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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.06.2006
Aktenzeichen: 2 StR 57/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StGB § 263 Abs. 1
StGB § 298
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 57/06

vom 21. Juni 2006

in der Strafsache

gegen

wegen Betrugs u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 5. September 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue in 16 Fällen, in einem Fall tateinheitlich mit wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte von Mai 1997 bis Juni 2000 als Bauleiter für Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten bei der Geschädigten, einer Wohnungsbaugesellschaft, in Bad Kreuznach beschäftigt. Dort war er für die Vorbereitung und Überwachung von Sanierungsarbeiten an den Objekten seiner Arbeitgeberin zuständig. In diesem Rahmen oblag ihm auch die Prüfung der Rechnungen auf deren sachliche wie rechnerische Richtigkeit, ohne dass er hierbei durch Vorgesetzte wirksam überwacht worden wäre. Nach Anbringen des Prüfvermerks durch den Angeklagten wurde die Bezahlung der Rechnungen durch Mitarbeiter der Buchhaltung der Geschädigten veranlasst.

Spätestens im September 1997 kamen der Angeklagte und der gesondert verfolgte S. , Inhaber eines Verputzerunternehmens, überein, zum Nachteil der Geschädigten zusammen zu wirken. Der Angeklagte sollte S. bei der Erlangung von Aufträgen der Geschädigten unterstützen und überhöhte Rechnungen oder Rechnungen über nicht erbrachte Leistungen als sachlich und rechnerisch richtig abzeichnen. Der dadurch erlangte Mehrerlös sollte zwischen den beiden geteilt werden. Der Angeklagte verfuhr bei insgesamt acht Bauvorhaben in der beschriebenen Weise. Die Geschädigte leistete daraufhin insgesamt 109.635,55 DM (brutto) zuviel an S. . Eine entsprechende Vereinbarung traf der Angeklagte auch mit dem Zeugen Sp. , der für ein Gerüstbauunternehmen tätig war. Hier kam es in weiteren acht Fällen zu überhöhten Zahlungen der Geschädigten im Gesamtbetrag von 35.679,94 DM (brutto). Jeweils die Hälfte des unberechtigt berechneten und bezahlten Betrages wurde von S. und Sp. an den Angeklagten in bar ausgezahlt.

Die Strafkammer hat diese Fälle jeweils als Betrug in Tateinheit mit Untreue zum Nachteil der Geschädigten gewertet. Im ersten Fall (Bauvorhaben D. ) hat sie zudem § 298 StGB als verletzt angesehen. Die Geschädigte hatte dieses Bauvorhaben ausgeschrieben, woraufhin drei Mitbewerber des S. Angebote einreichten. Der Angeklagte machte sie S. vor Ablauf des Ausschreibungsschlusses zugänglich - mit Vorschlägen, wie ein von S. abzugebendes günstigstes Angebot auszusehen habe. S. gab daraufhin ein entsprechend angepasstes niedrigstes Angebot gegenüber der Geschädigten ab und erhielt den Auftrag, bei dessen Abrechnung er sodann in der genannten Weise überhöhte Beträge in Rechnung stellte.

Die Strafkammer hat ausdrücklich strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte sich des Betrugs und der Untreue in Tateinheit und in Fall 1 zudem eines Verstoßes gegen § 298 StGB schuldig gemacht habe.

II.

1. Die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand, weil die Feststellungen in keinem der 16 Fälle eine Verurteilung wegen Betrugs tragen.

Der Tatbestand des Betrugs setzt voraus, dass die Vermögensverfügung durch einen Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist. Die Urteilsgründe müssen daher darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche irrigen Vorstellungen er dabei hatte (BGH NJW 2003, 1198, 1199). Das ist in den Gründen des angefochtenen Urteils nicht geschehen. In der rechtlichen Würdigung (UA S. 154) heißt es lediglich, dass der Angeklagte durch seinen Prüfvermerk "bei der Buchhaltung und sämtlichen für die Anweisung der Rechnungen zuständigen Mitarbeitern der G. den Anschein von korrekten und durch ihn sorgfältig geprüften Rechnungen erregt" habe. Nach den Feststellungen UA S. 5 oblag aber allein dem Angeklagten die Prüfung der Rechnungen auf sachliche wie rechnerische Richtigkeit sowie die Prüfung der Anrechnung von Abschlagszahlungen; eine Kontrolle fand insoweit nicht statt (vgl. auch UA S. 149). Dass Beschäftigte der Buchhaltung die Möglichkeit oder Verpflichtung hatten, über die rein "mechanische" Anweisung der vom Angeklagten geprüften Rechnungen hinaus Überlegungen hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen anzustellen und daher einem Irrtum im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB unterlagen, zeigt die Strafkammer nicht auf.

2. Auch die Verurteilung wegen einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache (§ 298 StGB) im Fall 1 begegnet rechtlichen Bedenken. Eine "rechtswidrige Absprache" im Sinne dieser Vorschrift liegt nur bei kartellrechtswidrigen Absprachen miteinander im Wettbewerb stehender Unternehmen vor (vgl. BGHSt 49, 201 ff.). Der Angeklagte stand aber auf Seiten der Ausschreibungsveranstalterin; dies reicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aus.

