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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.09.2000
Aktenzeichen: 3 StR 19/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 264
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 19/00

vom

20. September 2000

in der Strafsache

gegen

wegen Untreue

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. September 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 28. Mai 1999 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision, mit der er verfahrens- und sachlichrechtliche Einwendungen erhebt, ist unbegründet.

I. Nach den Feststellungen war der Angeklagte, ein Rechtsanwalt und Notar, Treuhänder der P. GmbH, einer Firma für die Vermittlung von Kapitalanlagen. Die über diese Firma angelegten Gelder gelangten jedoch nicht an die Börse, sie gingen vielmehr in einem von mehreren Personen vornehmlich mit Hilfe der F GmbH & Co KG betriebenen Schneeballsystem unter. Das Landgericht geht davon aus, daß der Angeklagte hiervon nichts wußte. Ein Teil der Kunden wurde der P. GmbH von einer weiteren Kapitalanlagevermittlungsgesellschaft, der Pr. GmbH, zugeführt. Nachdem diese einen Rechtsanwalt beauftragt hatte, die Geschäftsunterlagen zu überprüfen, und eine in den Werbeprospekten behauptete Wertpapierabsicherung durch Bankbürgschaft nicht nachgewiesen werden konnte, schlossen die beiden Unternehmen im April 1993 eine auch von dem Angeklagten unterzeichnete Vereinbarung. Danach kam dem Angeklagten die Rolle eines Treuhänders für ein bei der C. bank D. neu eingerichtetes Konto zu. Auf diesem Konto sollte ein Festgeldbetrag in Höhe von 91 % der von den Pr. -Kunden angelegten Gelder hinterlegt werden. In der Folgezeit wurden insgesamt 9,5 Millionen DM von der P. GmbH und der F GmbH & Co KG eingezahlt. Damit waren die Pr. -Kunden in der genannten Höhe abgesichert. Berufliche und private Investitionen des Angeklagten führten zu einem finanziellen Engpaß im Frühsommer 1995. Gleichzeitig blieben die Rücküberweisungen der angelegten Kundengelder einschließlich der Renditen aus, so daß der Angeklagte seine Gebühren nicht mehr wie vereinbart aus dem Renditeanteil der P. GmbH auf dem Ertragskonto entnehmen konnte. Im Juli 1995 veranlaßte er aufgrund seiner prekären finanziellen Situation, daß auf den Namen seines Kanzleikollegen G. ein Konto eingerichtet wurde sowie die Überweisung von etwa 1,17 Millionen DM von dem Sicherheitenkonto für die Pr. -Kunden auf die neue Bankverbindung. Dabei handelte es sich zum einen um der P. GmbH zustehende Zinsen etc., zum anderen um Sicherheitsbeträge für Anleger, die einen Folgevertrag abgeschlossen hatten und die der Angeklagte deshalb herausgerechnet hatte. Das Geld wurde sodann tatsächlich auf das Konto von G. transferiert.

II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. Mai 2000 auch unter Berücksichtigung des weiteren Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Das Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit bzw. des Strafklageverbrauchs liegt nicht vor. Der Senat hat in dem Verfahren 3 StR 88/00 die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 12. Mai 1999 (24 KLs 990 Js 4420/98) durch Beschluß vom heutigen Tage verworfen. Dort ist der Angeklagte wegen Betruges verurteilt worden, weil er ab Sommer 1993 erkannte, daß die Kundengelder nicht vereinbarungsgemäß angelegt und abgesichert wurden, und in der Folgezeit als Mittelverwendungstreuhänder an dem Schneeballbetrug mitwirkte. Bei diesem Geschehen handelt es sich jedoch entgegen der Ansicht der Revision um eine andere Tat. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß in dem vorliegenden Verfahren ein Betrugsvorsatz des Angeklagten im Gegensatz zu dem Parallelverfahren nicht festgestellt werden konnte. Auch dieser Gesichtspunkt führt jedoch nicht zu einer Identität der beiden Verfahren. Insbesondere liegt materiellrechtlich keine mitbestrafte Nachtat vor, die auch zu der Annahme einer Tat im prozessualen Sinne führen könnte. Dagegen spricht zunächst schon der Umstand, daß die auf dem Konto befindlichen Gelder zu einem Zeitpunkt eingezahlt wurden, der vor Beginn des in dem Parallelverfahren abgeurteilten Betruges liegt. Im übrigen gelten zur mitbestraften Nachtat folgende Grundsätze: Durch eine Nachtat werden die Erfolge der Vortat lediglich gesichert, ausgenutzt oder verwertet. Sie bleibt straflos, wenn sich aus dem Funktionszusammenhang der auf den Sachverhalt anzuwendenden Vorschriften ergibt, daß ihr gegenüber der Haupttat kein eigenständiger Unrechtsgehalt zukommt. Dann besteht kein Bedürfnis, sie neben der Haupttat selbständig zu bestrafen, sie ist bereits durch diese mit abgegolten. Voraussetzung für die Straflosigkeit ist dabei im einzelnen, daß die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird (vgl. Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. Vor §§ 52 ff Rdn. 121, 123, 125).

