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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.08.2005
Aktenzeichen: 2 StR 6/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 338 Nr. 3 | |
StPO § 24 | |
StPO § 354 Abs. 1 b | |
StPO § 460 | |
StPO § 462 | |
StGB n.F. § 263 Abs. 3 Nr. 1 | |
StGB a.F. § 263 Abs. 3 | |
StGB § 46 Abs. 3 | |
StGB § 263 Abs. 3 Nr. 1 | |
StGB § 54 Abs. 1 Satz 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 17. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. August 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. Dezember 2003 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in 18 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Ergänzend ist lediglich zu bemerken:
1. Die Rüge Nr. 7 gemäß § 338 Nr. 3 i.V.m. § 24 StPO, der Befangenheitsantrag vom 7. November 2002 gegen sämtliche Mitglieder des erkennenden Gerichts sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, ist zwar zulässig erhoben worden, die Rüge ist jedoch unbegründet, weil das Ablehnungsvorbringen nicht erwiesen ist. Die Behauptung der Revision, die Strafkammer habe mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger des früheren Mitangeklagten G. außerhalb der Hauptverhandlung eine Absprache über das zu erwartende Strafmaß für den Fall eines Geständnisses geführt, wird von der dienstlichen Erklärung der beiden Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt. Es besteht kein Anlass, an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Erklärung zu zweifeln. Aus ihr ergibt sich vielmehr, dass der Mitangeklagte G. bereits zuvor mehrfach Angaben zu den gegen ihn gerichteten Tatvorwürfen gemacht sowie Art und Umfang seiner Beteiligung geschildert hat. Die Sitzungsniederschrift vom 31. Oktober 2002 bestätigt, dass G. nach der Abtrennung des gegen ihn gerichteten Verfahrens nur Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und seinem Werdegang machte, aber keine Angaben zur Sache. Dies spricht zweifelsfrei dagegen, dass die Strafkammer Gespräche über ein Geständnis des Mitangeklagten G. geführt hat. Über den weiteren Inhalt des von der Strafkammer geführten Gesprächs sind der Angeklagte und sein Verteidiger - wenn auch auf Anfrage - hinreichend informiert worden. Die Besorgnis der Befangenheit ist insofern nicht gerechtfertigt.
2. Die Rüge Nr. 8, mit der die Zurückweisung des am 7. April 2003 rechtzeitig angebrachten Befangenheitsantrags gegen die Vorsitzende Richterin (§ 338 Nr. 3 i.V.m. § 24 StPO) beanstandet wird, ist nicht nur unbegründet, sondern bereits unzulässig, weil der Inhalt des außerhalb der laufenden Hauptverhandlung erlassenen Durchsuchungsbeschlusses, auf den der Ablehnungsantrag maßgeblich gestützt wird, nicht mitgeteilt wird.
II.
Der Schuldspruch und die Einzelfreiheitsstrafen halten der sachlich-rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand, nicht jedoch der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beurkundete der Angeklagte als Notar in den Jahren 1996 bis 2000 in 18 Fällen Kaufangebote, Kaufverträge und andere notarielle Erklärungen für Kunden der F. AG und anderer Immobilienvermittler beim Erwerb von Eigentumswohnungen. Dieses Geschäftsprinzip war dem Angeklagten dabei im Wesentlichen bekannt: Die Vermittler vermarkteten Eigentumswohnungen an Käufer, die sich in einer angespannten finanziellen Lage befanden und für ihre Zwecke flüssige Mittel benötigten, wegen fehlender Kreditwürdigkeit und mangels Sicherheiten aber keine Bankdarlehen erhielten. Diesen Personen, die an sich keine Wohnungen erwerben wollten, wurde der Kauf von Eigentumswohnungen mit der Zusage angeboten, dem Käufer 10 % des Kaufpreises in bar als Kick-back-Zahlung zur freien Verwendung zu überlassen. Die Wohnungen wurden mit einem Aufschlag zwischen 50 und 100 % an die Käufer weitergegeben. Aus dem so erhöhten Kaufpreis wurden hohe Vermittlerprovisionen, die Erwerbsnebenkosten der Käufer und die ihnen zugesagten Kick-back-Zahlungen entnommen. Der gesamte Kaufpreis wurde von den von den Vermittlern ausgewählten Banken voll finanziert, wobei den Banken - ohne dass der Angeklagte das wusste - auch falsche Bonitätsnachweise der Käufer vorgelegt wurden. In einigen Fällen zahlte der Angeklagte aus dem von ihm verwahrten Kaufpreis nicht nur den Erlösanteil an die Verkäufer aus, sondern auch die Anteile der übrigen Beteiligten. Hätten die Banken die schlechte Bonität der Käufer und die Vereinbarung der Kick-back-Zahlungen gekannt, hätten sie die Kredite nicht bewilligt. Sämtliche Finanzierungen wurden - zum Teil bereits nach wenigen Monaten - Not leidend, so dass die Kreditinstitute die Verwertung der als Sicherheit bestellten Grundschulden betrieben und, sofern die Zwangsversteigerung überhaupt abgeschlossen werden konnte, erhebliche Verluste erlitten. Die mit der Darlehenshingabe an nicht kreditwürdige Käufer eingetretene Vermögensgefährdung hat das Landgericht als Schaden gewertet, der durch die den Banken bestellten Grundschulden nicht ausgeglichen wurde.
