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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.04.2004
Aktenzeichen: 2 StR 39/04
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 265 Abs. 1 | |
StPO § 265 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 14. April 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. April 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 4. September 2003 - soweit es den Angeklagten F. betrifft - im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in sieben Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der gesamte Strafausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht den am zweiten Hauptverhandlungstag zugesagten Strafrahmen für die Gesamtfreiheitsstrafe überschritten hat, ohne den Angeklagten zuvor ausdrücklich hierauf hinzuweisen.
1. a) Der Vorsitzende der Strafkammer führte - nach Vorberatung der Kammer - vor Beginn des zweiten Hauptverhandlungstags ein Gespräch mit dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern, in dem er auf der Grundlage einer vorläufigen Beurteilung des ersten Verhandlungstags mitteilte, wie der Sachverhalt möglicherweise beurteilt werden könnte. Er teilte mit, daß die Kammer von minder schweren Fällen ausgehen werde, wenn sie von Geständnissen der Angeklagten ausgehen könne. Für diesen Fall müßte der Angeklagte F. mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten bis zu fünf Jahren rechnen. Der Staatsanwalt erklärte, daß er einer entsprechenden Entscheidung der Kammer nicht entgegentreten werde. Die Verteidiger hatten sodann Gelegenheit, die Sachlage mit ihren Mandanten zu erörtern. Im Anschluß daran teilten sie dem Vorsitzenden mit, daß sie einem entsprechenden Abschluß des Verfahrens zustimmen würden.
Dies teilte der Vorsitzende zu Beginn des zweiten Verhandlungstags in der Hauptverhandlung mit. Die genannten Vorgänge wurden in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen.
b) Der Angeklagte hielt in der Folge an seiner bereits im Ermittlungsverfahren und am ersten Verhandlungstag abgegebenen Einlassung fest, er habe die sieben Überfälle auf Tankstellen allein aufgrund massiver Drohungen des Mitangeklagten begangen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist die Kammer dagegen von einer gleichwertigen Mittäterschaft des Angeklagten ausgegangen. Ohne einen entsprechenden Hinweis zu protokollieren, hat die Kammer den Angeklagten zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt und damit den zuvor in Aussicht gestellten Strafrahmen überschritten.
2. Dieses Vorgehen verstieß gegen das Gebot fairer Verfahrensführung. Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit das Vorgehen der Strafkammer den Anforderungen entsprach, die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die verbindliche Verständigung im Strafverfahren gestellt werden (vgl. hierzu BGHSt 43, 195 ff.). Jedenfalls hat die Strafkammer durch die in der öffentlichen Hauptverhandlung protokollierte Angabe eines Strafrahmens mit einer Obergrenze von fünf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe bei Ablegen eines Geständnisses für den Angeklagten einen Vertrauenstatbestand geschaffen. An die gegebene Strafobergrenze war das Landgericht zwar nicht gebunden, wenn es - wie hier - aufgrund des Ergebnisses der weiteren Beweisaufnahme zu der Auffassung gelangte, daß die Einlassung des Angeklagten den Anforderungen an ein glaubhaftes Geständnis nicht genügte. Will das Gericht aber unter diesen Umständen die mitgeteilte Strafobergrenze überschreiten, ist es zu einem ausdrücklichen Hinweis an den Angeklagten verpflichtet (BGHSt 36, 210, 212; 38, 102, 105; 42, 46, 49; BGH NStZ 2002, 219 f.; NJW 2003, 1404). Wie die zuvor getroffene Absprache war dieser Hinweis - entsprechend § 265 Abs. 1 und 2 StPO - protokollierungspflichtig (vgl. BGHSt 43, 195, 206, 210; BGH NJW 2003, 1404 jeweils m.w.N.). Ein solcher protokollierter Hinweis ist jedoch nicht erteilt worden.
Die vom Landgericht geschaffene Vertrauensgrundlage ist auch nicht durch die Fortsetzung der Beweisaufnahme entfallen, weil das Gericht auch bei einem aufgrund einer Verständigung abgelegten Geständnis verpflichtet bleibt, dieses auf seine Richtigkeit zu überprüfen (vgl. BGH NJW 2003, 1404 m.w.N.). Die dienstlichen Erklärungen der Berufsrichter und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft können ein Entfallen des für den Angeklagten entstandenen Vertrauenstatbestands ebenfalls nicht rechtfertigen. Danach hatte der Angeklagte zwar möglicherweise Anlaß zu besorgen, daß das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung nicht seiner Einlassung folgen werde; es steht aber nicht fest, daß der Angeklagte zusätzlich die Auffassung der Kammer erkannte, deshalb an die genannte Strafobergrenze nicht mehr gebunden zu sein.
3. Ein Beruhen des Schuldspruchs auf diesem Verfahrensfehler schließt der Senat aus, weil sich der Angeklagte insoweit nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Dies gilt auch, soweit die Verfahrensbeteiligten auf die Vernehmung der Zeugin H. verzichtet haben, weil deren Angaben, wovon auch die Revision ausgeht, lediglich für die Gewichtung der Tatbeiträge der beiden Angeklagten von Bedeutung hätten sein können. In bezug auf den Strafausspruch ist hingegen nicht auszuschließen, daß der Angeklagte nach Erteilung eines entsprechenden Hinweises seine Verteidigung geändert, insbesondere sein Geständnis erweitert hätte, und daß sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtfreiheitsstrafe niedriger bemessen worden wären.
Ende der Entscheidung
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