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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.11.1998
Aktenzeichen: 2 StR 350/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und Abs. 4
StPO § 44
StGB § 250
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 21
StGB § 64
StGB § 66
StGB n.F. § 250 Abs. 1 Nr. 1 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 350/98

vom

6. November 1998

in der Strafsache

gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. November 1998 gemäß §§ 44, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 7. Januar 1998 wird dem Angeklagten D. auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 7. Januar 1998 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in sechs Fällen - davon in einem Fall versucht - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei Vorwegvollzug der Strafe sowie Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg, zum Schuldspruch, der nach der Neugestaltung des § 250 StGB durch das 6. StrRG allerdings auf § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. zu stützen ist, erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Das Landgericht hat aufgrund der langjährigen Drogenabhängigkeit in Verbindung mit einer dissozialen Persönlichkeit und einer psychischen Erkrankung des Angeklagten die Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit -rechtsfehlerhaft allerdings auf eine Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gestützt - bejaht, eine Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB aber abgelehnt. Gegen eine Strafmilderung spreche, daß der Angeklagte seit früher Jugend - noch vor seiner seit 1987 bestehenden Drogenabhängigkeit - vergleichbare Straftaten begangen habe. Bis auf wenige Ausnahmen habe er seinen Lebensunterhalt nie auf legalem Wege verdient, sondern diesen immer durch die Begehung von Straftaten bestritten, und zwar unabhängig davon, ob er drogenabhängig gewesen sei oder nicht.

Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden Bedenken.

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte meist nach vorangegangenem Genuß von Betäubungsmitteln (Heroin und Kokain) sechs Banküberfälle begangen, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Danach liegt auf der Hand, daß sich die suchtbedingte Verminderung seiner Schuldfähigkeit gerade darin ausgewirkt hat, den Anreizen zur Begehung dieser Taten, die ihre Wurzeln in seiner Drogenabhängigkeit haben, weniger Widerstand entgegensetzen zu können als ein gesunder Mensch. Eine in der Tat manifestierte erheblich verminderte Schuldfähigkeit verringert aber grundsätzlich deren Schuldgehalt und damit die Strafwürdigkeit der Tat. Zwar kann durch schulderhöhende Momente die Verringerung des Schuldgehalts ausgeglichen werden und deshalb die Anwendung des gemilderten Strafrahmens nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abzulehnen sein. Solche Umstände, die die Schuldseite der konkreten Tat betreffen müssen, lassen sich den Urteilsgründen aber nicht entnehmen. Sie können nicht in der generellen Neigung des Täters zu delinquentem Verhalten gesehen werden (BGH, Urt. v. 12. März 1965 - 4 StR 77/65; BGH StV 1981, 401). Auch die selbstverschuldete Drogensucht als solche mit der Folge, daß der Süchtige trotz Kenntnis von der Wirkungsweise des Rauschgifts nicht von ihm loskommt, stellt - worauf das Landgericht auch nicht abgestellt hat - regelmäßig keinen schulderhöhenden Umstand dar (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 10, 23).

Der aufgezeigte Mangel führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Auch die zugehörigen nicht rechtsmängelfreien Feststellungen können aus den vom Generalbundesanwalt aufgeführten Gründen nicht aufrechterhalten werden. Die Anordnung der Maßregeln nach §§ 64, 66 StGB kann schon wegen der Verknüpfung zwischen Strafe und Maßregeln, im übrigen auch deshalb keinen Bestand haben, weil sich nicht ausschließen läßt, daß die neu zu treffenden Feststellungen auch Erkenntnisse ergeben, die sie beeinflussen können.

Für die neue Entscheidung wird auf folgendes hingewiesen:

1. Nach der hier einschlägigen Tatbestandsalternative des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. beträgt die Mindeststrafe nur noch drei Jahre Freiheitsstrafe. Die von dem Mitangeklagten bei dem Überfall am 22. Mai 1995 mitgeführte Plastikspielzeugpistole wie auch die am 29. Mai 1995 als Drohmittel eingesetzte ungeladene Gaspistole unterfallen nicht der (gegenüber § 250 Abs. 1 StGB a.F. nicht günstigeren) Vorschrift des § 250 Abs. 2 StGB n.F. Das gleiche gilt für den von dem Angeklagten bei allen Überfällen mitgeführten und verwendeten Gasrevolver, bei dem das Gas nicht durch den Lauf nach vorne verschossen werden kann. Als "Waffe" oder "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 1 a und Absatz 2 Nr. 1 StGB n.F. sollen nur Tatmittel erfaßt werden, die - jedenfalls in ihrer konkreten Anwendung - objektiv gefährlich und geeignet sind, erhebliche Verletzungen zu verursachen (BGH, Beschl. v. 17. Juni 1998 - 2 StR 167/98; Urt. v. 1. Juli 1998 - 1 StR 185/98). Diese Voraussetzungen sind bei einer Spielzeugpistole (BGH, Beschl. v. 17. Juni 1998 - 2 StR 209/98), einer ungeladenen Gaspistole (BGH, Beschl. v. 17. Juni 1998 - 2 StR 167/98) und einem Gasrevolver, der so konstruiert ist, daß die Gase nicht nach vorne aus der Revolvermündung austreten können, nicht erfüllt.

2. Die Anordnung eines - auch teilweisen - Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kann zwar im Einzelfall im Rehabilitationsinteresse des Verurteilten zulässig sein. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers soll aber möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Rechtsbrechers begonnen werden. Gerade bei langen Freiheitsstrafen muß es darum gehen, den Angeklagten schon frühzeitig von seinem Hang zu befreien, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung der Vollzugsziele mitarbeiten kann (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 12). Die von der Strafkammer hier für erforderlich gehaltenen therapeutischen Maßnahmen, die erst die Voraussetzungen für eine sinnvolle Therapie im Rahmen des § 64 StGB schaffen sollen, werden am ehesten in einer Entziehungsanstalt selbst, bei der Erfahrungen in der Behandlung mit psychisch kranken oder auffälligen Drogenabhängigen vorausgesetzt werden können, zu erlangen sein.



Ende der Entscheidung

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