3. Schließlich ist auch die Beweiswürdigung nicht frei von Rechtfehlern. Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat auf Grund der Sachrüge aber zu prüfen, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2 und Überzeugungsbildung 33). Hier ist die Beweiswürdigung der Strafkammer hinsichtlich der Aussage des Hauptbelastungszeugen Sp. , auf dessen Angaben sich die Verurteilung in erster Linie stützt, teilweise widersprüchlich und lückenhaft. So heißt es auf UA S. 125, dass der Zeuge Sp. ausgesagt habe, der Angeklagte habe insgesamt in den Jahren 1997-2000 jeweils mindestens 40.000 DM von ihm bekommen. Das ist nicht in Einklang zu bringen mit der gleichfalls als glaubhaft angesehenen Aussage des Zeugen Si. , wonach Sp. ihm gegenüber Provisionszahlungen in Höhe von insgesamt 30.000 € an den Angeklagten bestätigt habe (UA S. 145). Es besteht auch ein unaufgeklärter Widerspruch zu der im Urteil festgestellten Schadenssumme von rund 36.000 DM für den gesamten Tatzeitraum in den Fällen 10-17 (Zusammenwirken mit Sp. ), von der der Angeklagte nach den Feststellungen der Strafkammer nur die Hälfte bekommen hat. Ähnliches gilt für die Aussage des Zeugen Sp. , der gesondert Verfolgte S. habe ihm gegenüber offenbart, dass der Angeklagte "über die Jahre" ca. 100.000 DM von ihm - S. - erhalten habe (UA S. 125). Auf UA S. 128 heißt es indes, dass Sp. ausgesagt habe, S. habe ihm "nie exakte Summen genannt; er, Sp. , gehe nach den Erzählungen von S. von Provisionen in einer Größenordnung von bis zu 100.000 DM pro Jahr aus". Angesichts der Einschätzung der Kammer, dass es sich beim Zeugen Sp. um eine "schillernde Persönlichkeit" und einen "Selbstdarsteller" handelt, hätte es einer Auseinandersetzung mit diesen Widersprüchen bedurft.

Zudem lässt das Urteil nicht erkennen, wie die Strafkammer angesichts solcher stark divergierender Zahlen zur Feststellung der genauen Schadenssummen und damit zur Feststellung des Schuldumfangs gelangen konnte. Einer solchen Darlegung hätte es auch deswegen bedurft, weil die Berechnungen des Sachverständigen nicht näher dargestellt werden und die Feststellungen zur Schadenshöhe zum Teil in Widerspruch zu den Angaben in den in das Urteil hineinkopierten Tagelohnzetteln stehen. So reicht für die Strafbarkeit wegen Betrugs oder Untreue im Fall 5 nicht, dass (wie die Strafkammer lediglich feststellt) für die Arbeiten nur 120 Arbeitsstunden notwendig gewesen seien und sich daraus eine Rechnungsüberhöhung von 164 Arbeitsstunden ergebe. Hier bedürfte es der Feststellung, dass tatsächlich nur 120 Arbeitsstunden aufgewandt wurden. Im Übrigen lassen sich die genannten Stundenzahlen auch nicht aus den in das Urteil hineinkopierten Tagelohnzetteln nachvollziehen. Gleiches gilt u. a. für Fall 8 (Bauvorhaben B. 2-6).

4. Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung und Schadensfeststellung auf eine niedrigere Strafe erkannt oder bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit des Zeugen Sp. insgesamt anders beurteilt oder jedenfalls Feststellungen zu Einzelfällen anders getroffen hätte.

III.

Der Senat weist ergänzend auf Folgendes hin:

1. Die Behandlung einer Reihe von Anträgen des Angeklagten, mit denen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Sp. erschüttert werden sollte, begegnet rechtlichen Bedenken. Die jeweilige Ablehnung "wegen Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen" wird den Begründungsanforderungen, die an die Ablehnung von Beweisanträgen zu stellen sind (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12 und 14), nicht gerecht, da sie nicht mehr als den Gesetzestext wiedergibt und die Erwägungen des Tatrichters auch nicht auf der Hand liegen. Aus den Ablehnungsbeschlüssen wird auch nicht erkennbar, ob die Strafkammer die Vielzahl möglicher unwahrer Angaben des Zeugen Sp. und deren mögliche Auswirkungen auf seine Glaubwürdigkeit im Wege einer Gesamtwürdigung in ihre Überlegungen einbezogen hat. Würde eine Mehrzahl unter Beweis gestellter Tatsachen gegen die Glaubwürdigkeit eines Zeugen sprechen, so bedarf es einer über die einzelne Beweistatsache hinausgehende Gesamtwürdigung, warum die zu beweisende Tatsache das Gericht auch im Falle ihres Nachweises unbeeinflusst gelassen hätte (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 11).

2. Sofern die Strafkammer meint, bestimmte Arbeiten hätten nicht abgerechnet werden dürfen, weil sie von Einheitspreisen unter Anwendung der VOB/C abgedeckt gewesen seien, hätte es der Feststellung bedurft, ob überhaupt die Geltung der VOB/C zwischen den Vertragsparteien vereinbart war und welche Arbeiten ausgeschrieben waren.

Ende der Entscheidung

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