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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.02.2000
Aktenzeichen: 3 StR 24/00
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 267 Abs. 1 | |
StPO § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. | |
StGB § 21 | |
StGB § 213 2. Alt. | |
StGB § 49 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
16. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Februar 2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 9. November 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen.
Gründe:
Der Angeklagte war vom Landgericht Aurich mit Urteil vom 16. Dezember 1998 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden, wobei im Hinblick auf eine alkoholbedingte verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB die Voraussetzungen eines sonstigen minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB angenommen worden waren. Der Senat hat dieses Urteil mit Beschluß vom 21. Juli 1999 wegen eines Verfahrensfehlers im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zurückverwiesen. Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 9. November 1999 erneut zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Das Urteil hat wiederum keinen Bestand, da die Strafkammer zum einen in den Urteilsgründen eine unzulässige Bezugnahme vorgenommen hat und insbesondere von einem unzutreffenden Umfang der Teilrechtskraft des ersten Urteils ausgegangen ist.
1. Zum Lebenslauf des Angeklagten hat die Strafkammer ausgeführt, daß dieser dieselben Angaben gemacht hat, wie sie im ersten Urteil vom 16. Dezember 1998 niedergelegt sind, und insoweit auf diese Bezug genommen ("von Urteil Bl. 33 I bis Bl. 36 vor II"). Dies ist unzulässig. Nach § 267 Abs. 1 StPO muß jedes Strafurteil aus sich heraus verständlich sein, wobei zur Darstellung des Sachverhalts grundsätzlich nicht auf Aktenteile Bezug genommen werden darf (st. Rspr., vgl. BGHSt 30, 225, 226; 33, 59, 60; BGHR StPO § 267 I 1 Bezugnahme 1). Hat wie hier ein Tatgericht erneut Feststellungen zur Person eines Angeklagten zu treffen und macht dieser dabei dieselben Angaben, wie sie in dem früheren, jedoch insoweit aufgehobenen Urteil enthalten sind, so ist zwar nichts dagegen einzuwenden, wenn zur Vermeidung neuer Formulierungsarbeit der Wortlaut der entsprechenden Passage des früheren Urteils übernommen wird, doch darf kein Zweifel daran gelassen werden, daß es sich um neue, eigenständig getroffene Feststellungen handelt. Eine Bezugnahme auf Aktenstellen, wozu auch das frühere Urteil gehört, ist - wie oben dargelegt - in solchen Fällen nach § 267 Abs. 1 StPO nicht zulässig. An diesem Rechtsfehler ändert nichts, daß das Tatgericht für die Zeit nach der früheren Hauptverhandlung ergänzende Feststellungen zur Person getroffen und dargelegt hat.
2. Die Strafkammer ist weiterhin zu Unrecht davon ausgegangen, die Anwendung des § 213 2. Alt. StGB i.V.m. § 21 StGB sei rechtskräftig festgestellt. Damit hat sie dem Beschluß des Senats vom 21. Juli 1999 eine Bindungswirkung beigemessen, die ihm nicht zukommt, und damit den Umfang der erforderlichen Neuentscheidung verkannt. In dieser teilaufhebenden Revisionsentscheidung war der Schuldspruch wegen Totschlags bestätigt, jedoch der Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben worden. Damit ist der neue Tatrichter nur an den Schuldspruch selbst (Totschlag nach § 212 StGB) und diejenigen Feststellungen, die ausschließlich oder - als sogenannte doppelrelevante Tatsachen - auch den nunmehr rechtskräftigen Schuldspruch betreffen, gebunden. Die Bindung erstreckt sich auf alle Umstände, welche das Tatgeschehen im Sinne des geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben (st. Rspr., vgl. BGHSt 24, 274, 275; 30, 340, 344; BGHR StPO § 353 II Teilrechtskraft 3, 4).
Dagegen ist der Strafausspruch mit den ausschließlich ihn betreffenden Feststellungen aufgehoben und nicht mehr existent. Dazu gehört neben der Strafzumessung im engeren Sinn auch die Findung des richtigen Strafrahmens und insbesondere die Prüfung minder oder besonders schwerer Fälle, sowie von Strafrahmenverschiebungen etwa nach §§ 21, 49 StGB.
Der neue Tatrichter hatte daher die ausschließlich den Strafausspruch berührenden Feststellungen neu zu treffen, wobei er darauf achten mußte, daß er sich mit denjenigen zum Schuldspruch oder den doppelrelevanten Tatsachen, die bereits bindend feststehen, nicht in Widerspruch setzen darf, weil die Tat durch ein in sich widerspruchsfreies, einheitliches Erkenntnis abzuurteilen ist; ob über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entschieden oder ob nach Rechtskraft des Schuldspruchs die Strafe gesondert festgesetzt wird, darf dabei keinen Unterschied machen (BGHR StPO § 353 II Teilrechtskraft 3 m.w.Nachw.). Danach hat er durch eine Wertung der festgestellten Tatsachen den richtigen Strafrahmen zu finden und dabei u.a. die Voraussetzungen und die Anwendbarkeit des § 21 StGB sowie von minder oder besonders schweren Fällen erneut und eigenständig - ohne jede Bindung an das insoweit aufgehobene und nicht mehr existente erste Urteil - zu prüfen. Gerade deshalb hatte der Senat - was die Strafkammer offensichtlich mißverstanden hatte - für die neue Hauptverhandlung einen Hinweis zur Anwendbarkeit des § 213 1. Alt. StGB erteilt.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Urteil auf der verkürzten Prüfung der Straffrage beruht. Er hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an das Landgericht Oldenburg zurückverwiesen.
Ende der Entscheidung
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