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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.02.2000
Aktenzeichen: 3 StR 28/00
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
BtMG § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 28/00

vom

16. Februar 2000

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 16. Februar 2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 21. Juli 1999, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit mehreren Verfahrensrügen und der Sachrüge. Die Verurteilung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beauftragte der Beschwerdeführer den wegen derselben Tat rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten C. , gegen Bezahlung eines Kurierlohns von 1.500 DM ca. 1,7 kg Haschisch von dem Lieferanten "Ü. " in De. /Niederlande abzuholen und zu ihm nach H. zu bringen. Das Rauschgift sollte in Deutschland gewinnbringend weiterverkauft werden.

Am 8. Dezember 1998 fuhr C. zusammen mit dem wegen dieser Tat ebenfalls rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten D. mit seinem Pkw nach De. . Da sich die Kontaktaufnahme mit dem Lieferanten und die Lieferung des Rauschgiftes verzögerten, hielten sich C. und D. von ca. 6.30 Uhr bis längstens ca. 14.00 Uhr in De. auf. Während dieser Zeit führte C. mehrere Telefongespräche. Zwischen 13.00 Uhr und 14.00 Uhr übergab eine männliche Person dem Verurteilten C. eine Plastiktüte, die dieser in seinem Pkw abstellte. Anschließend traten C. und D. die Rückreise nach Deutschland an. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wußte auch D. , daß sich in der Plastiktüte eine größere Menge Rauschgift befand, die unerlaubt nach Deutschland eingeführt und dort verkauft werden sollte.

Gegen 15.30 Uhr reisten C. und D. am Grenzübergang Bad Bentheim auf der BAB 30 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Dabei führten sie in der Plastiktüte 1004 Gramm Haschisch (Wirkstoffmenge: 75,3 Gramm THC) und 386 Gramm Kokain (Wirkstoffmenge: 315 Gramm KHC) bei sich. Bei einer Überprüfung durch Grenzschutzbeamte wurden die Drogen gefunden.

Bei mehreren Beschuldigtenvernehmungen vor der Hauptverhandlung gaben die Verurteilten C. und D. an, sie seien in De. /Niederlande gewesen, um dorthin Waren auszuliefern, sie wüßten nicht, wie das Rauschgift in den Pkw gekommen sei. Bei seinen Beschuldigtenvernehmungen vom 15. Januar 1999 und 23. Februar 1999 sagte C. aus, von dem Beschwerdeführer den Auftrag erhalten zu haben, vier Kartons mit Haushaltswaren nach De. zu bringen. Erst in der Hauptverhandlung bezeichnete C. den Beschwerdeführer als Hintermann und Auftraggeber des Drogentransports.

Die Strafkammer hat die Einlassungen der Verurteilten C. und D. in der Hauptverhandlung, sie seien davon ausgegangen, in der Plastiktüte befinde sich nur Haschisch, als unwiderlegt behandelt und sie nur wegen Einfuhr von und Handeltreiben mit dem Haschisch verurteilt. Sie hat den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten Y. aufgrund der schlüssigen, detailiierten und glaubhaften Aussage des C. als überführt angesehen. Die Angaben des C. seien vor allem deshalb von großem Gewicht, weil er in der Hauptverhandlung nicht nur seine eigene Tatbeteiligung schonungslos eingeräumt, sondern auch die Tatbeteiligung des Beschwerdeführers als Auftraggeber und Hintermann im Sinne von § 31 BtMG zuverlässig dargelegt habe. Es sei kein konkreter Anlaß zu erkennen, daß C. den Mitangeklagten Y. zu Unrecht als Hintermann und Haupttäter bezeichnet haben könnte. C. sei auch nicht deshalb unglaubwürdig, weil er sich zunächst bei mehreren Beschuldigtenvernehmungen als unschuldig bezeichnet und die Tatbeteiligung des Beschwerdeführers nicht sofort geoffenbart habe.

2. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht ausschließlich auf den Angaben des Mitangeklagten C. in der Hauptverhandlung. In einem solchen Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1 und 14; § 267 Abs. 1 Satz 1 Beweisergebnis 8; BGH StV 1995, 6 f.). Zudem ist in besonderem Maße eine "Gesamtwürdigung" aller Indizien geboten (BGHR StPO § 261 Indizien 2 und Beweiswürdigung 14). Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Die Darstellung der für die Beweiswürdigung wesentlichen Tatsachen ist in einzelnen Punkten unvollständig und ermöglicht dem Senat keine rechtliche Überprüfung. Außerdem würdigt die Strafkammer wesentliche, für den Angeklagten sprechende Indizien nicht oder unzureichend.

