März 2001 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung unter Einbeziehung einer von dem Landgericht Aschaffenburg am 8. Juni 2000 verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.
I.
Näherer Erörterung bedarf allein die zulässig erhobene Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 16 Satz 2 GVG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend macht. Er meint, wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts seinem gesetzlichen Richter entzogen worden zu sein.
1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage gegen den Angeklagten und einen Mittäter wegen räuberischer Erpressung zu dem Schöffengericht Hanau erhoben. In der Hauptverhandlung erklärte sich das Schöffengericht für sachlich unzuständig, da seine Rechtsfolgenkompetenz überschritten werde, insbesondere weil für den Mitangeklagten eine Maßregel nach § 63 StGB in Betracht komme. Es verwies die Sache daher gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 StPO an das Landgericht Hanau. Zu dem Hauptverhandlungstermin bei dem Landgericht erschienen lediglich der Mitangeklagte nebst Verteidiger sowie der Verteidiger des Angeklagten, nicht aber der Angeklagte selbst. Nachfragen ergaben, daß er den Termin vergessen hatte und nur mit erheblicher Verspätung erscheinen konnte. Die Kammer trennte sodann durch Beschluß das Verfahren gegen den Angeklagten zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung ab. Die wenige Tage später durchgeführte Hauptverhandlung schloß mit dem hier angegriffenen Urteil.
2. Die Rüge ist unbegründet. Es ist nicht zu beanstanden, daß das Landgericht nach Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten die Sache nicht an das Amtsgericht zurückgegeben, sondern selbst entschieden hat.
a) Die Verfahrenstrennung nach Eröffnung des Hauptverfahrens läßt die durch die bindende Verweisung begründete Zuständigkeit des höherrangigen Gerichts nicht entfallen. Entsprechendes gilt, wenn die Zuständigkeit des höheren Gerichts auf einer gemeinsamen Anklage oder Verbindung mehrerer Sachen beruht. Diese bereits in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sowie im Schrifttum vertretene Ansicht (HansOLG Hamburg MDR 1970, 523; OLG Stuttgart NStZ 1995, 248; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 269 Rdn. 5; Schlüchter in SK-StPO § 269 Rdn. 3; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 269 Rdn. 10; Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 209 Rdn. 19; Meyer-Goßner NStZ 1996, 51; Mutzbauer NStZ 1995, 213, 214; Schäfer, Praxis des Strafverfahrens 6. Auflage Rdn. 766) entspricht der gesetzlichen Regelung. Das mit der Sache befaßte höhere Gericht ist durch § 269 StPO gehindert, das abgetrennte Verfahren an das niedrigere Gericht zurückzugeben.
In der Kommentarliteratur wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, bei Verfahrenstrennung nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 4 Abs. 1 StPO) falle die abgetrennte Sache grundsätzlich an das Gericht zurück, das ohne die Verbindung für sie zuständig gewesen wäre (Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 2 Rdn. 50, § 4 Rdn. 9; Rudolphi in SK-StPO § 2 Rdn. 17; Pfeiffer in KK 4. Aufl. § 2 Rdn. 12; Müller in KMR § 269 Rdn. 3; Dästner in AK-StPO § 2 Rdn. 9, § 4 Rdn. 5). Zur Begründung dieser Ansicht wird angeführt, der Gesetzgeber habe, indem er die Trennung nach Eröffnung des Hauptverfahrens ermöglichte, eine Ausnahme zu § 269 StPO geschaffen; bei einer Anwendung des § 269 StPO in diesen Fällen seien die Regelungen der §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 1 StPO als inhaltsleer anzusehen (Wendisch a.a.O. § 2 Rdn. 51). Dieser Argumentation kann sich der Senat aber ebensowenig anschließen wie der - nicht tragenden - Erwägung im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 1969 - 5 StR 682/68 -, nach Trennung des Verfahrens könne das Gebot des gesetzlichen Richters möglicherweise eine Verweisung an das eigentlich zuständige niedrigere Gericht gebieten.
