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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.08.2003
Aktenzeichen: 3 StR 238/03
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
- |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 21. August 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. August 2003, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Winkler als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Pfister, von Lienen, Becker als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Bundesanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12. November 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die - vom Generalbundesanwalt vertretene - Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Beweiswürdigung des Landgerichts in sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandet wird. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Dem Angeklagten liegt zur Last, am Abend des 24. Januar 1998 den Reifenhändler B. durch zwei Schüsse in den Rücken heimtückisch getötet zu haben. Das Landgericht hat sich trotz zahlreicher erheblich belastender Indizien nicht von einer Täterschaft oder Tatbeteiligung des Angeklagten überzeugen können, weil konkrete Anhaltspunkte für das Zusammenwirken von mindestens zwei Tatbeteiligten und für eine Täterschaft von Personen bestünden, die mit dem Tatopfer ein illegales Waffengeschäft abgeschlossen hatten; auch sei ein Motiv des Angeklagten für die Tötung des B. nicht feststellbar.
2. Das freisprechende Urteil war aufzuheben, weil sich die Beweiswürdigung in mehreren wesentlichen Punkten als lückenhaft und widersprüchlich erweist.
a) Dies gilt zunächst hinsichtlich eines möglichen Tatmotivs des Angeklagten. Vor dem Hintergrund, daß dieser mit B. befreundet gewesen sei und mit ihm im besten Einvernehmen gemeinsam abends dessen Wohnhaus verlassen habe, schließt das Landgericht eine zu einem Streit mit tödlichem Ausgang führende Situation aus. Es hält es für unwahrscheinlich, Grund für einen solchen Streit könne gewesen sein, daß B. im Hinblick auf alsbald drohende Steuerschulden plötzlich von dem Angeklagten geliehene 70.000 DM und für Renovierungsarbeiten vorgeleistete 60.000 DM zurückverlangt haben könnte. Für ebenso unwahrscheinlich hält es die Möglichkeit, der Angeklagte könnte dem B. das Vorhandensein eines Kaufinteressenten, der ihm kurzfristig seinen Ferrari, ein Wohnmobil und eine brilliantenbesetzte Rolex-Uhr für 500.000 DM abkaufen wollte, nur vorgespiegelt haben und B. habe in der Tatnacht Kenntnis hiervon erlangt, weswegen es zu einem Streit gekommen sei.
Damit hat das Landgericht wesentliche Umstände, deren Erörterung sich in diesem Zusammenhang aufdrängte, rechtsfehlerhaft nicht in seine Erwägungen einbezogen. So hat es sich zunächst nicht mit der naheliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt, daß der Angeklagte angesichts des unmittelbar bevorstehenden Ausfalls seiner wichtigsten Nebenerwerbsquelle den B. auch ohne vorangegangenen Streit aus finanziellen Gründen heimtückisch getötet haben könnte. Diese Erörterung wäre angesichts der festgestellten desolaten finanziellen Situation des Angeklagten aber notwendig gewesen, da ihm die Tötung des B. ganz erhebliche materielle Vorteile gebracht hätte und somit ein Mordmotiv hätte darstellen können. Denn der Angeklagte hatte bei der zu erwartenden Geschäftsaufgabe des B. nicht nur die Geltendmachung der bereits längst fälligen Wechselforderung von 70.000 DM, sondern auch die Rückforderung des Vorschusses von 60.000 DM zu befürchten. Unerörtert bleibt insoweit insbesondere auch, daß der Angeklagte mehrfach versucht hat, den Zeugen P. dazu zu bewegen, den von ihm gezeichneten Wechsel über 70.000 DM, des B. dem P. überlassen hatte, dem Schließfach zu entnehmen und zu vernichten. Für ein finanzielles Motiv konnten auch seine Bemühungen sprechen, den Ferrari, den Wohnwagen und die brillantenbesetzte Rolex-Uhr des B. mit einem Gesamtwert von 500.000 DM auf Dauer an sich zu bringen. Beide Fahrzeuge hat er auf das Kasernengelände bzw. - wie auch teuere Ferrarifelgen - in seine Werkstatt verbracht. Er hat Frau B. bewußt den Ferrari vorenthalten, ihn wie sein Eigentum genutzt und dies nach außen hin auch so dargestellt. Auch hatte er wegen des Besitzes an dem Ferrari des B. die Möglichkeit, dadurch Geld zu erlangen, daß er seinen eigenen Ferrari verkaufen konnte; dies tat er dann auch. Schließlich hat er den BMW 530i Touring des B. , in dem zunächst dessen Leiche lag, zu eigenen Zwecken genutzt.
b) Auch mit einem weiteren, den Angeklagten belastenden Beweisanzeichen hat sich der Tatrichter nur unzulänglich auseinandergesetzt. Festgestellt ist, daß der Angeklagte am Abend nach dem spurlosen Verschwinden des B. alle Schlüssel für dessen Wohnhaus an sich nahm, ohne hierfür eine nachvollziehbare Begründung abzugeben. Das Landgericht ist davon überzeugt, daß der Grund dafür darin lag, daß der Angeklagte den Schlüssel zur Scheune suchte, in der sich noch ein Teil der Rakete befand; "ein anderer Grund ist nicht erkennbar" (UA S. 55).
Dabei wird die naheliegende Möglichkeit nicht erörtert, daß der Angeklagte die Schlüssel des Wohnhauses an sich nahm, um nach den Fahrzeugpapieren des Ferrari und des Wohnmobils, möglicherweise auch nach Unterlagen über die brillantenbesetzte Rolex-Uhr zu suchen und diese an sich zu bringen; nur so hätte er sich dauernden Besitz sichern und Herausgabeansprüche abwehren können. Tatsächlich wurden der Kfz-Brief des Ferrari sowie andere Dokumente einen Monat später in einer Plastiktüte in einem Stapel Rigipsplatten im Wohnhaus des B. aufgefunden; nach den Urteilsfeststellungen hatte sie B. am 24. Januar 1998 dort versteckt.
c) Schließlich ist das Urteil in einem zentralen Punkt widersprüchlich. Beim Sachverhalt wird festgestellt, daß das Opfer zunächst an Händen und Füßen gefesselt wurde. Dabei hätten mindestens zwei Personen zusammengewirkt. Sodann sei es durch zwei Schüsse in den Rücken getötet worden (UA S. 20). Im Rahmen der Beweiswürdigung geht die Kammer dagegen davon aus, daß sich nicht sicher feststellen lasse, ob die Fesselung des Opfers vor oder nach dessen Tötung erfolgt sei. Sie hält eine prämortale Fesselung zwar für wahrscheinlicher, eine postmortale aber auch nicht für ausgeschlossen.
Ebensowenig wird dort die Mitwirkung eines zweiten Täters für erwiesen erachtet, vielmehr werden nur "konkrete Anhaltspunkte" dafür gesehen (UA S. 49 f.).
Zutreffend weist die Revision in diesem Zusammenhang darauf hin, daß sich das Landgericht nur unzureichend damit auseinandergesetzt hat, daß auch eine - für eine Alleintäterschaft sprechende - postmortale Fesselung gegeben sein könnte. Insbesondere hätte das Schwurgericht näher erörtern müssen, warum die Fixierung über der Kleidung so angebracht war, daß sie die Lagerung der Leiche im Laderaum eines Autos und deren Transport wesentlich erleichterte, daß die Oberbekleidung durch das Einhüllen in die Plastikfolie und das Umlagern verrutscht sein könnte und daß insbesondere die Einschüsse in den Rücken und die Schußkanäle eher mit einer postmortalen Fesselung vereinbar sind.
Ende der Entscheidung
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