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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.08.2002
Aktenzeichen: 3 StR 246/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 246/02

vom

27. August 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Mordes u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. August 2002 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. März 2002 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Soweit der Revisionsführer geltend macht, die Überstellung des Angeklagten am 6. Oktober 2001 von Frankreich nach Deutschland sei ohne eine wirksame Auslieferungsbewilligung erfolgt und im übrigen sei in Frankreich die Höchstdauer der vorläufigen Auslieferungshaft nach Art. 16 Abs. 4 Satz 1 EuAlÜbk von vierzig Tagen überschritten worden, ist der Sachvortrag nicht zutreffend und würde im übrigen, auch wenn er zuträfe, der Durchführung des Strafverfahrens in Deutschland nicht entgegen stehen.

1. Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Angeklagte war in Frankreich festgenommen und auf Grund einer Auslieferungsbewilligung der französischen Behörden vom 28. Oktober 1998 nach zwischenzeitlicher Verbüßung von Strafhaft am 12. Juli 2000 nach Deutschland überstellt worden. Am 2. September 2000 ist er jedoch aus der JVA H. ausgebrochen und erneut nach Frankreich geflohen. Dort konnte er am 12. Februar 2001 wieder festgenommen werden. Nachdem die französischen Behörden mit einer Note vom 18. September 2001 die erneute Überstellung des Angeklagten auf Grund der Auslieferungsbewilligung vom 28. Oktober 1998 angekündigt hatten, wurde dieser am 6. Oktober 2001 den deutschen Behörden übergeben.

2. a) Der Spezialitätsgrundsatz erfordert die Prüfung, ob ein Strafverfahren gegen einen von einem anderen Staat ausgelieferten Angeklagten mit der Auslieferungsbewilligung vereinbar ist, nicht jedoch, ob die Bewilligung gegen das Recht des ausliefernden Staates verstieß (vgl. Rieß in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 206 a Rdn. 48 m. w. N.). Daß das vorliegende Verfahren nicht die Spezialitätsbindung der Auslieferungsbewilligung vom 28. Oktober 1998 verletzt, steht außer Frage. Darüber hinaus kommt es aber für die Durchführbarkeit des deutschen Strafverfahrens nicht darauf an, ob sich die französischen Behörden bei der Übergabe des Angeklagten am 6. Oktober 2001 noch auf die Auslieferungsbewilligung vom 28. Oktober 1998 berufen durften, da eine etwaige Verletzung des Auslieferungsrechts durch französische Behörden grundsätzlich kein Verfahrenshindernis für das deutsche Gericht begründen könnte. Selbst wenn man demnach die Übergabe vom 6. Oktober 2001 als bloße Abschiebung an Stelle einer Auslieferung ansehen würde, stünde diese der Durchführung eines Strafverfahrens in Deutschland nicht entgegen (vgl. Rieß in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 206 a Rdn. 48 a m. w. N.).

b) Im übrigen liegt ein solcher Verstoß nicht vor.

aa) Das Schreiben des französischen Außenministeriums vom 18. September 2001, mit dem die Übergabe des Angeklagten auf Grund der Auslieferungsbewilligung vom 28. Oktober 1998 angekündigt wurde, beruht ersichtlich auf der Auffassung, daß diese Bewilligung durch die erste Überstellung des Angeklagten am 12. Juli 2000 noch nicht endgültig erledigt war, sondern noch Rechtsgrundlage für die zweite Überstellung am 6. Oktober 2001 sein konnte. Der Senat neigt dieser Ansicht zu, da eine Auslieferungsbewilligung rechtliche Wirkungen regelmäßig auch über die eigentliche Auslieferung durch Überstellung eines Verfolgten hinaus entfaltet, insbesondere durch die Spezialitätsbindung, die nach Art. 14 Abs. 1 EuAlÜbk bis zur Zeit nach der Strafvollstreckung wirkt. Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Bewilligung einer Auslieferung nach einem ersten Vollzug durch Überstellung und anschließender Flucht zurück in das ausliefernde Land nicht erneut vollzogen werden darf, sondern eine erneute Durchführung eines langwierigen Auslieferungsverfahrens erforderlich sein sollte.

bb) Wenn man dagegen die Auslieferungsbewilligung vom 28. Oktober 1998 durch die erste Überstellung des Angeklagten an Deutschland als erschöpft ansehen wollte, wie dies vom Appellationsgericht Toulouse in seiner Haftentscheidung vom 23. August 2001 vertreten wird, läge es nahe, die Mitteilung der französischen Behörden vom 18. September 2001 als eine erneute Bewilligung der Auslieferung zu werten, deren Inhalt sich aus der in Bezug genommenen ersten Entscheidung vom 28. Oktober 1998 ergäbe. Auch dann wäre die Auslieferung auf Grund einer Bewilligung erfolgt.

3. Für die Frage der Zulässigkeit eines Strafverfahrens in der Bundesrepublik ist grundsätzlich auch ohne Belang, ob der ausliefernde Staat das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat. Die Befristung der vorläufigen Auslieferungshaft nach Art. 16 Abs. 4 Satz 1 EuAlÜbk auf vierzig Tage konnte daher der Angeklagte nur gegenüber den französischen Behörden mit den dort gegebenen Rechtsbehelfen geltend machen, wie durch seine Eingabe zum Appellationsgericht in Toulouse auch geschehen. Eine etwaige Überschreitung der Frist stünde aber der Durchführung des vorliegenden Strafverfahrens nicht entgegen. Im übrigen hat der Generalbundesanwalt zu Recht darauf hingewiesen, daß sich der Angeklagte nach der Auskunft des französischen Justizministeriums vom 28. Februar 2002 nicht einen Tag ausschließlich in Auslieferungshaft befunden hatte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Appellationsgerichts Toulouse vom 23. August 2001, die sich mit der Zulässigkeit vorläufiger Auslieferungshaft befaßt, die Frage anderweitiger Haft jedoch ausdrücklich unberührt läßt.

Ende der Entscheidung

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