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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.03.2008
Aktenzeichen: 2 StR 549/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 357 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 549/07

vom 12. März 2008

in der Strafsache

gegen

1.

2.

3.

4.

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 12. März 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ö. und K. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 2007

a) hinsichtlich des Angeklagten K. im Schuldspruch dahin geändert, dass er der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen schuldig ist,

b) hinsichtlich des Angeklagten Ö. im Ausspruch über den Verfall mit den zugehörigen Feststellungen sowie hinsichtlich aller Angeklagten im Ausspruch über die Einziehung jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten Ö. und K. werden verworfen.

Gründe:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten Ö. wegen unerlaubten Einführens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten K. hat es wegen unerlaubten Einführens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.

Die nicht revidierenden Angeklagten Öz. und T. hat das Landgericht jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren bzw. zwei Jahren verurteilt.

Darüber hinaus hat das Landgericht "das sichergestellte Rauschgift jeweils mit Verpackungsmaterial" eingezogen sowie gegen den Angeklagten Ö. den Verfall von sichergestelltem Bargeld in Höhe von 50.000 € und einer Herrenarmbanduhr angeordnet.

Die Revisionen der Angeklagten Ö. und K. haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 27. November 2007 ausgeführten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2. Hinsichtlich des Angeklagten K. hält die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Urteilsfällen 5 und 6 (= Anklagepunkte 39, 40) rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Tätigkeit eines Kuriers, die sich - wie hier - in dem Transport des Rauschgifts erschöpft, ist als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu werten (vgl. BGHSt 51, 219). Das Landgericht hat keine Feststellungen getroffen, die eine über die Beförderung der Drogen hinausgehende Tätigkeit oder einen weitergehenden Einfluss des Angeklagten auf das Gesamtgeschäft erkennen ließen. Der Senat hat, da weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind, den Schuldspruch insoweit geändert.

3. Die Revision des Angeklagten Ö. hat hinsichtlich der Anordnung des erweiterten Verfalls mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

Im Rahmen des Schlussvortrags stellte der Verteidiger des Angeklagten zwei Hilfsbeweisanträge auf Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten sowie ihrer Cousine jeweils zum Beweis der Tatsache, dass das in einem Schließfach der F. Sparkasse sichergestellte und für verfallen erklärte Bargeld in Höhe von 58.500 € sowie die ebenfalls sichergestellte und für verfallen erklärte Herrenarmbanduhr nicht dem Angeklagten, sondern seiner Ehefrau gehörten. Anlässlich ihrer Hochzeit mit dem Angeklagten seien der Zeugin insgesamt 22.500 € Bargeld sowie Schmuckstücke geschenkt worden, die sie später für 12.000 € verkauft habe. Dieses Geld habe sie im Schließfach ihrer Cousine aufbewahrt, um einen Zugriff des Angeklagten zu verhindern. Dieser sei nicht berechtigt gewesen, das Schließfach zu öffnen, und habe dies auch nicht getan. Die Herrenarmbanduhr habe die Ehefrau des Angeklagten ebenfalls von ihrer Familie zur Hochzeit geschenkt bekommen.

Das Landgericht hat die Hilfsbeweisanträge im Urteil mit der Begründung abgelehnt, es habe sich um ins Blaue hinein gemachte, nicht nachvollziehbare Behauptungen gehandelt. Es gebe keinen Grund, einen so hohen Bargeldbetrag in einem Schließfach aufzubewahren, wenn er, auch unter Berücksichtigung eines hohen Zinsniveaus in der Türkei, habe verzinslich angelegt werden können. Die Umstände legten es vielmehr nahe, dass das Geld aus Drogengeschäften des Angeklagten stamme und allein aus Tarnungsgründen in einem Schließfach der Ehefrau für weitere Geschäfte bereitgehalten werde. Weiterhin sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Herrenarmbanduhr ein Geschenk an die Ehefrau des Angeklagten gewesen sein solle.

Die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar muss einem Beweisbegehren nicht oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl. BGH NStZ 2003, 497; StV 2002, 233 m.w.N.). Die Frage, ob ein Beweisantrag nur zum Schein gestellt ist, ist aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht infrage gestellten Tatsachen zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 1989, 334; 2003, 497). Von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Beweisbehauptung kann aber nicht schon dann gesprochen werden, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher gelegen hätten. Hier lagen die Voraussetzungen aufs Geratewohl oder nur zum Schein gestellter Beweisanträge offensichtlich nicht vor. Weder ist die Schenkung hoher Bargeldbeträge oder einer Herrenarmbanduhr an die Braut im Rahmen einer türkischen Hochzeitsfeier außergewöhnlich, noch erscheint es fern liegend, dass ein hoher Bargeldbetrag in einem Bankschließfach verwahrt und nicht verzinslich angelegt wird.

Da auch ein anderer Grund für eine Ablehnung der Hilfsbeweisanträge nicht in Betracht kommt, musste das Landgericht die angebotenen Beweise erheben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil, soweit der erweiterte Verfall angeordnet worden ist, auf der rechtsfehlerhaft unterlassenen Beweiserhebung beruht.

4. Die Einziehungsanordnung kann keinen Bestand haben, da sie inhaltlich zu unbestimmt ist und auch mit Hilfe der Urteilsgründe nicht näher konkretisiert werden kann. Die einzuziehenden Gegenstände sind in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. BGHR StGB § 74 Abs. 1 Urteilsformel 1; Fischer, StGB, 55. Aufl., § 74 Rdn. 4 m.w.N.). Das ist hier nicht geschehen.

Gemäß § 357 Satz 1 StPO war die Aufhebung der Einziehungsanordnung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten Öz. und T. zu erstrecken.

Ende der Entscheidung

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