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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: 2 StR 519/02
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 176 Abs. 1
StGB § 184 Abs. 3 Nr. 3
StGB § 184 Abs. 4
StGB § 184 Abs. 3 Nr. 1
StGB § 184 Abs. 3 Nr. 2
StGB § 184 Abs. 3 Nr. 3
StGB § 176 Abs. 3 Nr. 2
StGB § 184 Abs. 4
StGB § 176 a Abs. 2
StGB § 176 Abs. 2
StGB § 176 Abs. 3
StGB § 176 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 519/02

vom 29. Januar 2003

in der Strafsache

gegen

wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. Januar 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 12. September 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen II, 2 a) und 3 g) verurteilt wurde, sowie im Ausspruch über die ihn betreffende Gesamtfreiheitsstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Das weitergehende Rechtsmittel wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 16 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften, und wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Schuldspruch im Fall II, 2 a) hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts fotografierte der Angeklagte ein neunjähriges Mädchen mit seiner Digital-Kamera mindestens 30-mal nackt, so daß das Geschlechtsteil zu sehen war. Er forderte das Kind auf, seine Beine zu spreizen und seine Schamlippen auseinanderzuziehen. Wie das Kind dies tun sollte, demonstrierte ihm der Angeklagte durch Berühren des Geschlechtsteils des Kindes. Dieses Verhalten hat das Landgericht als sexuellen Mißbrauch eines Kindes in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften (§ 176 Abs. 1, 184 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 StGB) gewertet (UA S. 7). Die bisherigen Feststellungen belegen zwar den sexuellen Mißbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB, nicht aber die Tatbestandsmerkmale des § 184 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 StGB. Das Landgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Angeklagte die Fotos hergestellt hat, um sie oder die daraus gewonnenen Mehrfertigungen im Sinne von § 184 Abs. 3 Nr. 1 und 2 StGB zu verbreiten oder sonst öffentlich zugänglich zu machen (zum Verbreiten im Internet vgl. BGHSt 47, 55). Diese Absicht gehört aber zu den Tatbestandsmerkmalen der Qualifikation des § 184 Abs. 3 Nr. 3 StGB und damit auch des Absatzes 4 dieser Vorschrift. Ebensowenig belegen die bisherigen Feststellungen, daß der Angeklagte im Sinne von § 184 Abs. 4 StGB gewerbsmäßig gehandelt hat. Es ist nicht auszuschließen, daß in einer neuen Hauptverhandlung hierzu noch weitere Feststellungen getroffen werden können.

Der Schuldspruch im Fall II, 3 g) kann ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil er den Unrechtsgehalt der Tat nicht zutreffend und vollständig erfaßt. Der Angeklagte fertigte auch in diesem Fall Nacktaufnahmen von einem neunjährigen Kind, das auf Weisung des Angeklagten sexuelle Handlungen an sich vornahm. Allerdings kam es hier nicht zu einem Körperkontakt zwischen dem Angeklagten und dem Kind. Der Angeklagte hatte hier die Absicht, diese Aufnahmen im Internet zu vermarkten, wozu es jedoch nicht kam (UA S. 6). Mangels Körperkontakts liegt entgegen der Wertung des Landgerichts somit kein sexueller Mißbrauch eines Kindes im Sinn von § 176 Abs. 1 StGB vor, sondern ein solcher gemäß § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB, der einen geringeren Strafrahmen vorsieht. Auch gilt für diesen Fall nicht die Vorschrift in alter Fassung (so aber das Landgericht UA S. 7), sondern in der zur Tatzeit im Sommer 1998 geltenden Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes. Rechtsfehlerhaft nicht in den Schuldspruch einbezogen hat das Landgericht, daß der Angeklagte mit den Fotos pornographische Schriften, die den sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, hergestellt hat, um sie zu verbreiten oder sonst öffentlich zugänglich zu machen. Damit hat er sich tateinheitlich auch wegen Verbreitung pornographischer Schriften nach § 184 Abs. 3 Nr. 3 StGB strafbar gemacht. Diese Vorschrift stellt bestimmte Vorbereitungshandlungen zu den Verbreitungstaten nach § 184 Abs. 3 Nr. 1 und 2 StGB unter Strafe (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 184 Rdn. 59; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 184 Rdn. 46). Das Aufnehmen der pornographischen Fotos bildet hier die tatbestandsmäßige Handlung verbunden mit der Absicht, die aufgenommenen Fotos im Sinne von § 184 Abs. 3 Nr. 1 und 2 zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen. Der Tatbestand des § 184 Abs. 3 Nr. 3 erfordert nicht, daß diese Absicht bereits verwirklicht wurde. Die bisherigen Feststellungen legen zudem die Annahme nahe, daß der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt und somit auch die Qualifikation des § 184 Abs. 4 StGB erfüllt hat. Ob dies der Fall ist, läßt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen aber nicht abschließend beurteilen, so daß eine Schuldspruchänderung im Revisionsverfahren ausscheidet. Eine Entscheidung hierüber muß vielmehr einem neuen Tatrichter überlassen bleiben.

Bei der Beurteilung der Fälle II, 2 a) und 3 g) wird auch zu berücksichtigen sein, daß sich nach § 176 a Abs. 2 StGB eines Verbrechens des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern schuldig macht, wer in den Fällen des § 176 Abs. 1 bis 4 StGB in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift zu machen, die nach § 184 Abs. 3 oder 4 StGB verbreitet werden soll. Für die Bemessung der neuen Einzelstrafen gilt jedoch das Verschlechterungsverbot, da nur der Angeklagte Revision eingelegt hat.

Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II, 2 a) und 3 g) hat auch die Aufhebung der zugehörigen Einzelfreiheitsstrafen sowie der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.



Ende der Entscheidung

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