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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 3 StR 12/02
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 55
StGB § 66 Abs. 1
StGB § 66 Abs. 2
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 StR 12/02

vom

21. März 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Wohnungseinbruchdiebstahls u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. März 2002, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27. September 2001 aufgehoben, soweit gegen den Angeklagten Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen (Freiheitsstrafen von je einem Jahr) und wegen Wohnungseinbruchdiebstahls (Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten) unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung, gestützt auf § 66 Abs. 1 StGB, angeordnet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, der mit seinem Rechtsmittel die Aufhebung der Anordnung der Sicherungsverwahrung erreichen will. Die Staatsanwaltschaft erstrebt die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Auch sie vertritt die Auffassung, daß die Sicherungsverwahrung jedenfalls nicht nach § 66 Abs. 1 StGB hätte angeordnet werden dürfen. Der Rechtsfolgenausspruch müsse insgesamt aufgehoben werden, da auch die Strafzumessung den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler aufweise. Beide Rechtsmittel haben in vollem Umfang Erfolg.

I.

Die Anordnung der Sicherungsverwahrung war aufzuheben und das Verfahren insoweit zu neuer Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückzuverweisen.

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegen die formellen Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB nicht vor. Denn eine Verurteilung des Angeklagten wegen einer vorsätzlichen Straftat zu zeitiger Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren ist nicht erfolgt. Zwar übersteigt die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren diese Mindestgrenze, auf sie darf aber im Rahmen des § 66 Abs. 1 StGB nicht abgestellt werden (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 3 m. w. N.).

2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann auch nicht, wie der Generalbundesanwalt in Erwägung gezogen hat, gestützt auf § 66 Abs. 2 StGB Bestand haben. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung nach dieser Vorschrift steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 2, 4, 5). Daher müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß und in welcher Weise der Tatrichter von seiner Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat. Das Landgericht hat jedoch - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die Unterbringung des Angeklagten nach der subsidiären Vorschrift des § 66 Abs. 2 StGB nicht geprüft. Das Revisionsgericht kann die fehlende Ermessensentscheidung nicht ersetzen. Sie zu treffen ist Aufgabe des neuen Tatrichters.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß die formellen Voraussetzungen einer Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB erfüllt sind. Dem steht nicht entgegen, daß die Strafkammer die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren aus vier Einzelstrafen gebildet hat, während das Gesetz seinem Wortlaut nach verlangt, daß der Täter drei vorsätzliche Straftaten begangen hat und wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu einer zeitigen Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird. Die in § 66 Abs. 2 StGB genannte Anzahl von drei Taten stellt nur eine Mindestvoraussetzung für die Anordnung der Sicherungsverwahrung dar. Nach der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift in erster Linie die Unterbringung bislang unentdeckt gebliebener gefährlicher Serientäter ermöglichen (vgl. BTDrucks. V/4094 S. 20 f; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 7). Es liegt auf der Hand, daß die gegenüber § 66 Abs. 1 StGB erleichterte Unterbringung eines solchen Täters nicht daran scheitern kann, daß er mehr als die geforderte Mindestzahl an Taten begangen hat. Der Verurteilung des Täters können deshalb auch mehr als drei Taten zugrunde liegen, sofern zumindest wegen dreier dieser Taten jeweils eine Einzelstrafe von mindestens einem Jahr ausgesprochen wird (BGHR StGB § 66 II Vorverurteilungen 2).

In derartigen Fällen ist auch nicht erforderlich, daß bereits aus drei der verwirkten Einzelstrafen von mindestens einem Jahr eine hypothetische Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren zu bilden wäre. Das Erfordernis einer (Gesamt-) Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren soll neben der im Rahmen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen (BTDrucks. V/4094 S. 21). Zwar kann die einzelne Tat von geringerem Gewicht sein, wenn die Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren nicht nur aus der gesetzlichen Mindestzahl von drei Einzelstrafen zu bilden ist. Dies wird aber dadurch ausgeglichen, daß der Täter in diesem Fall nicht nur drei, sondern mehr Einzelstrafen von mindestens einem Jahr verwirkt hat. Das für die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB maßgebliche Gesamtgewicht seines kriminellen Verhaltens bleibt daher unverändert.

Ebensowenig ist erforderlich, daß die einzubeziehenden Einzelstrafen von mindestens einem Jahr in ein und demselben Verfahren ausgesprochen werden. § 66 Abs. 2 StGB verlangt lediglich, daß der Täter in dem Verfahren, in dem über die Frage der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist, wegen einer Tat verurteilt wird. Hinsichtlich der übrigen Taten läßt das Gesetz genügen, daß der Täter die Freiheitsstrafen verwirkt hat; sie können also bereits abgeurteilt sein (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 10). Auch die im Wege nachträglicher Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB einbezogenen Einzelstrafen müssen freilich stets auf Taten zurückgehen, die in ihrer Gesamtheit symptomatisch für einen Hang sind und eine Prognose im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zulassen (BTDrucks. V/4094 S. 21; Hanack in LK 10. Aufl. § 66 Rdn. 63).

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft führt auch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Strafzumessung des Landgerichts läßt für sich genommen zwar keinen Rechtsfehler erkennen. Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, daß die Höhe der verhängten - milden - Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe von der gleichzeitig angeordneten Sicherungsverwahrung beeinflußt worden ist. Er hebt deshalb auch den Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter eine abgewogene und in sich stimmige Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.

Ende der Entscheidung

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