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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.09.1999
Aktenzeichen: 2 StR 369/99
Rechtsgebiete: StPO, BtMG, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
BtMG § 30 a Abs. 2 Nr. 2
BtMG § 31
BtMG § 30 a Abs. 3
BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2
StGB § 49 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 369/99

vom

8. September 1999

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. September 1999 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 8. Februar 1999 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß im Tenor die Worte "unter Mitführen einer Schußwaffe oder sonstiger Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind", entfallen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schußwaffe oder sonstiger Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind", zu einer Einzelstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie zusammen mit Einzelstrafen wegen weiterer Betäubungsmitteldelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügt, führt zu der aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Schuldspruchänderung; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Beweiswürdigung, daß der bei der Tat selbst unbewaffnete Angeklagte die Bewaffnung des Mittäters T. kannte, begegnet rechtlichen Bedenken.

Der Angeklagte hat ein weitreichendes Geständnis abgelegt, Kenntnis von der Bewaffnung des Mittäters T. aber abgestritten. Der Tatrichter hat zur Begründung der Annahme des diesbezüglichen Wissens des Angeklagten sich auf zwei Überlegungen gestützt:

Zum einen lege schon eine lebensnahe Betrachtungsweise die Vermutung nahe, daß ein Geschäft solcher Größenordnung, wo es um 1 kg Heroin für einen Verkaufspreis von 45.000 DM gehe, in den einschlägigen Kreisen nicht unbewaffnet durchgeführt wird. Zum anderen habe der Angeklagte Tage vor der Tat gegenüber VP 1 gesagt, er und seine Leute seien bewaffnet, wenn man ein Geschäft machen würde.

Das erste Argument des Tatrichters ist nicht tragfähig. Auf eine bloße Vermutung kann die Beweiswürdigung nicht gestützt werden. Ein Erfahrungssatz, daß mit 1 kg Heroin in einschlägigen Kreisen nicht unbewaffnet Handel getrieben wird, besteht nicht.

Erfahrungssätze sind die aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnisse gewonnene Regeln, die keine Ausnahme zulassen und eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zum Inhalt haben (vgl. u.a. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 337 Rdn. 31 m.w.N.). Eine derartige Regel bezüglich einer Bewaffnung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gibt es nicht. Es ist rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter von einem nicht bestehenden Erfahrungssatz ausgeht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. m.w.N.). Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen, daß der Tatrichter zu einem anderen Ergebnis bezüglich der Kenntnis des Angeklagten gekommen wäre, wenn er seiner Überzeugungsbildung nur eines seiner beiden Argumente zugrunde gelegt hätte.

Von einer Zurückverweisung der Sache hat der Senat abgesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob in einer neuen Hauptverhandlung rechtsfehlerfrei eine entsprechende Kenntnis des Angeklagten hätte festgestellt werden können. Eine Zurückverweisung verbietet sich im vorliegenden Fall schon aus prozeßökonomischen Gründen. Der Strafausspruch hat hier nämlich auch ohne die Bejahung der Voraussetzungen des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG Bestand. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, daß der Tatrichter bei dem Angeklagten wegen dessen umfangreicher Aufklärungshilfe die Voraussetzungen des § 31 BtMG festgestellt hat. Das Landgericht ist - nach rechtsfehlerfreier Verneinung eines minder schweren Falles gemäß § 30 a Abs. 3 BtMG - unter Anwendung des § 31 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB von einem Strafrahmen von einem Monat bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Dieser Strafrahmen entspricht dem gemäß § 31 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, den der Angeklagte jedenfalls verwirklicht hat.

Im Hinblick darauf, daß die beiden Strafrahmen identisch sind und der Tatrichter bei der Strafzumessung nicht auf die Bewaffnung abgestellt hat, schließt der Senat aus, daß bei Verneinung der Kenntnis des Angeklagten von der Bewaffnung eine mildere Einzelstrafe verhängt worden wäre. Die rechtsfehlerfrei bemessene Gesamtstrafe bleibt danach ebenfalls bestehen.

Ende der Entscheidung

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