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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: 3 ARs 3/00
Rechtsgebiete: GVG, StPO, StGB, AO, WaffG, KWKG


Vorschriften:

GVG § 132 Abs. 3
GVG § 132 Abs. 4
GVG § 132 Abs. 2
StPO § 100a S. 1 Nr. 2
StPO § 100a S. 1 Nr. 3
StPO § 100a S. 1 Nr. 4
StPO § 100c Abs. 1 Nr. 2
StPO § 100c Abs. 1 Nr. 3 lit. a
StPO § 100c Abs. 1 Nr. 3 lit. b
StPO § 100c Abs. 1 Nr. 3 lit. c
StPO § 110a Abs. 1 S. 1 Nr. 4
StGB § 25 Abs. 2
StGB § 244 Abs.1 Nr. 2
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 242
AO § 370 Abs. 2 Nr. 3
WaffG § 52a Abs. 2 S. 2
KWKG § 22a Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 ARs 3/00

vom

16. August 2000

in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen schweren Bandendiebstahls u.a.

hier: Anfrage des 4. Strafsenats vom 14. März 2000 - 4 StR 284/99

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2000 gemäß § 132 Abs. 3 GVG beschlossen:

Tenor:

Der Senat regt an, die im Anfragebeschluß aufgeworfenen Rechtsfragen dem Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 4 GVG zur Entscheidung vorzulegen.

Gründe:

Der 4. Strafsenat (Beschluß vom 14. März 2000 - 4 StR 284/99) beabsichtigt zu entscheiden:

"Der Begriff der Bande setzt voraus, daß sich mehr als zwei Personen mit dem ernsthaften Willen zusammengeschlossen haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten zu begehen.

Der Tatbestand des Bandendiebstahls erfordert nicht, daß mindestens zwei Bandenmitglieder die Tat in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begehen."

Der 1. (Beschl. vom 27. Juni 2000 - 1 ARs 6/00) und der 2. Strafsenat (Beschl. vom 21. Juni 2000 - 2 ARs 76/00) haben an ihrer bisherigen, der beabsichtigten Entscheidung entgegenstehenden Rechtsprechung festgehalten, nach der für das Handeln "als Mitglied einer Bande" hinsichtlich der Zahl der Bandenmitglieder eine Verbindung von zwei Personen genügt und die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds beim Bandendiebstahl die Tatbegehung durch wenigstens zwei Bandenmitglieder voraussetzt, die zeitlich und örtlich, wenn auch nicht notwendig körperlich zusammenwirken müssen. Dagegen hat der 5. Strafsenat den vom 4. Strafsenat aufgestellten Rechtssätzen unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Rechtsprechung zugestimmt bzw. ist der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegengetreten (Beschl. vom 4. April 2000 - 5 ARs 20/00; vgl. auch Beschl. vom 8. Februar 2000 - 5 ARs 3/00, ergangen auf den Anfragebeschluß des Senats vom 22. Dezember 1999 - 3 StR 339/99).

Bei dieser Sachlage kann sich der Senat einer abschließenden Stellungnahme enthalten, da der 4. Strafsenat die Rechtsfragen nach § 132 Abs. 2, 3 GVG ohnehin dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorlegen muß, wenn er an der beabsichtigten Rechtsprechungsänderung festhält. Im Hinblick auf die weitreichende und grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen für den Bereich der Bandendelikte, aber auch für die zahlreichen, an den Verdacht bestimmter Bandendelikte anknüpfenden strafprozessualen Eingriffsnormen, hält der Senat dies ohnehin gemäß § 132 Abs. 4 GVG zur Fortbildung des Rechts für angezeigt.

1. Der Senat neigt dazu, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, nach der bereits zwei Personen eine Bande bilden können.