Der Angeklagte beurkundete die notariellen Erklärungen in Kenntnis des Kick-back-Systems und der zweifelhaften Zahlungsfähigkeit der Käufer, um sich mit den anfallenden Notariatsgebühren regelmäßige Einnahmen zu verschaffen.
2. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum Betrug hat Bestand. Die Haupttäter haben die Kredit gewährenden Banken jeweils über die Zahlungsfähigkeit der Käufer und die Vereinbarung des Kick-backs getäuscht und sie so zur Bewilligung und Auszahlung der Kredite veranlasst, die bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht bewilligt worden wären. Der Angeklagte hat durch seine notariellen Beurkundungen an der betrügerischen Täuschung der Banken mitgewirkt. Der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen ist hinreichend zu entnehmen, dass bei den Kredit gewährenden Banken mit der Auszahlung der Darlehen in allen Fällen eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten ist. Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, hängt davon ab, ob nach und in Folge der Darlehensgewährung das Vermögen des Darlehensgebers einen geringeren Wert hat als zuvor. Entscheidend ist ein für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellender Wertvergleich zwischen dem gewährten Darlehen und dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers. Es kommt darauf an, ob der Rückzahlungsanspruch dem überlassenen Darlehensbetrag gleichwertig ist. Das ist hier in keinem der Fälle gegeben. Sämtliche Käufer erwarben die Wohnungen nur, weil sie flüssige Mittel benötigten, die sie mangels Kreditwürdigkeit anderweitig nicht mehr bekamen. Sie waren nicht in der Lage, die anfallenden Zins- und Tilgungslasten regelmäßig aufzubringen, was sich schon daraus ergibt, dass alle Finanzierungen alsbald scheiterten. Den Käufern kam es nur darauf an, die Kick-back-Zahlungen zu erlangen.
Gleichwohl kann es nach gefestigter Rechtsprechung am Merkmal eines Schadens im Sinne einer konkreten Vermögensgefährdung fehlen, wenn der Minderwert des Anspruchs auf Darlehensrückzahlung durch ausreichende Sicherheiten ausgeglichen wird, die das Risiko der Kreditgewährung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise voll abdecken und es dem Gläubiger ermöglichen, sich ohne Schwierigkeiten wegen seiner Forderung zu befriedigen (vgl. BGHSt 15, 24, 27; BGH wistra 1992, 142; 1993, 265; 1994, 110, 111; 1995, 28 und 222, 223; NStZ-RR 2001, 328, 329; StV 1995, 254, 255; 1997, 416, 417; 2000, 478, 479; Lackner LK 10. Aufl. § 263 Rdn. 217; Tiedemann LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 212; jew. m.w.N.). An solchen ausreichenden Sicherheiten fehlt es in allen 18 Fällen. Der durch die Kreditgewährung verursachten Vermögensgefährdung standen mit den bestellten Grundschulden keine ausreichenden Sicherheiten gegenüber. Zwar hat das Landgericht in den einzelnen Fällen keine konkreten Feststellungen zur Werthaltigkeit der bestellten Grundschulden zur Zeit der Darlehensgewährung getroffen. Aus den festgestellten Gesamtumständen kann der Senat jedoch hinreichend entnehmen, dass die Grundschulden keine ausreichende Sicherheit in dem dargelegten Sinn boten. Bei den fraglichen Objekten handelte es sich um schwer verkäufliche Wohnungen, die für andere Anleger uninteressant waren. Die kreditfinanzierten Kaufpreise waren um erhebliche Provisionszahlungen und das Kick-back überhöht. In den Zwangsversteigerungsverfahren konnten, soweit diese zurzeit des landgerichtlichen Urteils überhaupt abgeschlossen waren, nur deutlich geringere Erlöse erzielt werden. Der Vertrieb der Wohnungen im Wege der Vollfinanzierung war im Übrigen von vornherein auf die Abschöpfung von Barmitteln zur freien Verfügung der Käufer gerichtet.
