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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.08.2001
Aktenzeichen: 3 StR 187/01
Rechtsgebiete: StPO, GG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 247
StPO § 240
StPO § 338 Nr. 5
StPO § 338 Nr. 8
StPO § 247 Satz 1
StPO § 247 Satz 4
StPO § 337
StPO § 242
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 338 Nr. 1
GG Art. 103
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 187/01

vom

15. August 2001

in der Strafsache

gegen

wegen sexueller Nötigung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. August 2001 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Oktober 2000 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung "unter Verwendung einer Waffe" zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Sachrüge erhebt.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Dies hat bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 17. Mai 2001 im wesentlichen zutreffend dargelegt. Der näheren Erörterung bedürfen jedoch folgende Verfahrensrügen:

1. Die mit der Verfahrensrüge Nr. 1 geltend gemachte Verletzung der §§ 247, 240, 338 Nr. 5, 338 Nr. 8 StPO, Art. 103 des Grundgesetzes in der Hauptverhandlung vom 28. Juli 2000 hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Die Anordnung des Strafkammervorsitzenden, daß sich der Angeklagte während der Dauer der informatorischen Befragung der Zeugin aus dem Sitzungssaal entfernen soll, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Meinung der Revision war ein Gerichtsbeschluß gemäß § 247 Satz 1 StPO dafür nicht erforderlich, weil die informatorische Befragung nur der Prüfung diente, ob eine Vernehmung der Zeugin in Anwesenheit des Angeklagten stattfinden konnte. Da diese Befragung auch im Wege des Freibeweises außerhalb der Hauptverhandlung hätte erfolgen können, erstreckte sich die Abwesenheit des Angeklagten auf keinen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGHR StPO § 247 Anwesenheit 17). Da in einer solchen informatorischen Befragung eine Vernehmung im Sinne des § 247 Satz 1 StPO nicht zu sehen ist, mußte der Angeklagte über ihr Ergebnis auch nicht förmlich gemäß § 247 Satz 4 StPO unterrichtet werden. Darüber hinaus erhielt er spätestens durch den Beschluß des Landgerichts, durch den er während der Dauer der Vernehmung der Zeugin gemäß § 247 StPO von der Hauptverhandlung ausgeschlossen worden ist, Kenntnis vom Ergebnis der informatorischen Befragung (vgl. BGHR StPO § 247 Anwesenheit 17).

Der Verstoß gegen § 247 StPO, der darin liegt, daß am 28. Juli 2000 über die Vereidigung der Zeugin zunächst während der Abwesenheit des Angeklagten entschieden worden ist (vgl. BGHR StPO § 247 Anwesenheit 1, 2 und 8), ist geheilt worden, da die Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung der Zeugin in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt wurde (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 338 Rdn. 3).

Die Revision beanstandet allerdings zu Recht, daß an diesem Tage die in § 247 Satz 4 StPO vorgeschriebene Unterrichtung des Angeklagten über den wesentlichen Inhalt der Aussage der in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugin N. nicht vor deren Vereidigung und Entlassung erfolgt ist (vgl. BGHR StPO § 247 Anwesenheit 1 und § 247 Satz 4 Unterrichtung 6; BGH NStZ 1997, 402; BGH StV 1992, 550). Der Verstoß gegen § 247 Satz 4 StPO ist lediglich ein relativer Revisionsgrund im Sinne des § 337 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO § 247 Rdn. 19 m.w.Nachw.). Der Senat kann ausschließen, daß das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Da die Zeugin am 10. Oktober 2000 von der Strafkammer nochmals vernommen worden ist, hatte der Angeklagte Gelegenheit, an die Zeugin ergänzende Fragen zu stellen und auf ihre Vereidigung hinzuwirken. Die Revision behauptet nicht, daß dies bei der zweiten Vernehmung nicht möglich gewesen wäre.

2. Die mit der Verfahrensrüge Nr. 2 gerügte weitere Verletzung der §§ 247, 242, 240, 338 Nr. 5, 338 Nr. 8 StPO, Art. 103 des Grundgesetzes in der Hauptverhandlung vom 10. Oktober 2000 ist unzulässig.

Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, ist die Rüge nicht ausreichend im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet. Da die Revision weder den Beweisantrag auf erneute Vernehmung der Zeugin N. noch den Gegenstand der zweiten Vernehmung mitteilt, kann der Senat nicht beurteilen, ob das Urteil auf dem - ausweislich der formellen Beweiskraft des Sitzungsprotokolls (§ 274 StPO) - erfolgten Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht gemäß § 247 Satz 4 StPO beruhen kann.

3. Die Rüge Nr. 3, mit der eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit (§ 169 GVG, § 338 Nr. 6 StPO) geltend gemacht wird, ist zumindest unbegründet.

Der Rüge liegt folgendes zugrunde: In der Hauptverhandlung vom 28. August 2000 hatte die Strafkammer dem Beweisantrag des Angeklagten auf Inaugenscheinnahme eines Fahrzeugs stattgegeben und Termin für den Augenschein bestimmt auf Dienstag, 29. August 2000, 10.00 Uhr bei der Firma Auto B. in D. . Außerhalb der Hauptverhandlung hat dann der Vorsitzende am selben Tag verfügt, daß der Augenschein am 29. August 2000 im Rahmen der Hauptverhandlung um 10.00 Uhr im Brunnenhof des Landgerichtsgebäudes in Düsseldorf stattfindet.

Zu Unrecht sieht die Revision in dieser Vorgehensweise einen Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit. Entgegen der Behauptung der Revi-sion war am 29. August 2000 am Sitzungssaal des Landgerichts ein deutlicher Hinweis auf den Augenschein im Brunnenhof des Landgerichtsgebäudes angebracht. Aus den dienstlichen Äußerungen des VRiLG S. , des EJHW K. und des JHS Ne. ergibt sich zur Überzeugung des Senats, daß auf den Ortstermin nicht nur durch Aushänge vor dem Sitzungssaal sowie am Zuschauereingang, sondern auch am Brunnenhof selbst hingewiesen worden ist. Somit konnte sich die interessierte Öffentlichkeit ohne besondere Schwierigkeiten über den Augenscheinstermin informieren und an diesem teilnehmen (vgl. BGH NStZ 1982, 476, 477). Ein Hinweis beim Firmengelände des Autohauses B. auf den neuen Augenscheinsort war nicht erforderlich. Auch mußte der geänderte Augenscheinstermin nicht zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden als der ursprünglich bestimmte Termin, um dadurch Zuhörern, die wegen der Terminsankündigung in der Hauptverhandlung an dem Augenschein beim Autohaus B. teilnehmen wollten, die Teilnahme an dem Augenschein im Brunnenhof des Landgerichts zu ermöglichen. Der Schutz des Vertrauens in Terminsankündigungen wird nämlich vom Öffentlichkeitsgrundsatz nicht umfaßt (vgl. BGH StV 1984, 146). Ein so weitgehender Schutz des Öffentlichkeitsinteresses würde das Gericht praktisch an jede einmal bekanntgegebene Terminsplanung binden und damit eine flexible und zügige Durchführung der Hauptverhandlung behindern. Der ungestörte und zügige Ablauf des Verfahrens ist aber ebenso wichtig wie die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit.

4. Die auf einen Verstoß gegen § 338 Nr. 1 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unzulässig, weil die Revision die Tatsachen, aus denen sich eine vorschriftswidrige Besetzung der Strafkammer ergibt, nicht darlegt, sondern lediglich vorträgt, in der Hauptverhandlung habe der Schöffe G. mitgewirkt, obwohl in der schriftlichen Mitteilung der Gerichtsbesetzung vom 3. Juli 2000 (§ 222 a Abs. 1 StPO) ein anderer Schöffe benannt gewesen sei.

Die Revision trägt nicht vor, daß der Schöffe G. bei richtiger Gesetzesanwendung nicht zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufen und deshalb nicht der gesetzliche Richter war (vgl. BGHSt 22, 169; Kuckein in KK 4. Aufl. § 338 Rdn. 52; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 338 Rdn. 21). Mit der Revision kann eine fehlerhafte Mitteilung über die Gerichtsbesetzung nicht gerügt werden (Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO § 222 a Rdn. 25).



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