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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.07.2001
Aktenzeichen: 3 StR 179/01
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 397 Abs. 1 Satz 3 | |
StPO § 258 Abs. 2 | |
StPO § 337 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
11. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juli 2001, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revisionen der Nebenkläger Nazmiye E. sowie Gülsum und Erdem K. gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 16. Januar 2001 werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den im wesentlichen auf den Angaben des geständigen Angeklagten beruhenden Feststellungen tötete der Angeklagte seine Ehefrau mit über 20 Messerstichen. Er hatte seit geraumer Zeit den tatsächlich unberechtigten Verdacht, seine Ehefrau betrüge ihn. Zu der aggressiven Durchbruchshandlung kam es, als seine Ehefrau innerhalb eines Streits gereizt und (ohne tatsächlichen Hintergrund) von "ihrem Geliebten" gesprochen hatte. Die Nebenkläger erstreben mit ihren Revisionen die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes. Die Rechtsmittel sind unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach Schluß der Beweisaufnahme beantragte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, den Angeklagten wegen Totschlags unter Zugrundelegung des § 21 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten zu verurteilen. Der Vertreter des Nebenklägers Endercan E. beantragte, den Angeklagten wegen Mordes - Mordmerkmal der grausamen Begehungsweise - unter Zugrundelegung des § 21 StGB zu einer Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren zu verurteilen. Die Vertreterin der Beschwerdeführer beantragte sodann die Verurteilung wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Danach beantragte der Verteidiger die Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer schuldangemessenen Strafe. Sodann bat die Vertreterin der Beschwerdeführer um das Wort zu einer Gegenerklärung auf die Ausführungen des Verteidigers. Dies versagte ihr das Landgericht mit der Begründung, die Nebenkläger hätten kein Erwiderungsrecht nach § 258 Abs. 2 StPO. Schließlich hatte der Angeklagte das letzte Wort.
Diese Verfahrensweise des Landgerichts war rechtsfehlerhaft. Auch dem Nebenkläger steht nach einhelliger Ansicht gemäß § 397 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 258 Abs. 2 2. Halbs. StPO das Recht auf Erwiderung zu (BGHSt 28, 272, 274; BGH bei Holtz MDR 1978, 21; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 258 Rdn. 25; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 397 Rdn. 9; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 258 Rdn. 13; Schlüchter in SK-StPO 13. ErgLfg. § 258 Rdn. 21; Stuckenberg in KMR 22. ErgLfg. § 258 Rdn. 37; Stöckel in KMR 25. ErgLfg. § 397 Rdn. 8; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 258 Rdn. 18, § 397 Rdn. 10). Die Verweigerung dieses Rechts begründet aber nicht stets und ausnahmslos die Revision, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil auf dem Fehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Angesichts der Fallbesonderheiten kann der Senat ausschließen, daß der Angeklagte, hätte die Vertreterin der Nebenkläger auf den Verteidiger er widern können, nicht nur wegen Totschlags sondern wegen Mordes verurteilt worden wäre.
Der Bundesgerichtshof hat bislang - soweit ersichtlich - die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Beruhen des Urteils auf einem solchen Verfahrensverstoß ausgeschlossen werden kann, noch nicht entschieden. Hingegen gibt es eine umfangreiche Judikatur zum Beruhen des Urteils auf der Nichtgewährung des letzten Wortes des Angeklagten. Hier kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Beruhen des Urteils nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. BGHSt 22, 278 m.w.Nachw.; BGHR StPO § 258 III Wiedereintritt 4 und 7; BGH NStZ 1999, 473). Diese für das letzte Wort des Angeklagten entwickelten besonders strengen Maßstäbe gelten für die Versagung der Erwiderung des Nebenklägers nicht, weil dem Recht des Nebenklägers auf Erwiderung nicht dasselbe Gewicht zukommt wie dem des Angeklagten auf das letzte Wort. Bei letzterem handelt es sich um das vom Verfahrensablauf im einzelnen, insbesondere von einer vorhergegangenen Einlassung zur Sache unabhängige Recht eines jeden Angeklagten, in der Hauptverhandlung vor der Urteilsberatung als letzter auf die Überzeugungsbildung des Gerichts einzuwirken, das durch eine besondere Hinweispflicht des Gerichts in § 258 Abs. 3 StPO zusätzlich abgesichert ist; ersteres ist ein im Einzelfall geltend zu machender Anspruch, auf einen anderen Schlußvortrag zu reagieren. Der Erwiderung sind stets Ausführungen des Nebenklägers im Rahmen von dessen Schlußantrag vorausgegangen.
Hinzu kommt, daß die Nebenkläger das Urteil nicht mit dem Ziel einer anderen Rechtsfolge angreifen können (§ 400 Abs. 1 StPO), so daß sich die Frage des Beruhens auf den Schuldspruch beschränkt. Der Senat schließt aus, daß sich die Nichtbeachtung des § 258 Abs. 2 2. Halbs. StPO hier insoweit auf das Urteil ausgewirkt haben kann.
Dem Angeklagten war schon mit der Anklage lediglich Totschlag zur Last gelegt worden. Die Vertreterin der Beschwerdeführer hatte - wie ihr Antrag belegt - nach dem Schlußvortrag der Staatsanwaltschaft und dem des Vertreters eines weiteren Nebenklägers dargelegt, warum der Angeklagte aus ihrer Sicht wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen sei. Es liegt nichts dafür auf der Hand, daß sie dabei, nachdem die Staatsanwaltschaft nur eine zeitige Freiheitsstrafe wegen Totschlags beantragt hatte, ein Argument, das aus ihrer Sicht für ihre Rechtsauffassung hätte sprechen können, zurückgehalten hätte. Vielmehr sollte sich die erbetene Erwiderung gegen "die Ausführungen des Verteidigers" richten, der einen noch milderen Antrag gestellt, nämlich auf Verurteilung zu einer schuldangemessenen Strafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge angetragen hatte. Der Verhinderung dieses im Vergleich zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft noch milderen Schuldspruchs sollte die Erwiderung dienen. Ein solcher Schuldspruch ist auch nicht erfolgt; vielmehr ist der Angeklagte wegen Totschlags verurteilt worden. Es ist für den Senat daher feststellbar, daß das Urteil auch bei Beachtung des Rechts auf Erwiderung nicht anders gelautet hätte (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 258 Rdn. 60). Im übrigen hat auch die Vertreterin der Beschwerdeführer nichts dazu vorgetragen, was sie in der begehrten Erwiderung an für den erstrebten Schuldspruch wegen Mordes Entscheidendem hätte vorbringen wollen (zur Nützlichkeit - nicht Notwendigkeit - solchen Vortrags vgl. Schlüchter in SK-StPO 13. ErgLfg. § 258 Rdn. 45).
2. Die Prüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge hin hat im Umfang der Anfechtungskompetenz der Nebenkläger (§ 400 Abs. 1 StPO) keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler ergeben. Zu Recht hat das Landgericht im Hinblick auf die spontane Tatbegehung des Angeklagten, der sich von seiner Ehefrau getroffen und gedemütigt fühlte, ein Handeln aus einer "gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung" heraus verneint (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 grausam 1). Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, daß bereits die ersten Stiche zu den beiden todesursächlichen Verletzungen geführt haben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 grausam 2 und 6).
Ende der Entscheidung
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