Im Urteil fehlt eine geschlossene, ausreichend substantiierte Darstellung der Aussagen der Mitangeklagten C. und D. in ihren Vernehmungen vor und in der Hauptverhandlung (vgl. hierzu Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 337 Rdn. 121, 133, 135 m.w.Nachw.), insbesondere zu den in De. geführten Telefonaten, zur Kontaktaufnahme mit dem Rauschgiftlieferanten, zur Rauschgiftübergabe ohne Bezahlung und zu dem Inhalt des oder der Gespräche mit dem Übergeber "Ü. ". Eine ausführliche Wiedergabe der Aussagen zu diesen Punkten ist schon deshalb erforderlich, weil das Landgericht zu den geführten Telefonaten und zur Kontaktaufnahme mit dem Rauschgiftlieferanten offensichtlich an der Zuverlässigkeit der Angaben des C. zweifelte (UA S. 14, 15: "angeblich", "wahrscheinlich") und deshalb keine sicheren Feststellungen treffen konnte. Wegen der substanzarmen und lückenhaften Feststellungen zu diesen für die Beweiswürdigung wesentlichen Umständen ist eine revisionsgerichtliche Kontrolle, ob die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerfrei ist, nicht möglich. Weiterhin sind die Ausführungen der Kammer, daß in der Hauptverhandlung keine erkennbaren Widersprüche, Ungereimtheiten oder relevant erscheinende Ungenauigkeiten aufgetreten seien, sondern die Aussage des C. insgesamt geschlossen und das Darstellungsbild plastisch wirke (UA S. 24), für den Senat nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

Auch ist im Urteil die Entwicklung der Aussagen der Verurteilten C. und D. im Laufe ihrer mehrfachen Vernehmungen, der für die Bewertung der Zuverlässigkeit der Angaben des C. Bedeutung zukommt, nicht mit der für die Beurteilung erforderlichen Ausführlichkeit dargestellt (vgl. BGH StV 1994, 227 m.w.Nachw.). Die Urteilsgründe verhalten sich vor allem nicht dazu, welche Umstände C. und D. zu einer Änderung ihrer Aussagen veranlaßt haben, insbesondere welche Vorhalte ihnen in diesem Zusammhang gemacht oder welche Hinweise ihnen erteilt wurden.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch sonst widersprüchlich und nicht in allen Punkten nachvollziehbar (vgl. hierzu Hanack aaO Rdn. 148, 151, 154 m.w.Nachw.; Kuckein in KK 4. Aufl. § 337 Rdn. 29 m.w.Nachw.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 337 Rdn. 26 f.). Die Kammer hat die Einlassung des C. , er habe von dem in seinem Pkw von Grenzschutzbeamten aufgefundenen Kokain - dem schwerwiegendsten Vorwurf - nichts gewußt, als nicht widerlegt angesehen (UA S. 21) und somit bei der Strafzumessung unberücksichtigt gelassen. Dies läßt sich nicht ohne weiteres mit der Wertung vereinbaren, für die Glaubhaftigkeit der den Beschwerdeführer belastenden Aussage des C. spreche, daß dieser in vollem Umfang geständig gewesen sei und ein schonungsloses Geständnis abgelegt habe (UA S. 14). Weiterhin verhält sich das Urteil nicht zu dem Widerspruch, daß einerseits zu den Vorgängen in De. aufgrund der Angaben des C. keine sicheren Feststellungen getroffenen werden konnten, andererseits die den Beschwerdeführer belastenden Angaben des C. als uneingeschränkt glaubhaft bezeichnet werden. Dies hätte einer näheren Begründung bedurft. Nicht nachvollziebar und bedenklich ist die Meinung der Kammer, das Gewicht des Geständnisses des C. werde dadurch erhöht, daß er eine Tatbeteiligung des Beschwerdeführers als Hintermann und Haupttäter aufgedeckt habe (UA S. 20). Mit dem möglichen und sich aufdrängenden Motiv des C. , den Angeklagten Y. zu Unrecht zu belasten, um eine Strafmilderung gem. § 31 BtMG zu erhalten, setzt sich das Urteil nicht auseinander. Die Kammer geht vielmehr davon aus, daß kein konkreter Anlaß erkennbar sei, weshalb C. den Beschwerdeführer zu Unrecht als Täter bezichtigt haben sollte (UA S. 24).



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