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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.05.2002
Aktenzeichen: 3 StR 128/02
Rechtsgebiete: StPO, GVG


Vorschriften:

StPO § 368 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 2
GVG § 140 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 128/02

vom

14. Mai 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. Mai 2002 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 14. November 2001 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

1. Die Urteilsgründe verhalten sich im Abschnitt III. bei der Darstellung des festgestellten Sachverhalts lediglich zu den Vergewaltigungshandlungen selbst, nicht aber zu dem Rahmengeschehen, in das diese eingebunden waren. Dieses war hier nicht nur für das Verständnis der Taten, sondern vor allem für die Nachprüfung der Beweiswürdigung von besonderer Bedeutung, da Aussage gegen Aussage stand und gerade die Angaben der Geschädigten zum Verhalten nach der Tat Anlaß für die Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens waren. Der Senat kann jedoch die insoweit erforderlichen Feststellungen in noch hinreichender Weise den Ausführungen der Strafkammer zur Beweiswürdigung entnehmen. Im übrigen weist er zur Darstellung der Beweiswürdigung auf BGH NStZ 1997, 377 m. w. N. hin.

2. Die Strafkammer hat angenommen, daß durch den Gang des Wiederaufnahmeverfahrens das Recht des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auf Erledigung seiner Sache in angemessener Frist verletzt worden sei, und hat deshalb die nach seiner Einschätzung an sich verwirkte Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten um sechs Monate auf sechs Jahre und neun Monate herabgesetzt.

Eine Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ist durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt (vgl. UA S. 56 f.). Die dargestellten Bearbeitungszeiträume sind noch nicht so lang, daß sie entweder für sich einzeln oder im Hinblick auf die Gesamtdauer des Wiederaufnahmeverfahrens die Annahme einer relevanten Verfahrensverzögerung zu begründen vermögen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß zur Durchführung des Verfahrens nach § 140 a Abs. 1 GVG ein anderes Gericht und damit auch eine andere Staatsanwaltschaft zuständig ist, die sich beide erst in die Akten und vorausgegangenen Entscheidungen einarbeiten müssen. Hier kommt hinzu, daß die Akten durch zahllose Eingaben und Anträge des Angeklagten einen außergewöhnlichen Umfang angenommen und eine überdurchschnittliche Bearbeitungszeit erfordert haben. Dies hat die Strafkammer nicht berücksichtigt, wenn sie etwa moniert hat, daß zwischen Eingang des Wiederaufnahmeantrags am 3. Juni 1999 und der Entscheidung über die Zulässigkeit am 6. Oktober 1999 keine weiteren "verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen" worden seien (UA S. 56). Es ist auch außer Betracht geblieben, daß das Gericht in diesem Zeitraum nach § 368 Abs. 2 StPO verpflichtet war, der Staatsanwaltschaft eine angemessene Frist zur Erklärung einzuräumen (gegebenenfalls mit Gelegenheit zur Erwiderung durch die Verteidigung).

Durch die Annahme einer Verfahrensverzögerung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ist der Angeklagte indes nicht beschwert. Der Senat weist jedoch darauf hin, daß dann, wenn diese Annahme berechtigt gewesen wäre, nicht nur die Gesamtfreiheitsstrafe, sondern auch die von dem Wiederaufnahmeverfahren erfaßten Einzelstrafen zu ermäßigen gewesen wären. Denn abgesehen davon, daß ein solcher Verstoß das Verfahren insgesamt erfassen würde und damit auch bei jeder einzelnen Tat und der Bemessung der für sie verhängten Einzelstrafe zu berücksichtigen wäre, könnte eine nicht ermäßigte Einzelstrafe bei nachträglichem Wegfall der Gesamtstrafe eine eigenständige, dem Angeklagten nachteilige Wirkung entfalten. Schließlich könnte im Einzelfall auch das Verhältnis zwischen den nicht ermäßigten Einzelstrafen und der ermäßigten Gesamtstrafe unstimmig werden.

Ende der Entscheidung

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