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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 2 StR 509/00
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 349 Abs. 2 | |
StGB § 267 Abs. 3 Nr. 1 | |
StGB § 263 Abs. 3 | |
StGB § 243 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
28. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 28. Februar 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28. August 2000 im Strafausspruch aufgehoben.
In der Urteilsformel entfällt vor "Betrugs" der Zusatz "gewerbsmäßigen".
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das weitergehende Rechtsmittel wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Betreibens einer Abfallsortieranlage, wegen "gewerbsmäßigen" Betrugs in 122 Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen Urkundenfälschung in 16 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs und zu einer Korrektur des Schuldspruchs, im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Angeklagte führte ein Unternehmen, das u.a. einen Containerdienst betrieb und unerlaubt Abfälle sortierte. In den Betrugsfällen wurde auf Veranlassung der Angeklagten bei den Deponien, auf denen der Restmüll entsorgt wurde, kreisfremder als kreiseigener Restmüll angeliefert, so daß für die Entsorgung pro Tonne statt 480 DM nur 320 DM berechnet wurden. Zu diesem Zweck wurden in fünf Fällen zugleich Deponierungsaufträge von Abfallerzeugern aus dem Landkreis ge- oder verfälscht. Auch wurden den Kunden der Angeklagten zu hohe Entsorgungskosten in Rechnung gestellt. In 16 weiteren Fällen wurden für die Abrechnung gegenüber den Auftraggebern Wiegescheine verfälscht.
Der Strafausspruch hält der sachlich-rechtlichen Prüfung insgesamt nicht stand.
Das Landgericht hat alle Betrugstaten und Urkundenfälschungen als besonders schwere Fälle gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 1 und § 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB in der ab 1. April 1998 geltenden Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes gewertet und die Betrugstaten als gewerbsmäßig bezeichnet, obwohl alle Taten vor dem 1. April 1998 begangen wurden. Das Landgericht meint zwar, die neue Gesetzesfassung sei für die Angeklagte milder als das Tatzeitrecht (§ 2 Abs. 3 StGB), weil die Mindeststrafe für besonders schwere Fälle des Betrugs und der Urkundenfälschung von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe herabgesetzt worden sei. Diese Überlegung des Landgerichts ist aber unvollständig und deshalb rechtsfehlerhaft.
Bei der Prüfung, ob das neue Recht milder ist als das Tatzeitrecht, hätte das Landgericht zunächst erörtern müssen, ob nach dem früheren Recht überhaupt - nicht benannte - besonders schwere Fälle im Sinne der §§ 263 Abs. 3, 267 Abs. 3 StGB aF vorliegen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Annahme besonders schwerer Fälle des Betrugs und der Urkundenfälschung liegt bei Anwendung des Tatzeitrechts fern, für die Betrugstaten ist die Annahme besonders schwerer Fälle zudem in zahlreichen Fällen von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Gemäß § 263 Abs. 4 i.V.m. § 243 Abs. 2 StGB war und ist ein besonders schwerer Fall des Betrugs ausgeschlossen, wenn durch die Tat lediglich ein geringer Schaden verursacht wurde. Als gering angesehen werden Schäden bis etwa 50 DM (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 248 a Rdn. 10; Fischer in Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 248 a Rdn. 3). Das Landgericht hat die Schadensbeträge für viele Einzeltaten nicht gesondert mitgeteilt, sondern bei gleichartiger Tatbegehung in einem Betrag zusammengefaßt (Fälle 3 bis 23: 1.600 DM, Fälle 24 bis 62: 3.100 DM, Fälle 63 bis 77: 1.300 DM, Fälle 78 bis 86: 500 DM, Fälle 87 bis 89: 150 DM). Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß der dem Landkreis entstandene Abrechnungsschaden, der sich aus den im Urteil mitgeteilten Abfallmengen und der Preisdifferenz ergibt, oftmals unter 50 DM oder nur wenig darüber liegt. In diesen Fällen kommt ein besonders schwerer Fall daher von vornherein nicht in Betracht. Auch in den übrigen Fällen sind durchweg keine hohen Schäden entstanden. Der mit Abstand höchste Einzelschaden wurde im Fall 111 mit 1.000 DM verursacht. Das Landgericht weist selbst zu Gunsten der Angeklagten darauf hin, daß "trotz der Vielzahl der Betrugsfälle insgesamt lediglich ein relativ geringer Schaden in Höhe von ca. DM 15.000 entstanden ist". Zudem werden zahlreiche weitere Umstände zu Gunsten der Angeklagten angeführt. Ihnen gegenüber sind die straferschwerenden Umstände, insbesondere die gewerbsmäßige Tatbegehung, nicht so gewichtig, daß dies die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens rechtfertigen könnte.
Die Bezeichnung der Betrugstaten als gewerbsmäßig in der Urteilsformel muß schon deshalb entfallen, weil das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle nicht in die Urteilsformel gehört.
Auch für die 16 Fälle der Urkundenfälschung, für die eine Schadensfolge nicht festgestellt ist, rechtfertigt das gesamte Tatbild unter Berücksichtigung aller tat- und täterbezogenen Umstände nicht die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens für besonders schwere Fälle.
Es liegt nahe, daß sich die rechtsfehlerhafte Wahl des Strafrahmens bei der Bemessung der festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat.
Die Einsatzstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe für das unerlaubte Betreiben einer Abfallsortieranlage kann ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil sich unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen läßt, daß sich die Wertungsfehler bei den übrigen Einzelstrafen zum Nachteil der Angeklagten auch auf diese Strafe ausgewirkt haben.
Mit der Aufhebung der Einzelstrafen entfällt die Grundlage für die Gesamtfreiheitsstrafe.
Die bisherigen Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben, weil die Aufhebung des Strafausspruchs auf Wertungsfehlern beruht. Ergänzende Feststellungen zur Strafzumessung sind zulässig.
Ende der Entscheidung
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