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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.05.2001
Aktenzeichen: 2 StR 79/01
Rechtsgebiete: JGG


Vorschriften:

JGG § 17 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 StR 79/01

vom

23. Mai 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 23. Mai 2001 in der Sitzung vom 25. Mai 2001, an denen teilgenommen haben:

Vizepräsident des Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender,

und die Richter am Bundesgerichtshof Detter, Dr. Bode,

die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten

und der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,

Bundesanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt Dr. und Rechtsanwältin in der Verhandlung als Verteidiger,

Justizangestellte in der Verhandlung,

Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 5. Juli 2000 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten des Erwerbs von Betäubungsmitteln in 94 Fällen schuldig gesprochen und seine Verwarnung angeordnet. Im übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in acht Fällen und gegen den Rechtsfolgenausspruch. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es sich gegen den Rechtsfolgenausspruch richtet.

1. Der Freispruch hält in dem angefochtenen Umfang der sachlich-rechtlichen Prüfung stand. Die Beanstandung der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe insoweit die angeklagten Taten nicht unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend untersucht und gewürdigt, ist unbegründet.

Die angeklagten acht Betäubungsmittelverkäufe an Minderjährige hat das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht für erwiesen erachtet, weil es die Angaben des Belastungszeugen S. mangels näherer Konkretisierung der behaupteten Verkäufe des Angeklagten nicht für glaubhaft hielt. Das Landgericht hat vielmehr die Aussage des Zeugen D. für glaubhaft erachtet, der angegeben hat, es sei der erwachsene Zeuge S. gewesen, der bei dem Angeklagten Betäubungsmittel erworben habe. Die pauschalen Angaben dieses Zeugen gestatten aber ebenfalls nicht, konkrete Betäubungsmittelverkäufe oder -abgaben des Angeklagten an S. festzustellen. Das Landgericht mußte sich daher auch nicht gedrängt sehen, diese Möglichkeit ausdrücklich näher zu erörtern.

2. Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Die Begründung, mit der das Landgericht die Verhängung einer Jugendstrafe abgelehnt hat, ist rechtsfehlerhaft, weil die für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten erheblichen Umstände nur unvollständig berücksichtigt wurden. Soweit schädliche Neigungen des Angeklagten in Betracht kommen (§ 17 Abs. 2 JGG), können sie in aller Regel zwar nur bejaht werden, falls erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch verborgen, angelegt waren (BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5 und 7 m.w.N.). Das Amtsgericht Neuwied hat den Angeklagten am 20. September 1999 wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Diese Tat wurde am 5. August 1998 und somit während des Zeitraums begangen, in dem die im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Taten begangen wurden. Die vom Amtsgericht Neuwied abgeurteilte Tat kann aber für die hier relevanten Tatzeiten auch insoweit auf schädliche Neigungen hindeuten, als jene Tat erst später begangen wurde. Bei der Erörterung der Persönlichkeit des Angeklagten hätte diese Tat daher nicht außer Betracht bleiben dürfen. Keiner abschließenden Prüfung bedarf danach im vorliegenden Zusammenhang, ob und inwieweit auch die Tat, die dem Urteil des Landgerichts Koblenz vom 10. April 2000 zugrundelag, bei der Bewertung der Persönlichkeit des Angeklagten berücksichtigt werden mußte, obwohl dieses Urteil seinerzeit noch nicht rechtskräftig war.

Die Beschwerdeführerin weist im übrigen zutreffend darauf hin, daß das Landgericht auch weitere Umstände von Gewicht bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten fehlerhaft außer Betracht gelassen hat. Das gilt insbesondere für das wiederholte, von ihm zu verantwortende Scheitern beruflicher Integrationsmaßnahmen, die Verweigerung gemeinnütziger Arbeit bei der Gewährung von Sozialhilfe und die umgehende Fortsetzung der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz auch nach der vorübergehenden Inhaftierung (13. Dezember 1998 bis 12. Februar 1999) und der Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe (20. September 1999). Schließlich trifft es auch nicht zu, daß die nicht einschlägigen Vorverurteilungen aus dem Jahr 1998 wegen versuchten Diebstahls und Unterschlagung keine Rückschlüsse auf das Vorliegen schädlicher Neigungen zuließen.

3. Sollte der neue Tatrichter eine Jugendstrafe verhängen, wird er im Hinblick auf das durch Senatsbeschluß vom 24. Januar 2001 - 2 StR 493/00 - rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts Koblenz vom 10. April 2000 auch die Gewährung eines Härteausgleichs zu prüfen haben (vgl. BGHSt 41, 310, 312).



Ende der Entscheidung

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