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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.07.1999
Aktenzeichen: 3 StR 268/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB n.F.


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 349 Abs. 2 und 4
StPO § 258 Abs. 2 und 3
StGB § 213 n.F.
Wird dem Angeklagten nicht das letzte Wort gewährt, ist das Urteil im Strafausspruch aufzuheben, wenn die Äußerung des Angeklagten den Strafausspruch beeinflußt haben könnte.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 268/99

vom

21. Juli 1999

in der Strafsache

gegen

wegen Totschlags

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Juli 1999 gemäß §§ 44, 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Der Angeklagte wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 16. Dezember 1998 in den vorigen Stand wiedereingesetzt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Rüge der Verletzung des § 258 Abs. 2 und 3 StPO zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 17. Juni 1999 hierzu ausgeführt:

"Der Angeklagte macht geltend, ihm sei entgegen § 258 Abs. 2, 3 StPO das letzte Wort nicht gewährt worden. Dieser Vortrag ist durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung, die jedenfalls keine offensichtliche Lücke aufweist, bewiesen (§ 274 StPO). Die im Senatsbeschluß vom 14. April 1999 (3 StR 70/99) erörterten Bedenken bestehen hier nicht, weil der Verfasser der Revisionsbegründung in der Hauptverhandlung nicht anwesend war und ihm mögliches Wissen seines Mitverteidigers nicht zugerechnet werden kann. Der Vermerk vom 16. April 1999 (SA Bd. IV Bl. 26) ist für das Revisionsverfahren ohne Bedeutung. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. die Nachweise bei Engelhardt in KK zur StPO, 4. Aufl. § 271 Rdnr. 26) kann eine Protokollberichtigung nicht dazu führen, daß einer zulässigen Verfahrensrüge nachträglich der Boden entzogen wird.

Der Senat wird ausschließen können, daß der Schuldspruch des angefochtenen Urteils auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, seine Ehefrau erschossen zu haben. Die Verteidigung hat eine Verurteilung wegen Totschlags nicht in Frage gestellt. Darauf weist auch die Revision hin (zur teilweisen Urteilsaufhebung vgl. BGH bei Kusch, NStZ 1993 S. 29). Nicht ausschließbar ist indes, daß eine verfahrensabschließende Äußerung des Angeklagten Einfluß auf den Strafausspruch genommen hätte. Ein Sonderfall, in dem ein solcher Zusammenhang nach dem Verfahrensablauf sicher verneint werden könnte (vgl. hierzu Schlüchter in SK - StPO § 258 Rdnr. 45), liegt hier nicht vor. Im Blick auf die Tatumstände ist die verhängte Freiheitsstrafe zwar sehr milde; sie liegt aber noch über der Hälfte des durch § 213 StGB n.F. eröffneten Strafrahmens und übersteigt die Höchststrafe, die die Vorschrift bis zum Inkrafttreten des 6. StrRG vorgesehen hat. Deshalb erlaubt es auch die Höhe der Strafe nicht, die Möglichkeit des Beruhens mit der gebotenen Sicherheit auszuschließen."

Dem schließt sich der Senat an.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß die 1. Alternative des § 213 StGB nicht in Betracht kommt. Daß die Ehefrau des Angeklagten die Annäherungsversuche des H. hingenommen und nicht zurückgewiesen hatte, stellt keine Kränkung von dem Gewicht dar, wie sie § 213 1. Alt. StGB erfordert, zumal der dabei anwesende Angeklagte seinerseits nicht eingeschritten war und den H. so behandelte, als sei nichts geschehen. Im übrigen war der Angeklagte auch nicht auf der Stelle zur Tat hingerissen, da sich der Vorfall mit dem H. am Sonntag und das Tötungsgeschehen erst am folgenden Mittwoch ereignet hatte.



Ende der Entscheidung

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