Wendet man dies auf das Verhältnis zwischen Betrug und Untreue an, so ergibt sich, daß auf einen Betrug dann eine mitbestrafte Untreue folgen kann, wenn diese nur zur Sicherung oder Verwertung der durch den Betrug erlangten Stellung dient (vgl. etwa die Fallgestaltung in BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 5). Dagegen können Betrug und Untreue tateinheitlich zusammentreffen, wenn etwa dem durch den Betrug eingetretenen Nachteil durch das ungetreue Verhalten des Täters ein besonderer Schaden hinzugefügt wird (vgl. BGH GA 1971, 83, 84).

Soweit die Strafkammer eine Untreue zum Nachteil der P. GmbH angenommen hat, hat sie einen von dem Betrug gegenüber den Anlegern gänzlich verschiedenen Sachverhalt abgeurteilt. Der vorliegende Sachverhalt ist im übrigen dadurch besonders gekennzeichnet, daß zur Sicherung der Pr. -Kunden - und nur dieser - das Treuhandkonto eingerichtet und gefüllt worden ist. Im Gegensatz zu allen anderen Anlegern waren deshalb die Pr. -Kunden in Höhe von 91 % des Anlagebetrages tatsächlich abgesichert. Auch bei einem Verspekulieren des Anlagebetrags konnte durch einen möglichen Rückgriff auf dieses Konto in der genannten Höhe für diese Anleger kein Schaden eintreten. Damit wurde - möglicherweise mit zuvor ertrogenen Geldern - für eine ausgewählte Anzahl von Kunden eine werthaltige Sicherheit geschaffen, auf die die betreffenden Pr. -Kunden einen Anspruch hatten und über die der Angeklagte treuhänderisch wachen sollte. Die Entwertung dieser Sicherheit in Höhe des entnommenen Betrages stellt somit einen über die reine Vertiefung oder Verwertung der durch den vorausgehenden Anlagebetrug verlorenen Gelder hinausgehenden selbständigen Schaden der betreffenden Anleger dar. Sie ist deshalb materiellrechtlich keine mitbestrafte Nachtat sondern eine tatmehrheitlich begangene und selbständig zu ahndende neue Straftat.

Auch unter prozessualen Gesichtspunkten liegt ein neuer, sich von dem abgeurteilten Betrug wesentlich unterscheidender Sachverhalt und damit eine neue Tat vor. Mehrere sachlichrechtlich selbständige Handlungen bilden nur dann eine Tat im Sinne des § 264 StPO, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrundeliegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, daß der Unrechts- und Schuldgehalt der einen nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes empfunden wird (vgl. BGHSt 13, 21, 25; 23, 141, 146 f.; 23, 270, 272 ff.; 24, 185, 186; 29, 288, 292 f.). Dies ist hier bei Berücksichtigung der dargestellten Umstände nicht der Fall.

2. Soweit die Revision einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht rügt, weil die Strafkammer den Zeugen V. nicht vernommen hat, liegt kein Rechtsfehler vor. Die Strafkammer legt rechtsfehlerfrei dar, daß sie aufgrund des Diktatzeichens und des Inhalts eines Schreibens an Rechtsanwalt B. davon überzeugt ist, daß der Angeklagte nach dem Termin bei der Staatsanwaltschaft am 17. Juli 1995 noch einmal in seinem Büro war. Damit widerlegt sie ausdrücklich die Einlassung des Angeklagten, er sei mit V. sogleich nach E. gefahren. Bei dieser Beweislage war die Kammer ohne einen entsprechenden Beweisantrag allein aufgrund ihrer Aufklärungspflicht nicht zur Vernehmung des Zeugen V. gedrängt.

3. Die Verurteilung wegen Untreue begegnet auch sachlichrechtlich keinen Bedenken.

Bezüglich der Untreue zum Nachteil der P. GmbH ist ergänzend auszuführen, daß nach dem Inhalt der von dem Angeklagten mit der P. GmbH und der Pr. GmbH geschlossenen Vereinbarung der Angeklagte auch gegenüber der P. GmbH in einem besonderen Treueverhältnis stand. Bezüglich des Teils des dem Konto entnommenen Betrages, der nicht den Anlegern zustand, weil es sich um rund 500.000,-- DM Zinsen etc. handelte, ist der P. GmbH durch die Übertragung auf das Konto des Rechtsanwalts G. ein Schaden entstanden.