a) Diese Auslegung ist mit dem Wortsinn des Bandenbegriffs und damit auch dem Wortlaut sämtlicher Bandendelikte vereinbar. Gegen eine restriktivere Auslegung des Bandenbegriffs spricht der vom 1. und 2. Strafsenat zutreffend hervorgehobene Umstand, daß der Gesetzgeber die gefestigte Rechtsprechung aller Senate des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Mindestzahl der Bandenmitglieder zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt hat. Vielmehr hat er bei bedeutsamen materiellrechtlichen Änderungen ausdrücklich auf die gefestigte Auslegung des Bandenbegriffs Bezug genommen. Für besonders bedenkenswert hält der Senat das weitere Argument des 1. Strafsenats, daß der Gesetzgeber im Bereich des strafverfahrensrechtlichen Instrumentariums gewichtige Eingriffe in die Rechtssphäre des Betroffenen vorgesehen hat, die auch an Bandendelikte anknüpfen. Auch diese eingriffsintensiven, im Gesetzgebungsverfahren nicht unumstrittenen Maßnahmen - wie die Überwachung der Telekommunikation nach § 100a S. 1 Nr. 2, 3 und 4 StPO, das Abhören mit technischen Mitteln nach § 100c Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 lit. a, b und c StPO und der Einsatz verdeckter Ermittler nach § 110a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StPO - haben dem Gesetzgeber keinen Grund gegeben, den Begriff der Bande restriktiver zu fassen (vgl. Antwortbeschluß des 1. Strafsenats, S. 10). Entgegen der Auffassung des anfragenden Senats kann auch aus der vom 3. Strafsenat geprägten Rechtsprechung zur kriminellen Vereinigung (vgl. nur BGHSt 28, 147) nicht hergeleitet werden, daß eine Bande ebenso wie eine kriminelle Vereinigung mindestens drei Mitglieder haben müßte. Den zutreffenden Ausführungen des 1. Strafsenats ist auch insoweit nichts hinzuzufügen (aaO S. 11, 12).

b) Für die vom 4. Strafsenat beabsichtigte Erhöhung der Mindestzahl von zwei auf drei Bandenmitglieder spricht aber, daß die hinsichtlich der Abgrenzung von Mittäterschaft und Bandentäterschaft problematischen Fälle der Zweierbande, die noch verstärkt werden, wenn es sich um eheliche Lebensgemeinschaften, Wohngemeinschaften und ähnliche, ursprünglich zu rechtlich nicht mißbilligten Zwecken eingegangene Gemeinschaften handelt, von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Bandendelikte ausgeschieden würden. Diese Abgrenzung fällt bei einer Bande mit mindestens drei Mitgliedern leichter, da bei wachsender Zahl der Mitglieder die Notwendigkeit einer Strukturierung der Bande und zu Absprachen hinsichtlich der Arbeits- und Erlösteilung steigt. Der Senat teilt die Auffassung des 2. Strafsenats, daß die bisher von der Rechtsprechung zur Abgrenzung der Mittäterschaft von der Bandentäterschaft entwickelten Kriterien nicht zu größerer Rechtsklarheit, sondern zu einer - vor allem für den Tatrichter - schwer überschaubaren Kasuistik geführt haben.

2. Dagegen neigt der Senat dazu, der beabsichtigten Entscheidung insoweit zuzustimmen, als der 4. Strafsenat über das Urteil des Senats vom 9. August 2000 - 3 StR 339/99 (zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) - hinausgehend für den Tatbestand des Bandendiebstahls nicht mehr fordern will, daß mindestens zwei Bandenmitglieder die Tat in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begehen.

a) Zur Klarstellung wird zunächst auf folgendes hingewiesen:

Der Senat hat mit Urteil vom 9. August 2000 - 3 StR 339/99 - nach Anfrage bei den übrigen Strafsenaten entschieden, daß ein Mitglied einer Bande auch dann Täter eines Bandendiebstahls sein kann, wenn es nicht am Tatort an der Ausführung des Bandendiebstahls unmittelbar beteiligt ist. Es reicht aus, daß der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in örtlichem und zeitlichem Zusammenwirken begangen wird und dies dem nicht am Tatort befindlichen Bandenmitglied nach den Grundsätzen der Mittäterschaft zugerechnet werden kann. Diese Rechtsprechungsänderung beruht darauf, daß das Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" ein tatbezogenes, die Tatausführung näher kennzeichnendes Tatbestandsmerkmal ist, das akzessorisch zu behandeln und deshalb nach § 25 Abs. 2 StGB dem nicht am Tatort agierenden Bandenmitglied zuzurechnen ist. Am Erfordernis des räumlichen und zeitlichen Zusammenwirkens von mindestens zwei Bandenmitgliedern am Tatort hat der Senat in dieser Entscheidung (noch) festgehalten. Er hat damit nicht die Ansicht aufgegeben, daß die besondere Gefährlichkeit des Bandendiebstahls auch auf der Anwesenheit mindestens zweier Bandenmitgliedern am Tatort beruhe. Darauf, daß der 4. Strafsenat den Anfragebeschluß des Senats vom 22. Dezember 1999 (NStZ 2000, 255) insoweit mißverstanden hat, haben bereits der 1. und 2. Strafsenat zutreffend hingewiesen (vgl. auch Engländer JZ 2000, 630, 631 f).

