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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: 3 StR 19/03
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 20 | |
StGB § 21 | |
StGB § 63 | |
StGB § 64 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
18. Februar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 18. Februar 2003 einstimmig beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 29. Mai 2002 im Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 5.000 Euro nebst Zinsen an den Nebenkläger verurteilt. Außerdem hat es seine Verpflichtung festgestellt, dem Nebenkläger sämtliche materiellen und noch entstehenden immateriellen Schäden zu ersetzen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag, die bestehen bleibt; im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand.
a) Nach den Feststellungen verletzte er den knapp drei Jahre alten Sohn seiner Freundin, indem er auf das rechte Bein und den Hinterkopf des Kindes einwirkte. Es erlitt einen Anbruch des Schienbeins und zwei großflächige Hämatome.
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit, nämlich einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, erheblich eingeschränkt i. S. des § 21 StGB gewesen. Er habe einen Drang zu selbst- und fremdaggressiven Handlungen und greife zu Betäubungsmitteln und Alkohol (UA S. 3). Von einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die Strafkammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen abgesehen, da "noch nicht sicher davon ausgegangen werden" könne, daß von dem Angeklagten infolge der Persönlichkeitsstörung weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien. Es komme "durchaus in Betracht, daß er, insbesondere nach Verbüßung einer erheblichen Freiheitsstrafe, Situationen vermeiden werde, in denen es zu ähnlich schweren Auswirkungen seiner Aggressionen kommen könnte". Eine Unterbringung gemäß § 64 StGB komme trotz der gegebenen Polytoxikomanie nicht in Betracht, weil die ihr zugrunde liegende Persönlichkeitsstörung in einer Entziehungsanstalt nicht behandelbar sei (UA S. 14).
b) Diese Ausführungen des Landgerichts lassen besorgen, daß es von einem falschen Prüfungsmaßstab ausgegangen ist und deshalb überspannte Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose des § 63 StGB gestellt hat.
Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, wenn vom Täter infolge seines Zustandes i. S. der §§ 20, 21 StGB weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn dafür nach einer eingehenden Gesamtwürdigung des Täters und der Tat (vgl. BGHSt 27, 246, 248) eine bestimmte oder doch gewisse, über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit besteht (BGH NStZ 1986, 572 und 1991, 528). Eine Sicherheit oder eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich.
2. Als Folge des dargestellten Rechtsfehlers ist das Urteil aufzuheben, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt hat. Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO, vgl. BGHSt 37, 5, 9), da der Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 63 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat (vgl. BGHSt 38, 362 ff.). Der Senat hebt auch den Strafausspruch auf. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß die Strafkammer eine geringere Strafe verhängt hätte, wenn gleichzeitig die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden wäre. Darauf deutet vor allem die Strafzumessungserwägung hin, daß durch eine hohe Strafe auf den Angeklagten eingewirkt werden müsse, damit er es künftig nicht wieder zu vergleichbaren Taten kommen lasse (UA S. 15).
Ende der Entscheidung
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