Der Angeklagte handelte auch pflichtwidrig. In der zur Tatzeit geltenden Vereinbarung mit der P. GmbH war bestimmt, daß der Treuhänder berechtigt sein sollte, seine Treuhandgebühren von dem Renditekonto aus dem Ertragsanteil der Firma P. GmbH zu entnehmen. Diese Klausel ist zwar dahin auszulegen, daß der Angeklagte seinen Anspruch auf Zahlung der ihm zustehenden Gebühren auf unbürokratischem Wege aus dem auf dem Renditekonto befindlichen Ertragsanteil befriedigen durfte. Das zugunsten der Pr. -Anleger eröffnete Sicherheitskonto war jedoch kein solches Renditekonto. Dem Angeklagten war bekannt, daß im Frühsommer 1995 keine Anlagegelder und Renditen mehr zurückkamen. Deshalb hatte er zu diesem Zeitpunkt keine vertragsgemäße Möglichkeit, seine Ansprüche zu befriedigen. Er durfte somit nicht einfach auf ein anderes Konto als das Renditekonto Zugriff nehmen. Nach den Feststellungen tat er dies gleichwohl, ohne das Einverständnis des Geschäftsführers der P. GmbH einzuholen. Dem Angeklagten war nach den Feststellungen auch bewußt, daß er sich nicht auf diese Weise befriedigen durfte, zumal er den Geschäftsführer der P. GmbH im Oktober 1995 während dessen Inhaftierung veranlaßte, eine auf den 13. Juli 1995 vordatierte, inhaltlich unzutreffende Einverständniserklärung zu unterzeichnen.

Soweit die Strafkammer den Angeklagten wegen Untreue zum Nachteil der Pr. -Kunden, die der Angeklagte als Folgeanleger herausgerechnet hatte, verurteilt hat, begegnet dies ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Für diese rechtliche Würdigung spricht, daß massive Probleme bezüglich der Rückzahlung der Gelder auftraten, was dem Angeklagten bekannt war, zumal dieser Umstand dazu geführt hatte, daß er selbst in einen finanziellen Engpaß geriet. Auch waren ihm die in diesem Zusammenhang durchgeführten Täuschungsmanöver der Geschäftsführer der Kapitalanlagegesellschaften bekannt, mit denen die finanzielle Lage verschleiert werden sollte. Angesichts dieser Umstände mußte er erst recht dafür Sorge tragen, daß allen geschützten Anlegern ihre Sicherheit nicht verloren ging. Entgegen der Ansicht der Revision fielen die von dem Angeklagten herausgerechneten Anlagebeträge nicht deshalb aus dem Schutz der Sicherungsvereinbarung heraus, weil es sich um sogenannte Anschlußanlagen und nicht mehr um die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Sicherungsvereinbarung vorhandenen ursprünglichen Anlagebeträge handelte. Wie das Landgericht dargelegt hat, sind die Gelder der einzelnen Anleger, die nach ihrem Zahlungseingang in monatlich gebildeten Gesellschaften bürgerlichen Rechts zusammengefaßt und buchmäßig behandelt wurden, nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden. Im Falle einer Anschlußanlage erhielt der Anleger lediglich eine Umbuchungsbestätigung der P. GmbH, eine Kapitalrückzahlung und anschließende Neueinzahlung erfolgte nicht. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, daß eine einfache Umbuchung in den Unterlagen der P. GmbH nach Sinn und Zweck der Treuhandabreden nicht genügen konnte, um einen Abzug der Gelder von dem Sicherungskonto zu rechtfertigen. Im Hinblick auf die angespannte finanzielle und wirtschaftliche Situation hätte der Angeklagte die Anlagen zunächst vollständig abwickeln, d. h. den Anlegern die Sicherheitsbeträge zur Verfügung stellen müssen. Diese hätten dann selbst entscheiden können, ob sie das vorhandene Kapital erneut zur Erfüllung der durch den Folgeauftrag gegenüber der P. GmbH eingegangenen Verpflichtung einsetzen wollten oder nicht.

Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht entscheidend an. Geht man wie die Revision davon aus, daß die Folgeanleger den besonderen Schutz der Treuhandvereinbarung verloren hatten, so stand das auf dem Konto befindliche Guthaben nach den vertraglichen Vereinbarungen der P. GmbH, nicht aber dem Angeklagten zu. Aus den oben bereits dargelegten Gründen liegt dann jedenfalls auch insoweit eine Untreue zum Nachteil der P. GmbH vor.

Ende der Entscheidung

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