b) In Fortführung des Urteils vom 9. August 2000 - 3 StR 339/99 - neigt der Senat im Ergebnis aber dazu, zumindest für den Tatbestand des Bandendiebstahls das Handeln eines Bandenmitglieds am Tatort genügen zu lassen, wenn ein weiteres, nicht am Tatort anwesendes Bandenmitglied bei der Tat mitwirkt. Hierfür sprechen folgende Erwägungen:

Nach bisheriger gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird das Tatbestandsmerkmal des § 244 Abs.1 Nr. 2 StGB "als Mitglied einer Bande ... unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt" dahin ausgelegt, daß mindestens zwei Bandenmitglieder bei der Tatausführung örtlich und zeitlich, wenn auch nicht notwendig körperlich zusammenwirken, sich mithin am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhalten müssen. Der Grund der Strafschärfung des Bandendiebstahls und der Bandendelikte der § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB, § 370 Abs. 2 Nr. 3 AO, § 52a Abs. 2 S. 2 WaffG, § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 22a Abs. 2 S. 2 KWKG wird nicht - wie bei den Bandendelikten, bei denen der Gesetzgeber auf das Mitwirkungserfordernis verzichtet hat - allein in der besonderen Gefährlichkeit der Verbrechensverabredung gesehen. Kumulativ wird eine gesteigerte Aktions- oder Ausführungsgefahr verlangt. Neben der Steigerung der Effizienz der Tathandlung soll ein qualifizierendes Element aber auch darin liegen, daß durch die örtlich gemeinsame Tatbegehung durch mehrere Bandenmitglieder die Durchsetzungsmacht gegenüber potentiellen Tatopfern erhöht werde; das Opfer sehe sich in "geteilter Abwehrkraft gefährlicher Übermacht" gegenüber; die Verteidigung der bedrohten Rechtsgüter sei infolgedessen erschwert (vgl. Senat in BGHSt 8, 205, 209; Antwortbeschluß des 1. Strafsenats S. 14 f m.w.Nachw.; ähnlich auch der 2. Strafsenat S. 13). Der zuletzt genannte Gesichtspunkt trifft für den Tatbestand des Bandenraubs nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu. Die Täter-Opfer-Konfrontation ergibt sich beim Raub zwingend aus der Art der Tatbestandserfüllung. Dagegen ist für die Erfüllung des Tatbestandes des § 242 StGB eine Konfrontation des Opfers mit dem Täter oder den Tätern nicht erforderlich.

Es liegt deshalb nahe, daß der Grund der Strafschärfung beim Bandendiebstahl die gesteigerte Gefährdung der von § 242 StGB geschützten Rechtsgüter Eigentum und Gewahrsam ist (Hohmann NStZ 2000, 258). Versteht man die Ausführungs- und Aktionsgefahr rechtsgutbezogen, genügt dem Mitwirkungserfordernis jedes arbeitsteilige Zusammenwirken, das die Effizienz der Wegnahme erhöht. Dabei ist - wie der Senat bereits in seinem Anfragebeschluß vom 22. Dezember 1999 (NStZ 2000, 255, 258) dargelegt hat - die vertikale Arbeitsteilung von der Planung der Tat bis zur Verwertung der Beute letztlich ebenso gefährlich wie die horizontale Arbeitsteilung (Jakobs JR 1985, 342, 343; Hohmann NStZ 2000, 258 f). Die Effizienz der Wegnahme wird demnach nicht nur dadurch erhöht, daß zwei Bandenmitglieder am Tatort arbeitsteilig zusammenwirken. Sie steigt auch dann, wenn sich ein Team von Spezialisten dergestalt die Arbeit teilt, daß z.B. ein Bandenmitglied den Tatort auskundschaftet, ein anderes die Transportmittel besorgt, das dritte allein am Tatort die Sache wegnimmt und ein weiteres, nicht in unmittelbarer Tatortnähe befindliches Bandenmitglied die Sache in Sicherheit bringt.

Ein rechtsgutbezogenes Verständnis der Aktionsgefahr und damit der Verzicht auf das räumliche und zeitliche Zusammenwirken zweier Bandenmitglieder am Tatort beim Bandendiebstahl ist mit dem Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB vereinbar, der gerade nicht darauf abstellt, daß ein Bandenmitglied mit einem anderen am Tatort räumlich und zeitlich zusammenwirkt. Diese Auslegung hat erst die Rechtsprechung dem Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt" gegeben. Sie wäre nach Auffassung des Senats nicht gehindert, diesem Tatbestandsmerkmal eine Auslegung zu geben, die es ermöglicht, auch andere Formen des Zusammenwirkens von mindestens zwei Bandenmitgliedern zu erfassen, wenn dieses Zusammenwirken der Wegnahme der Sache dient und dadurch deren Effizienz steigert.



Ende der Entscheidung

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