3. Die Bemessung der Einzelstrafen hält noch rechtlicher Überprüfung stand.
a) Das Landgericht hat alle Beihilfehandlungen, auch die vor dem 1. April 1998 begangenen Taten (Taten 1 bis 11), als besonders schwere Fälle gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB n.F. gewertet, weil es das neue Recht wegen der geringeren Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe für milder hielt. Diese Überlegung des Landgerichts ist jedoch unvollständig und deshalb rechtsfehlerhaft (vgl. BGH wistra 2001, 303).
Bei der Prüfung, ob das neue Recht milder ist als das Tatzeitrecht, hätte das Landgericht zunächst erörtern müssen, ob jeweils die Voraussetzungen eines unbenannten besonders schweren Falles im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB a.F. vorlagen. Die Annahme gewerbsmäßigen Handelns allein reichte unter Geltung des alten Rechts hierzu regelmäßig nicht aus, vielmehr war eine Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit vorzunehmen (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 1 und 2). Eine solche fehlt hier jedoch.
b) Die strafschärfende Berücksichtigung der gewerbsmäßigen Begehungsweise verstößt zudem gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Danach ist es unzulässig, Umstände, die - wie hier gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB - einen besonders schweren Fall begründet haben, als solche noch einmal zu Lasten des Angeklagten zu verwerten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Regelbeispiel 1; BGH bei Miebach NStZ 1998, 132).
c) Diese Rechtsfehler zwingen jedoch vorliegend nicht zur Aufhebung der Einzelstrafen, weil der Senat ein Beruhen ausschließen kann. Zum einen hat das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten wegen Nichtfeststellbarkeit der endgültigen Schadenshöhe und der Unwägbarkeit des Preisverfalls auf dem Immobilienmarkt ausdrücklich auf eine Differenzierung der Strafen nach der Schadenshöhe verzichtet (UA S. 56 f.), die jeweilige Schadenshöhe wirkte sich daher nicht auf die Bemessung der Einzelstrafen aus. Zum anderen wäre jede geringere Einzelstrafe als sechs Monate Freiheitsstrafe bei dem festgestellten Unrechts- und Schuldgehalt der Taten schuldunangemessen milde und damit rechtsfehlerhaft.
4. Dagegen kann die in Anbetracht des ausgeklügelten Systems, der bandenmäßigen Begehungsweise und des Gesamtgewichts der Taten an sich nicht unangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten nicht bestehen bleiben.
Das Landgericht hat für jede der 18 Taten eine Einzelstrafe von sechs Monaten verhängt. Aus diesen war gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Taten und des Täters durch Erhöhung der Einsatzstrafe von sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Diesen Anforderungen wird die formelhafte, nur wenige Zeilen umfassende Begründung der Gesamtstrafe durch das Landgericht (UA S. 57) nicht gerecht. Die erhebliche Erhöhung der Einsatzstrafe von sechs Monaten hätte zumindest einer ausführlicheren Begründung bedurft (vgl. BGH, Beschl. vom 3. Dezember 2004 - 2 StR 490/04). Die rechtsfehlerhafte Annahme eines engen sachlichen, zeitlichen und situativen Zusammenhangs bei einem Tatzeitraum von ca. vier Jahren rechtfertigt die deutliche Erhöhung der Einsatzstrafe nicht, sondern lässt vielmehr besorgen, dass das Landgericht sich bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu stark von der Gesamtzahl der Einzeltaten oder der Summe der Einzelstrafen hat leiten lassen (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 9, 10; StV 2000, 254).
Da die Gesamtstrafe wegen eines Wertungsfehlers aufgehoben wird, können - auch im Blick auf die aufrechterhaltenen Einzelstrafaussprüche - die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen durch den neuen Tatrichter sind möglich.
Der Senat hat nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1 b StPO den neuen Tatrichter auf eine Entscheidung im Beschlusswege gemäß §§ 460, 462 StPO zu verweisen. In Fällen, in denen - wie hier - dem Tatgericht bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe echte Zumessungsfehler unterlaufen sind, ist das Beschlussverfahren in der Regel ungeeignet.
Ende der Entscheidung
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