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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.09.2003
Aktenzeichen: 3 StR 224/03
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 261 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 4. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, von Lienen, Hubert als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 16. Januar 2003 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht Osnabrück hat mit dem angefochtenen Urteil - wie schon im Ausgangsverfahren, Urteil vom 21. September 2000, aufgehoben vom Senat - 3 StR 71/01 - aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft - den Angeklagten erneut vom Vorwurf der schweren Brandstiftung freigesprochen. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.
1. Im Ausgangsverfahren hatte sich das Landgericht nicht von dem der Anklage zugrunde liegenden Tatgeschehen überzeugen können, daß der Angeklagte und der Mitangeklagte C. gemeinsam das Gemüsegeschäft des Onkels des C. in Brand gesetzt haben. Vielmehr hatte es den von dem früheren Mitangeklagten C. behaupteten Geschehensablauf nicht zu widerlegen vermocht, nach dem C. in dem Gemüsegeschäft mit Benzin, mit dem er sich auch teilweise selbst überschüttet habe, einen Selbstmordversuch unternommen habe. Auch die Aussage des Angeklagten, nach der er zufällig an dem Geschäft vorbeigekommen sei und Flammen an dem durch die Wucht der Explosion aus dem Gemüseladen herausgeschleuderten C. abgelöscht habe, hatte es nicht widerlegen können. Es hatte deshalb den C. wegen schwerer Brandstiftung zu einer Jugendstrafe verurteilt und den Angeklagten freigesprochen.
Auch der neue Tatrichter hat sich trotz ganz erheblicher Zweifel von einer mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an einer schweren Brandstiftung nicht überzeugen können. Für den von dem Angeklagten und dem früheren Mitangeklagten C. behaupteten Geschehensablauf sprächen insbesondere die von C. erlittenen Brandverletzungen, die - so der Sachverständige - Rinnsalen geglichen hätten. Auch nach Würdigung der weiteren Beweismittel, wie insbesondere der unterschiedlichen Brandverletzungen des Angeklagten und des C., des Umstandes, daß in Tatortnähe Arbeitshandschuhe, die der Angeklagte getragen haben mußte, aufgefunden wurden, sowie mehrerer Zeugenaussagen und näher dargestellter Ungereimtheiten und Widersprüche in den Aussagen des Angeklagten und des C. hat es sich nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit davon überzeugen können, daß der Angeklagte an der Brandlegung beteiligt war.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft oder Teilnahme nicht überwinden kann, so ist das durch das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist. Insbesondere muß die Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Schließlich dürfen die Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit nicht überspannt werden (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33).
Diesen Anforderungen entspricht das angefochtene Urteil; die Angriffe der Beschwerdeführerin gegen die Beweiswürdigung dringen nicht durch. Mit der schon im ersten Durchgang bedeutsamen Frage, ob der Angeklagte die Arbeitshandschuhe schon vor und bei der Explosion - was ein starkes Indiz für seine Mittäterschaft darstellen könnte - oder erst später getragen hat - was seine Einlassung und die Selbstmordversion des C. stützen würde -, hat sich das Landgericht erschöpfend beweiswürdigend auseinandergesetzt. Insbesondere aufgrund des Sachverständigengutachtens zu den Brand- und Schnittverletzungen des Angeklagten auch an der linken Innenhand und beiden Handrücken hat es sich nicht davon überzeugen können, daß der Angeklagte schon im Zeitpunkt der Explosion diese Handschuhe trug. Auch weil sich nicht näher klären ließ, wie und auf welche Weise der Angeklagte in den Besitz der Handschuhe gelangt ist, hat sich das Landgericht nicht in der Lage gesehen, die Aussage des Angeklagten, die Handschuhe zum Löschen der Flammen an C. gebraucht zu haben, zu widerlegen. Darauf, daß es insoweit auch einen anderen Schluß aus den vorhandenen Indizien hätte ziehen können, kommt es nicht an; seine Schlußfolgerungen müssen nur möglich, sie brauchen nicht zwingend zu sein.
Auch im übrigen ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei. Der Senat besorgt nicht, daß die Strafkammer Widersprüche in den Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, in der ersten Hauptverhandlung und im 2. Durchgang bei der Einschätzung des Beweiswerts der nach ihrer Auffassung ohnehin von einer Vielzahl von Widersprüchen und Ungereimtheiten geprägten Einlassung des Angeklagten in der 2. Hauptverhandlung übersehen haben könnte. Zwar erörtert das angefochtene Urteil nicht ausdrücklich, warum die Ehefrau des Angeklagten, die die beiden Schwerverletzten unweit des Tatorts in ihr Auto aufgenommen hat, erst nach einer längeren Fahrt und nicht sofort ärztliche Hilfe herbeigeholt hat. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe liegt indes nahe, daß sich diese - schon im ersten Urteil und im Revisionsverfahren behandelte - Frage zum einen nicht näher aufklären ließ. Zum anderen bestehen nicht fernliegende, den Angeklagten nicht belastende Erklärungsmöglichkeiten für ein solches Verhalten der Frau des Angeklagten, die im 1. Durchgang von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Angesichts der Sachverständigengutachten zu den Brandverletzungen des Angeklagten und des C. sowie weiterer Beweismittel und des festgestellten Umstandes, daß die Türe des Gemüseladens abgeschlossen war, brauchte das Landgericht auch die Möglichkeit nicht näher zu erörtern, ob sich der Angeklagte zum Zweck des Schmierestehens vor dem Geschäft aufgehalten haben könnte.
Ende der Entscheidung
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