Die §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 1 StPO ermöglichen die Trennung von Verfahren, treffen aber keine Regelung über die danach bestehenden Zuständigkeiten; eine solche läßt sich vielmehr allein aus § 269 StPO herleiten, der das höhere Gericht verpflichtet, die Sache, mit der es nach der Eröffnung des Hauptverfahrens bereits befaßt war, auch zu verhandeln. Angesichts des unterschiedlichen Regelungszwecks der §§ 2, 4 StPO einerseits und des § 269 StPO andererseits kann ein Regel-Ausnahme-Verhältnis daher nicht angenommen werden.
Entscheidend für ein Verbleiben der Sache bei dem höheren Gericht sprechen außerdem die Grundsätze der Prozeßökonomie und Verfahrensbeschleunigung, die letztlich auch der Regelung in § 269 StPO zugrunde liegen: Das höhere Gericht hat sich in der Regel mit dem Gegenstand des Verfahrens bereits vor der Trennung eingehend befaßt und ist mit der Sache vertraut. Dem entspricht auch die in § 47 a JGG für das Jugendstrafverfahren ausdrücklich getroffene Regelung (vgl. Mutzbauer a.a.O. S. 214 f.). Da die Trennung von Verfahren im Ermessen des Gerichts steht und damit von Zufälligkeiten und auch - wie hier- vom Verhalten der Prozeßbeteiligten beeinflußt sein kann, spricht das Gebot des gesetzlichen Richters dagegen, eine durch Abtrennung bewirkte Veränderung der Zuständigkeit anzunehmen (ebenso HansOLG Hamburg MDR 1970, 523, 524; Barton, Die Trennung verbundener Strafsachen gemäß §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 1 und 237 StPO S. 68). Schließlich ergeben sich auch aus dem Umstand, daß dem Angeklagten bei verbleibender Zuständigkeit des höheren Gerichts eine ihm an sich zustehende Tatsacheninstanz genommen wird, keine Bedenken. Denn der Angeklagte ist dadurch, daß er von einem Gericht höherer Ordnung abgeurteilt wird, nicht beschwert; ein Anspruch auf eine zweite Tatsacheninstanz besteht nicht (BVerfGE 9, 223, 230; BGHSt 18, 238, 239).
Einer Rückgabe der Sache an das Amtsgericht steht hier zudem die bindende Wirkung des vorangegangenen Verweisungsbeschlusses nach § 270 StPO entgegen. Das Landgericht war demzufolge im gesamten Umfang der wirksamen Verweisung zur Entscheidung berufen.
b) Ist demnach die Vorgehensweise des Landgerichts verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, so muß der Verfahrensrüge im übrigen auch deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Revision grundsätzlich nicht auf die behauptete Zuständigkeit eines Gerichts niedrigerer Ordnung gestützt werden kann (BGHSt 9, 367, 368; 21, 334, 358; 43, 53, 55; so auch schon RGSt 62, 265, 270). Ein Revisionsgrund kann allenfalls bei Verletzung höherrangiger Rechtsgrundsätze vorliegen, insbesondere dann, wenn der Angeklagte willkürlich seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde (BGH NJW 1993, 1607, 1608; BGHSt 38, 212; 40, 120, 122; 43, 53, 55). An die Annahme von Willkür sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen: Sie kommt nur in Betracht, wenn die unzutreffende Bejahung gerichtlicher Zuständigkeit auf sachfremde oder offensichtlich unhaltbare Erwägungen gestützt wird (BGH NJW 1993, 1607, 1608; BGHSt 43, 53, 55). Das war hier ersichtlich nicht der Fall; insbesondere stellt die Höhe der ausgesprochenen Strafe, die noch innerhalb der Strafgewalt des Amtsgerichts gelegen hätte, kein Indiz für Willkür dar (vgl. BVerfGE 9, 223, 230 f.; BGHSt 42, 205, 214).
II.
Auch im übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Ende der Entscheidung
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